Medienspiegel


kulturstattbern.derbund.ch 20.9.10

Von Gisela Feuz am Montag, den 20. September 2010, um 12:18 Uhr

Müslüms Po-Wackelung

Offenbar war am Samstag ganz Bern auf den Beinen. Auch der Dachstock,
wo sich im Rahmen von "Reitschule beatet mehr" verschiedene Musiker
aus Bern sich für die Abstimmung vom nächsten Wochenende ins Zeug
legten, meldete ausverkauftes Haus. (Stimmmaterial ausgefüllt und
abgeschickt? Nicht? Dann wirds höchste Zeit!) Gemäss Statusmeldung der
Veranstalterin lief alles glatt und genau so, wie es sollte. Etwa so
wie Müslüms Po-Wackelung. An der gibt's nämlich auch nichts
auszusetzen.


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Bund 20.9.10

Leserbrief Abstimmung über den Verkauf der Reitschule, diverse Artikel im "Bund"


 Die Reitschule ist ein Stück Bern

 Ich bin schon einiges älter als die meisten
Reitschule-Besucher/innen. Als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal, noch
relativ jung, dieses Kulturzentrum besuchte, war ich magisch angezogen
von der Freiheit, von der chaotischen Schönheit, von der Vielfalt der
Angebote. Ich habe mich sofort verliebt in diesen Ort, wo man sein
kann, wie man ist. Wo bitte ist das heute sonst noch möglich?

 Die Konzerte im Dachstock haben mich jedes Mal restlos überzeugt. Der
Ort ist so liebevoll eingerichtet. An der Bar nur lachende,
freundliche Gesichter, im Sous le Pont ganz feines Essen, im Theater
Leckerbissen der freien Kulturschaffenden, im Frauenraum Stille und
Musse, und dann einmal im Monat der Flohmarkt - wer könnte sich diesem
Zauber von Kunterbuntem entziehen?

 In der Reitschule trifft sich der Arzt, der Manager mit den Freaks,
den Suchenden, den Kreativen, dort ist es egal, wer man ist, man
geniesst zusammen das So-Sein. Immer wenn ich mit dem Zug heimfahre,
an der Reitschule vorbei, komme ich wirklich heim, in meine Stadt mit
meiner Reitschule. Es ist selbstverständlich, dass die Reitschule so
bleibt, wie sie ist. Immer im Wandel, immer zeitgenössisch.

 Marianna Mackay, Bern

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Aargauer Zeitung 20.9.10

Ein neuer Anlauf zur Schliessung


 Die Berner Reitschule soll geschlossen und verkauft werden, findet
die SVP. Kulturschaffende wehren sich

 Barbara Spycher, Bern

 Am 26.September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative
Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert werden, weil es
"ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei. Ob daraus ein
Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude entstehen soll,
lassen die Initianten offen. Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche
Berner Parteien, inklusive CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die
kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig
für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber Verbesserungspotenzial
bei den basisdemokratischen Strukturen der Reitschule: Die Stadt
brauche klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen
werden könnte. In den vier bisherigen Umnutzungs- und
Kreditabstimmungen hat sich das rot-grüne Bern stets hinter das
23-jährige Kulturzentrum gestellt. Im Sommer haben rund 20
Kulturschaffende von Züri West bis Stiller Has eine CD zur
Unterstützung der Reitschule herausgegeben. Kultstatus erreichte
daraus Müslüms Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?", der sich an
den Jung- SVP-Politiker Erich Hess richtet, einen der Hauptexponenten
der Initianten.

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"Warum wosch du dMissständ nid gseh?"

 Erich Hess will die Berner Reitschule an den Meistbietenden versteigern

 SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen Zweihänder aus
- nun wird er selber Zielscheibe eines Songs.

 Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt: Ihm ist ein
Song gewidmet worden. Fast 300000 haben auf Youtube bereits geschaut,
wie Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum bisch du nid ehrlich? Erich,
warum bisch du immer so aggressiv?" Das Lied spielt auf die Aussagen
des Jung-SVP-Politikers Hess an, wonach die Berner Reitschule ein Hort
von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei. Deshalb will Hess das
alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden versteigern.

 Hess nimmt es gelassen, dass er von Müslüm verhöhnt wird. Es gelte
freie Meinungsäusserung. Jedoch sei die Frage falsch gestellt: "Mir
wird privat oft vorgeworfen, ich sei zu direkt und zu ehrlich." Die
Frage müsse lauten: "Erich, warum bisch du so ehrlich?"

 Hess fällt oft mit verbalen Grenzüberschreitungen auf. Das Berner
Kulturzentrum Progr bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse und
Tagediebe", Asylbewerber hat er schon mit Ameisen verglichen.

 Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und bleibt selbst im
schicken Nadelstreifenanzug sich selber: ein 29-jähriger
Lastwagenfahrer und Politiker, im Emmental aufgewachsen, der Alphorn,
Schwyzerörgeli, Hackbrett und Fahnenschwingen anderen kulturellen
Darbietungen vorzieht. In der Politik geht es rasch aufwärts mit Hess:
Die letzten sieben Jahre hat er im Berner Stadtparlament politisiert,
jetzt wurde er ins Kantonsparlament gewählt. Seit zweieinhalb Jahren
ist er Präsident der Jungen SVP Schweiz. Als solcher hat er auch schon
die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die SVP-Spitze hatte sich
gegen das Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit ausgesprochen,
also sammelte Hess mit der Jungen SVP die nötigen Unterschriften. Im
Abstimmungskampf schwenkte die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.

 Mit der Abstimmung über die Reitschule dürfte er keinen Erfolg haben.
"Ist diese Initiative Zwängerei oder Selbstprofilierung, Herr Hess?" -
"Weder noch", meint der Initiant. Aber die Zustände in der Reitschule
seien unhaltbar. Würde sie geschlossen, "wird Bern nicht zu einer
kulturellen Wüste", findet Hess. Und fragt Müslüm zurück: "Warum wosch
du dMissständ nid gseh?" (spy)

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"Warum bisch du nid ehrlich?"

 Kult-Türke Müslüm setzt sich mit ganzen "Herzeli" für die Reitschule ein

 Sein Solidaritätssong für die Reitschule hat Müslüm zum nationalen
Durchbruch verholfen. Sein Erfinder Semih Yavsaner ist überrumpelt.

 Nur die Augen erinnern an Müslüm. Der Schnauz ist weg, das rosa
Jacket ist einem schwarzen gewichen, und wenn er spricht, ist sein
Berndeutsch akzentfrei. Semih Yavsaner (30) ist der Erfinder und
Interpret von Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte.
Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als
Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die
Reitschule-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten,
SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für
Weihnachten vorgesehen.

 Doch dann kam alles anders: Müslüm, der Türke mit Akzent, farbigen
Klamotten und grossem "Herzeli", singt sich in die Herzen der
Schweizer. Knapp 320000-mal wurde der Song auf Youtube bereits
angeklickt. Yavsaner wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von
Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für politische Anliegen
gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine
"Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die
Leute stattdessen zu Weihnachten mit Müslüms Hauptsorge "Wo isch de
Liebe gebliebe?" beglücken.

 Bis zur Abstimmung am 26. September aber engagiert sich Müslüm noch
für die Reitschule. Das alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein
echtes Anliegen. "In unserer Gesellschaft ist vieles so gleichförmig -
die Reitschule ist ein wichtiger Gegenpol."

 Was antwortet Yavsaner auf Erich Hess' Frage, warum er die Missstände
in der Reitschule nicht sehen wolle? Yavsaner genervt: "Welche
Missstände?" Müslüm hingegen antwortet gelassen: "Zersch studiere,
denn schubladisiere." Wieder übernimmt Yavsaner: Wenn man Hess von
"Terroristen" sprechen höre und die Reitschule nur von aussen sehe,
passe sie in diese Schublade. Aber: "Schaut zweimal hin, macht euch
ein eigenes Bild." Er stört sich an diesem "Schubladendenken" der SVP.
Bei der Reitschule, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das
verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist auf dem
Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in Bern
aufgewachsen ist. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau gleich und
geben uns Mühe, etwas beizutragen." (spy)

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20 Minuten 20.9.10

Gesagt

 "Das alternative Kulturzentrum Reitschule ist ein kreativer Pool, in
dem immer wieder Neues entstehen kann, eine sprudelnde Quelle von
Ideen."

 Polo Hofer

 Im "Sonntag" zur Initiative für die Abschaffung der Reitschule.

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swissinfo.ch 19.9.10
http://www.swissinfo.ch/ger/politik_schweiz/abstimmungen/Zukunft_der_Berner_Reitschule_an_der_Urne.html?cid=28360214

Zukunft der Berner Reitschule an der Urne

swissinfo

 Ein rechtsfreier Raum oder ein Hort der alternativen Kultur? Die
Reitschule polarisiert und belebt seit zwanzig Jahren die politische
Debatte. Am 26. September ist das Stadtberner Stimmvolk einmal mehr
aufgerufen, über die Zukunft des autonomen Kulturzentrums abzustimmen.

 Langsam fährt der Zug von Osten über den Bahnviadukt dem Berner
Bahnhof entgegen. Die Reitschule, oder auch Reithalle genannt, entgeht
kaum den Blicken der Passagiere.Das imposante Gebäude mit den Türmchen
und dem atypischen Fachwerk ist von oben bis unten mit Graffiti
vollgesprayt.Ein Relikt aus der Vergangenheit - an der Fassade, über
dem unvermeidlichen Berner Bären mit herausgestreckter Zunge, ist die
Jahrzahl 1897 in Stein gemeisselt und erinnert an die blühende Zeit
der ehrwürdigen Berner Reitschule.Die ursprünglichen Betreiber
verliessen nach und nach das Gebäude. Anfang der 1980er-Jahre wurde es
zum ersten Mal besetzt, im Sog der Zürcher Opernhauskrawalle vom
Sommer 1980, als die Jugendlichen dort für ein alternatives
Kulturzentrum kämpften.Die Behörden liessen 1982 die Reitschule
räumen, 1987 jedoch wurde sie definitiv besetzt und entwickelte sich
in der Folge zu einem der wichtigsten alternativen Kulturzentren des
Landes.

 Fünfte Abstimmung

 Sei diesem Datum ist die Reitschule in der Bundeshauptstadt immer
wieder Gegenstand polarisierender Debatten. In den 23 Jahren des
Bestehens der Reitschule wurde die Berner Bevölkerung bereits vier Mal
über die Zukunft des Kulturzentrums zur Urne gerufen. Jedes Mal ist
die Abstimmung zu Gunsten der Reitschule ausgefallen.Am 26. September
müssen die Berner und Bernerinnen über die von der Schweizerischen
Volkspartei (SVP) lancierte Initiative, die eine Schliessung und den
Verkauf der Liegenschaft an bester Lage in Bern verlangt, abstimmen.
Für die Gegner ist die Reitschule nichts weiter als eine Refugium für
Krawallbrüder der extremen Linken und Drogenhändler.Den Kampf gegen
diesen "rechtsfreien" Raum führt Erich Hess, 29 Jahre, Präsident der
jungen SVP. Er stammt aus dem Emmental und macht keinen Hehl aus
seiner Vorliebe für Alphorn, Schwyzerörgeli und Fahnenschwingen.Die
Reitschule soll nach seinem Willen und jenem der Initianten dem
Meistbietenden verkauft werden. Die zukünftige Nutzung bleibt jedoch
unerwähnt - ein Schwimmbad, ein Einkaufszentrum, Büros?Die SVP wird in
ihrem Kampf durch die lokale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
unterstützt, die über Jahre vom bekannten Mitglied Kurt Wasserfallen
geprägt war.Der ehemalige Berner Polizeichef und eifrige Verfechter
der "Null-Toleranz" starb 2006. Er war der Erzfeind der
Antifaschisten, die beschuldigt wurden, die Reitschule als Basis für
ihre gewalttätigen Ausschreitungen zu missbrauchen.

 Lokale Spannungen

 Der bernische Sicherheitsdirektor, der Christlichdemokrat Reto Nause,
lässt jedoch in der Lokalpresse verlauten, es gebe keinen Grund zur
Beunruhigung: "Die Zeit, als die gewalttätigen Demonstranten die
Reitschule als Rückzugsort benutzten, gehört seit zwei Jahren der
Vergangenheit an", betont er.Der Dialog zwischen der Berner Polizei
und den Betreibern der Reitschule, die ständig von "polizeilicher
Provokation" sprachen, habe sich in den letzten Jahren verbessert, so
Tom Locher, Mitglied der Mediengruppe der Reitschule.Marco Giugni,
Politologe an der Universität Genf, stellt fest, dass die Spannungen
im Zusammenhang mit autonomen Zentren oft einen konjunkturellen
Hintergrund haben und mit der lokalen Politik verbunden sind. "In Genf
hat der Druck der Behörden zu heftigen Konflikten mit den
Hausbesetzern und dem alternativen Milieu geführt."Nüchtern betrachtet
haben die meisten alternativen Zentren seit dreissig Jahren einen
Prozess der Institutionalisierung durchlaufen. "Die Hauptsorgen
fokussieren sich eher auf betriebliche Probleme als auf die politische
Mobilisierung", so Marco Giugni.Als treffendes Beispiel erwähnt Tom
Locher die Einführung eines ausgeklügelten Schlüsselsystems: "Vor
zwanzig Jahren konnte jeder in der Reitschule herumspazieren, wie es
ihm beliebte."

 Drogenabhängige

 "Seit dem Aufkommen der Antiglobalisierungs-Bewegung Ende der
1990er-Jahre konnte rund um die Zentren eine politische
Remobilisierung festgestellt werden", unterstreicht Marco Giugni. Die
Anti-WEF-Demonstrationen in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre endeten
regelmässig in einem Chaos rund um die Reithalle.Doch nicht nur die
politischen Aktivitäten führten zu Kontroversen, sondern auch der
Vorwurf, die Reithalle sei ein Zufluchtsort für den Drogenhandel und
-konsum.Der Mord an einem Drogenhändler vor der Reitschule im August
2008 provozierte eine heftige Diskussion in der Hauptstadt. Zu dieser
Zeit nahmen die Drogenabhängigen den Vorplatz des Kulturzentrums in
Beschlag und trugen zum "katastrophalen Bild der Institution" bei,
erklärt Tom Locher."Wir waren Opfer von Entscheidungen der
Stadtregierung, die die Drogenabhängigen aus dem Stadtzentrum verjagt
hatten", so Tom Locher weiter.Dank einem ständigen Dialog mit den
Drogenabhängigen und der Rückeroberung des öffentlichen Raums vor der
Reithalle, wo heute eine Bar betrieben wird und Konzerte stattfinden,
konnte das Problem eingedämmt werden, was sogar von den Behörden
anerkannt wird.

 Führungen

 In dieser Stadt, die seit 20 Jahren von einer rot-grünen Mehrheit
regiert wird, sind die Chancen für einen Erfolg der SVP-Initiative am
26. September eher gering. "Die Reitschule ist zu einem Ausgehort
geworden, der von mehreren Generationen von Bernerinnen und Bernern
geschätzt wird", erklärt Tom Locher.Daher organisierte die Reitschule
im Vorfeld der Abstimmung Führungen mit dem Ziel, die verschiedenen
kulturellen Angebote besser bekannt zu machen. Dazu gehören Kino,
Theater, eine Bibliothek mit umfangreicher antifaschistischer,
antisexistischer und anarchistischer Literatur - und die Spezialitäten
wie etwa der "Frauenraum", ein Konzertraum von Frauen nur für
Frauen.Und schliesslich ist da noch der "Dachstock", der grosse
Konzertsaal direkt unter den Dachbalken der alten Reitschule, dessen
Ruf weit über die Hauptstadt hinaus geht.

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AUTONOME ZENTREN

Die meisten autonomen Kulturzentren entstanden in den 1980er-Jahren
als Folge der Jugendunruhen, die sich gegen das damalige
Kulturestablishment richteten.

Die heftigsten Demonstrationen gab es im Sommer 1980 in Zürich, als
die jungen Leute ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) forderten und sich
erbitterte Kämpfe mit der Polizei lieferten.

Diese Jugendunruhen führten zu einem Umdenken in der Kulturpolitik der
Stadt Zürich, die sich mehr öffnete: Am 25. Oktober 1980 öffnete die
Rote Fabrik als erstes autonomes Kulturzentrum der Stadt ihre Tore.

Anschliessend wurde in mehreren Schweiz Städten der Ruf nach autonomen
Zentren laut, die auch bewilligt wurden, ganz nach dem Vorbild der
Kaserne Basel und der Berner Reithalle.

Die Protestbewegung dehnte sich auch auf die Westschweiz aus: Unter
dem Slogan "Lôzane bouge" gab es während zweier Jahren (1980-81)
Demonstrationen, bei denen es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den
Lausanner Ordnungskräften kam.

Das AJZ Biel ist das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum, das immer
noch in Betrieb ist: Es entstand aus der 68er-Bewegung und befindet
sich in der Kuppel des ehemaligen Gaswerks der Stadt, wie zahlreiche
andere alternative Kulturzentren in der Schweiz auch.
REITSCHULE ODER REITHALLE

Das Gebäude der Reitschule (auch Reithalle genannt) wurde 1897
errichtet und diente zuerst als Reitschule und dann bis in die
1980er-Jahre als Lagerraum.

Zwischen 1981 bis 1982 entstand aus der Reitschule zum ersten Mal ein
Kulturzentrum, bevor sie wieder geräumt wurde.

Nach der Zwangsräumung des Zelt- und Wagendorfes "Zaffaraya" 1987
wurde die Reitschule im gleichen Jahr wieder besetzt und nicht mehr
"hergegeben".

Die Reitschule ist eines der wichtigsten autonomen Kulturzentren der
Schweiz: Sie verfügt über ein Kino, ein Theater, eine Druckerei, eine
Schreinerei, verschiedene Bars und Konzertsäle sowie eine grosse
Mehrzweckhalle.

Das Kulturzentrum wird als Hauptort des politischen Protestes der
extremen Linken betrachtet. Die Kritiker beschuldigen die Betreiber,
sich nicht genügend von der antifaschistischen Bewegung und der Gewalt
zu distanzieren, die am Rande von Demonstrationen in der Hauptstadt
immer wieder vorkommt.

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Links

* Reitschule Bern
http://www.reitschule.ch/reitschule/index.shtml
* Initiative zur Schliessung der Reitschule
http://www.reitschulinitiative.ch/index.htm
* swissworld.org: Jugendunruhen der 1980er-Jahre
http://www.swissworld.org/de/geschichte/20_jahrhundert/jugendunruhen_der_1980er_jahre/

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Zum Thema

* 31.05.2010
Im heissen Sommer 1980, als Zürich brannte
http://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/Im_heissen_Sommer_1980,_als_Zuerich_brannte.html?cid=8968762
* 06.04.2008
Mai 68: Vor 40 Jahren auch in der Schweiz
http://www.swissinfo.ch/ger/Home/Archiv/Mai_68:_Vor_40_Jahren_auch_in_der_Schweiz.html?cid=6549054

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Fotogalerien

Bewegte Zeiten, bewegende Bilder

Zürich, Sommer 1980: Bewegende Bilder aus bewegten Zeiten von Olivia Heussler.
http://www.swissinfo.ch/ger/multimedia/fotogalerie/Bewegte_Zeiten,_bewegende_Bilder.html?cid=8997852

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furiousclarity.de 19.9.10
http://www.furiousclarity.de/?p=2738

Massenauflauf in Bern: Das Abstimmungsfest am 18.09. in und vor der Reitschule


Reitschule Bern

Auf dem Vorplatz der Reitschule steppt um Mitternacht der Bär. Die
Tickets, die im Vorverkauf erhältlich gewesen sind, gingen schneller
weg, als man "SVP? Ach nee!” sagen konnte. Auch die zweihundert Karten
an der Abendkasse verpuffen aufgrund einer unglaublichen Nachfrage
innerhalb von wenigen Minuten.

Im Dachstock findet seit 22 Uhr das Abstimmungsfest "Reitschule bietet
mehr” mit TOMAZOBI, THE MONSTERS, MANI PORNO, BAZE und vielen anderen
statt. Auch das Sous le Pont und das TOJO-Theater platzen aus allen
Nähten. Das Thekenpersonal an der Bar auf dem Vorplatz stößt an seine
Grenzen. Bereits um ein Uhr gibt es draußen keine Getränke mehr.

Bereits acht Tage vor der Abstimmung der "Anti-Reitschule-Initiative”
gehen die Berner auf die Straßen, um ihre Solidarität mit diesem
einzigartigen Ort zu bekunden. Wenn alle Sympathisanten nächsten
Sonntag wählen gehen, sollte der Plan von der SVP ein weiteres Mal mit
einem gewaltigen "Nein!” durchkreuzt werden.

Die Stimmung ist fabelhaft. Lange herrschte hier nicht mehr ein
solches Treiben in dieser Größenordnung. Selbst die Kneipen in der
Umgebung sind voll. Um den Alkoholpegel halten oder steigern zu
können, weichen viele aus, die sich keinen Eintritt mehr in die
Reitschule verschaffe können. Die "IndieZone”-Party im ISC ist
vermutlich aus diesem Grund ebenfalls ausverkauft, weshalb sich ein
Gang ins Lorrainequartier anbietet. Der Stadtteil hat fatalerweise
seine Kantsteine hochgeklappt. Die Bewohner sind alle ausgeflogen und
dem Ruf der Reitschule gefolgt: Das Du Nord hat geschlossen. Das Café
Kairo hat geschlossen. Die Brasserie Lorraine hat geschlossen. Trost
gibt ein türkisches Lokal, in dem noch Bier und Börek verkauft werden.

Um zwei Uhr erhält man im ISC wieder Einlass. Der Club feiert in
diesem Jahr seinen 40sten Geburtstag. Happy Birthday auch von uns! Die
Sängerin von THE MONOFONES legt die üblichen Indieperlen auf. Viele
Typen tanzen um eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Frauen
tollpatschig herum. Das Publikum ist an diesem Abend ist überwiegend
jung und uninteressant. Jeder, der etwas auf sich hält und sich früh
genug um Tickets gekümmert hat, ist in der Reitschule. Schließlich ist
dieser Ort unverzichtbar und bietet mehr…

"…mehr Kultur, mehr Kino, mehr Musik, mehr Theater,
mehr Auseinandersetzung für eine bessere Welt und
mehr Utopien sowieso!”

Also:
NEIN zur Reitschule-Initiative am 26. September 2010!

Wir sehen uns beim Brunch.

(Christoph Parkinson)

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Sonntag 19.9.10

"Nonsens kann jeden Sinn annehmen"


 Polo Hofer und Balts Nill greifen mit dem einst verschollenen Song
"Früehlig" in den Abstimmungskampf um die Reitschule ein

von Stefan Künzli

 "Das ist nun schon die vierte oder fünfte Abstimmung über die
Reitschule", wettert Polo Hofer und spricht von einer "Zwängerei". Es
gehe den Initianten um den Berner SVP-Grossrat Erich Hess nur um
populistische Stimmungsmache. Denn die Initiative sei absolut
chancenlos. Für Polo ist das alternative Kulturzentrum "ein kreativer
Pool, in dem immer wieder Neues entstehen kann, eine sprudelnde Quelle
von Ideen". "Ich bin total für die Reitschule und widme ihr deshalb
den Song ‹Mir sy gäge Früelig›." Ein Song mit einigem Hitpotenzial.

 "Es wird Früehlig, bliib gschiider im Huus, duss isch es gfährlech,
dBöim schlö uus."

 "Es wird Früehlig und mir si degäge, mer si für Schnee, für Iis u für Räge."

 "Mir schiesse mit Iiswürflel gäge dSunne, no het de Früehlig nid gwunne."

 "Mir sy gäge Früehlig, dä schadet nume, dä Früehlig", singt Polo in
dem Song, indem er die "populistischen Betonköpfe und notorischen
Neinsager um Initiant Hess erkennt.

 Dabei war der ebenso absurde wie originelle, dadaistische Text
eigentlich nicht fürdie Abstimmung um die Reitschule bestimmt. Er
stammt auch nicht von Hofer, sondern von einem gewissen Ueli Balsiger.
Besser bekannt als Balts Nill, bis 2005 die andere Hälfte von Stiller
Has und danach Reden-Schreiber von Moritz Leuenberger im
Präsidialjahr. Und vor allem: Der Song wurde schon 1983 aufgenommen,
war aber verschollen und vergessen.

 Wiederentdeckt wurde "Früehlig" von Polos Sound-Engineer Eric Merz im
Rahmen einer Rettungsaktion für Songmaterial der SchmetterBand. Wie
Merz erklärt, wurde ein Grossteil der Songs nämlich auf Bändern
aufgenommen, die sich mit der Zeit selber zerstören. Um die Songs für
die Nachwelt zu erhalten, ist Merz ins Archiv gestiegen. Dabei ist er
auf den "Früelig" gestossen.

 Die Geschichte des Songs begann aber noch früher: in der Mitte der
70er-Jahre. Balts Nill erinnert sich an seine "Jugendsünden" als
Philosophiestudent und Journalist: "Mit meinem Freund Michael Massini
verfasste ich ab und zu Flugblätter. Wir druckten sie und verschickten
sie zum Teil per Post an irgendwelche Leute - natürlich ohne Absender
-, warfen sie auf unseren nächtlichen Streifzügen in Briefkästen oder
klemmten sie unter Autoscheibenwischer."

 "Es waren in erster Linie Nonsens- und Blödeltexte, die die Leute
verwirren sollten", meint Nill. Die Texte waren aber klar politisch
motiviert, wie auch das Flugblatt "Der Frühling kommt", das um 1976
entstanden sein muss. "Aber wir machten uns über beide politischen
Seiten lustig: die rechten kalten Krieger und ihre Sprache sowie die
linken Flugblattschreiber, die in unseren Augen sowieso immer zu spät
kamen", erklärt Nill.

 Zum Songtext wurde "Der Frühling" erst 1983. Für einen Wettbewerb von
DRS3 übersetzte Nill den Text in die Mundart, packte ihn in Strophen,
verschickte die Rohfassung anonym an den Sender - und gewann. Polo hat
den Song darauf mit seiner Band (Carlo Schuster, Peter Schaller, Mauro
Zompicchiatti, Thomas Wild, Hape Brüggemann) vertont. "Eine
historische Aufnahme, denn es ist der erste Song der SchmetterBand",
so Hofer.

 Doch dann gab es Zoff. Nill und seine Chaostruppe Caduta Massi (die
Vorläuferband von Stiller Has) wollten den Song selber aufnehmen. Die
Band löste sich aber zuvor auf. Der Song ging vergessen, bis ihn Merz
wieder aufstöberte.

 Damals, in den frühen 80er-Jahren, bekam der Song "eigentlich
unbeabsichtigt" eine politische Stossrichtung. "Er passte in die
80er-Bewegung mit seinem ‹Weg mit dem Packeis›-Groove der Bewegten."
Das Flugblatt, das ja einige Jahre zuvor geschrieben worden war, hat
den Stil vorweggenommen, der in der 80er-Bewegung aktuell wurde.

 "Wunderbar, wie sich dieser Nonsens dem Zeitgeist anpassen und wie
ein Chamäleon die Farbe wechseln kann", freut sich Nill. Gerade durch
den Klimawandel werde der Song gegen den Frühling und die wärmende
Sonne "wieder topaktuell". "Er erlebt den dritten Frühling", sagt
Nill. Aber natürlich könne er auch im Abstimmungskampf für die Berner
Reitschule eingesetzt werden. "So ist das mit dem Nonsens", erklärt
Nill, "der kann jeden Sinn annehmen."

 Polo Hofer: Mir sy gäge Früelig, SoundService. Erscheint am 20. Sept.
als Download-Single. Polo Hofer: Rimix, SoundService. 16 neu gemischte
und restaurierte Archiv-Songs. Erscheint am 1. Okt.

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http://itunes.apple.com/ch/album/mir-sy-gaege-frueelig-rimix/id393780978

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BZ 18.9.10

BERN, BABY, BURN


 Früher, als ich noch jedes Wochenende zweimal in den Ausgang ging
(liebes Leben, ist diese Phase wirklich vorbei?), war ich auch jedes
Wochenende in der Reitschule. Deshalb werde ich auch ein kräftiges I
love Reitschule in die Urne werfen.

 Für Jugendliche ist das nämlich ein tipptopper Ort. Nicht nur wegen
der Musik im Dachstock. Und weil halt alle dort sind. Und weil man
dort so viel raucht und trinkt und küsst und konsumiert und sich dabei
schön antikapitalistisch fühlen kann.

 Sondern ein wenig auch, weil Erwachsene die Reitschule blöd und/oder
gefährlich finden. Dann müssen Jugendliche grad extra hin, das ist
quasi ihr Job.

 Heute bin ich nur noch selten in der Reitschule. (Eben, das Alter!)
Neulich am Flohmarkt. Es gab Ramsch und Kettensägen. Und ein Gspänli
erzählte mir: Wenn man dort sein Zeug verkaufen will, muss man am
Morgen um 4 Uhr vor dem Tor stehen und ellbögeln wie verruckt, damit
man einen guten Verkaufsplatz bekommt.

 "Basiskapitalismus", nannte sie das. Uiuiui!

 Sarah Pfäffli (28, sarah.pfaeffli@bernerzeitung.ch) und Fabian Sommer
schreiben hier abwechslungsweise weiss auf schwarz, wos in ihrer Stadt
echt brennt. Sie aus Bern, er aus Biel.

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Bund 17.9.10

Meinungen


 Leserbrief Abstimmung über den Verkauf der Reitschule, diverse
Artikel im "Bund"

 Garant des sozialen Friedens

 Es scheint leider neuerdings zum guten Ton zu gehören, sich darüber
Gedanken zu machen, wer sich noch in einer Innenstadt aufhalten darf
und wer nicht. Diese Tendenz ist leider nicht auf die Stadt Bern
beschränkt, aber hier sicher zuletzt verstärkt zu spüren.

 Der erneute Versuch, die sehr zentral gelegene Reitschule
loszuwerden, passt hier sehr genau ins Bild: Wäre die Reitschule nicht
so nahe am Bahnhof, sondern vielleicht irgendwo in Bethlehem (was ja
zumindest metaphorisch irgendwie noch passend wäre), würde die
Diskussion mit Sicherheit auch nicht alle paar Jahre geführt.

 Um es deutlicher zu machen: Die Reitschule ist nicht ein Luxus, den
sich Bern leistet - sie ist mitunter ein Garant des sozialen Friedens.
Im Unterschied zu all den kommerziell ausgerichteten Angeboten der
Innenstadt macht sich die Reitschule keine Gedanken darüber, ob jemand
einer abstrusen Kleiderordnung entsprechend daherkommt oder ob er oder
sie vielleicht einer gerade nicht so beliebten ethnischen Gruppe
angehört - die Reitschule nimmt jede und jeden, so wie sie sind. Dies
allein macht sie schon zu einer unterstützens- und schützenswürdigen
Institution.

 Dass die Reitschule dabei auch noch ein erstklassiges Programm an
alternativer Kultur in allen möglichen Sparten von Musik über Film und
Literatur bietet, macht sie zu einem Juwel, auf das die Stadt Bern
stolz sein darf. Oder anders gesagt: Die Reitschule ist (gerade aus
der Optik einer anderen Stadt betrachtet) viel weniger "Stein des
Anstosses" oder "Elend", sondern vielmehr ein bedeutender Puzzlestein,
der zu einem urbanen und auch zu einem "sicheren und sauberen" Bern
unverzichtbar dazugehört.

 Dagmar Lorenz, IG Rote Fabrik Zürich

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saiten.ch/ostblog 16.9.10

Pedro Lenz goes Rap & Kellerbühne


16.09.2010, 19:12 Uhr

In Bern veranstaltet die Partei mit den streng dafür immer tiptop
gestrählten Volkswahnsinnigen und Milliardärs-Bekniern die etwa 827.
Abstimmung zum Kulturzentrum Reitschule (grob geschätzt). Dieses Mal
soll die Reitschule - grandiose Idee übrigens - einfach dem
Meistbietenden verkauft werden. Das wiederum lässt die Berner Kultur
zusammenstehen und spiegelt sich in einer schönen Musik-Produktion:
Die CD "Reitschule beatet mehr" besteht nicht nur aus dem allseits
bekannten türkisch-schweizerischen Secondo-Gassenhauer von Müslüm
(Erich, warum bisch du nid Ehrlich?), sie vereinigt von Steff la
Cheffe über Reverend Beat Man, Patent Ochsner, Züri West, Sophie
Hunger, Stiller Has und Kutti MC ganz viele. Herausragend ist für uns
jedoch der rappende Pedro Lenz, der mit Paed Conca in "Dr Buebli
Troum" die politisch bewegten Kleingeister aufs Korn nimmt und ihre
Versteigerungsidee konsequent zu Ende denkt: "Nein, an eine
Koranschule (auf dem Gelände der Reitschule) hatten wir eigentlich
nicht gedacht..."

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NZZ 16.9.10

Spiegelfechterei um eine Reithalle


 Bern stimmt zum fünften Mal über das Kulturhaus ab - mit kalkulierbarem Ausgang

 Wie der Schalttag im Februar kehrt in Bern alle paar Jahre die
Reithalle-Debatte wieder. Nun müssen die Berner erneut abstimmen. Doch
die Auseinandersetzung über das Kulturzentrum liefert die nötigen
Impulse für die Stadt nicht mehr.

 Daniel Gerny, Bern

 Blickt man, von Zürich herkommend, unmittelbar vor der Einfahrt in
den Berner Bahnhof auf die Uhr, die zur rechten Seite des Zuges im Hof
der Berner Reitschule (oder Reithalle) angebracht ist, bleiben die
Zeiger zuweilen stehen, hüpfen dann sprunghaft vorwärts, um
unvermittelt erneut zu stoppen oder in die entgegengesetzte Richtung
zu springen. Zufällig und wild wirbeln die Zeiger auf dem Zifferblatt,
das jenem einer Bahnhofsuhr gleicht, in alle Richtungen. Es ist
unmöglich, sich zu vergewissern, ob der Zug, in dem man sitzt,
pünktlich einfährt. Die Reithalle-Uhr, ein Stück computergesteuerter
Kunst am Bau, ist eine augenzwinkernde Provokation an einem Ort, an
dem Sekunden sonst eine harte Währung sind.

 "Schandfleck" im Mittelalter

 Zu Frechheiten aber haben die Bernerinnen und Berner keinen leichten
Zugang, und die Uhr ist nicht die einzige und keineswegs die
schwerwiegendste aller Provokationen auf dem Areal der Reithalle. Die
Fassade des Gebäudes, das Ende des 19. Jahrhunderts als Pferdehof
erbaut und in den 1980er Jahren im Zuge der Jugendunruhen besetzt
wurde, ist versprayt und macht auf viele, die nicht der Szene
angehören, einen abschreckenden Eindruck. Drogenhandel und Gewalt sind
ein ständiges und von den Betreibern der Reithalle, der "IKuR"
(Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule), lange unterschätztes
Thema, auch wenn diese weder das eine noch das andere tolerieren.

 Über Grundsatzfragen entscheidet wie zu alten Besetzungszeiten die
Vollversammlung, interne Abläufe sind daher für Aussenstehende schwer
nachvollziehbar, und die Verhandlungen zwischen den Betreibern und der
Stadt, die zum Betrieb jährlich rund 600 000 Franken beisteuert, sind
mühsam. In Bern aber, das sein städtebaulich mittelalterliches Gesicht
äusserlich bis heute beinahe mit der Konsequenz eines
Briefmarkensammlers bewahrt und wo zeitgenössische Eingriffe die
Ausnahme bleiben, stellt ein solches Kuriosum, von den Gegnern zum
Schandfleck der Stadt geadelt, einen augenfälligen Störfaktor dar.
Bereits zum fünften Mal in den letzten zwanzig Jahren stimmen die
Bernerinnen und Berner am 26. September über die Reithalle als
Kulturzentrum ab. Ein Komitee unter Führung des jungen SVP-Haudegens
Erich Hess verlangt per Initiative die Veräusserung des Gebäudes an
den Meistbietenden.

 BDP und Grüne vereint

 Dazu, was auf dem Areal anstelle des Kulturzentrums entstehen soll,
haben die Initianten keine konkrete Vorstellung. Denkbar sei alles -
ein Kino, Büros, ein neues Kulturzentrum, eine Markthalle, ein
Hallenbad. Es ist nicht untypisch für die wiederkehrenden
Auseinandersetzungen über die Reitschule, dass sie sich kaum darum
drehen, was im Innern geschieht. Zwar kann das Haus nicht für sich in
Anspruch nehmen, die breite Bevölkerung anzusprechen, doch als Teil
des städtischen Lebens stellt das alternative Kulturangebot mit
Theater, Kino, Begegnungsorten und Beizen für die mittelgrosse Stadt
keineswegs einen Luxus dar. Die Reithalle liefert ein Programm, das
sich über die Alternativszene hinaus etabliert hat, teilweise
nationale Beachtung findet und bisweilen sogar von jenen geschätzt
wird, die die Institution in Frage stellen.

 Das führt dazu, dass die Akzeptanz des Kulturzentrums grösser ist,
als dies das Abstimmungs-Stakkato vermuten liesse: In allen vier
bisherigen Abstimmungen wurde die Reithalle gestützt, und es gibt
wenig Anhaltspunkte dafür, dass sich dies diesmal ändert. Im
städtischen Parlament, dem Stadtrat, fing die SVP-Initiative eine
kräftige Niederlage ein, wobei sich auch die FDP, die nun im
Abstimmungskampf für ein Ja wirbt, gespalten zeigte. Ausser von den
Sozialdemokraten und den Grünen wird die Initiative auch von der CVP
und der BDP abgelehnt. Eine Ablehnung darf deshalb als ebenso sicher
gelten wie die Prognose, dass die Bernerinnen und Berner auch diesen
Herbst nicht zum letzten Mal über die Reithalle abstimmen werden.

 "Müslüm" contra Erich

 Inzwischen entwickelt sich die Auseinandersetzung zum ritualhaften
Scheingefecht, das den Blick auf wesentlichere Fragen in der
Hauptstadt verstellt. Bern und seine Region sind drauf und dran, den
Anschluss an die übrigen Schweizer Städte und Metropolitanräume zu
verlieren, woran nicht die Reithalle Schuld trägt, sondern viel eher
der Mangel an Gestaltungswillen und -möglichkeiten. Wohl sind die
Sicherheitsdefizite, die die Diskussion um die Reithalle massgeblich
prägen, ein ernstzunehmendes Problem, doch als Grundlage für seriöse
Debatten über die kulturelle Zukunft einer selbstbewussten Stadt sind
sie eine Nummer zu klein. Umgekehrt erscheint das Beharren der
Reithalle-Anhänger auf alten Strukturen und einem liebevoll gepflegten
Anarcho-Image, das bewusst an die Achtziger-Jahre-Besetzungen
erinnert, bisweilen als etwas angestaubtes und kalkulierbares
Revoluzzertum, das inzwischen von den meisten Bernerinnen und Bernern
durchschaut wird und seinerseits an Potenzial verliert.

 Es passt nicht schlecht zu dieser Pseudo-Kulturdebatte, dass im
Abstimmungskampf vor allem ein massenhaft abgerufener You-Tube-Film
aus der Reitschule-Küche für Aufmerksamkeit sorgt, in welchem ein
etwas vertrottelter und überbunt gezeichneter Secondo mit Namen
"Müslüm" mit seinem Song ("Erich, warum bisch du nid ehrlich?") den
ebenfalls nicht durch übermässigen Scharfsinn auffallenden
Anti-Reithalle-Initianten Erich Hess veräppelt. Das Comedy-Video ist
nicht schlecht gemacht und just so konstruiert, dass sich die
Generation Facebook - ob Befürworter oder Gegner des Kulturzentrums -
amüsieren kann oder sich zumindest nicht übermässig ärgern muss. Die
Bernerinnen und Berner aber wären auf Frechheiten angewiesen, die
ihrer Stadt wieder etwas wert- und wirkungsvollere Impulse lieferten.

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vorwaerts.ch 14.9.10

Reithalle hat viel zu beaten


14.09.2010

Immer wieder geht›s gegen die Reitschule: in den Medien, im Stadtrat,
und etwa alle fünf Jahre kommt das ganze noch vors Volk. Mittlerweile
das fünfte Mal darf es sich dazu äussern. Bisher ist das Urteil immer
positiv ausgefallen und die mittels Initiativen oder Referendum
erfolgten Angriffe sind abgewehrt worden, meistens mit respektablem
Vorsprung. Nur einmal wurde es knapp, als es um das neue Dach ging,
also nicht um die Existenz.

"Terroristen"

Diesmal hat sich Erich Hess, profilierungssüchtiger
(j)SVP-Parlamentarier (Stadt- und mittlerweile auch noch Grossrat),
folgendes auf die Fahnen geschrieben: Die Reitschule, von ihm auch
gerne als ein von "Terroristen" bevölkerter "Schandfleck" bezeichnet,
soll an den Meistbietenden verkauft werden. Diesen drohenden
Ausverkauf lassen sich die ReitschülerInnen nicht bieten.

Während sich vom Kollektiv David Böhner, stellvertretend für andere,
an der Pressekonferenz im Frauenraum zur Sampler-Veröffentlichung über
die andauernd zu führenden Abstimmungskämpfe nervt, scheinen diese
doch von Mal zu Mal engagierter und origineller geführt zu werden, was
auch das Trojanische Pferd auf dem Vorplatz, aus welchem zum Beispiel
Fussballmatchs wie Fenerbahçe-YB projiziert wurden und die Fülle des
Angebots an farbigen Bekundungsmöglichkeiten (Badetücher, T-Shirts,
Fahnen), alle versehen mit zwei (selbst)zufriedenen Rössern mit
Schwanzflosse, beweist.

Furzideen wie Hallenbad, Museum, Einkaufszentrum und so weiter hat
Hess auf Lager für das Gebäude, welches zum Inventar der nationalen
Kulturgüter gehört. Doch die Reitschule bietet mehr: Konzert, Theater,
Kino, Bar, Restaurant, Politik, Selbstverwaltung (neben dem Erwähnten
auch Druckerei, Holzwerkstatt), Infoladen und vieles andere. Ohne
Reithalle wäre Bern nicht Bern. Sie gehört dazu. Gäbe es sie nicht,
müsste man sie erfinden, beziehungsweise besetzen, wie anno 1987. Kuno
Lauener von Züri West war an vorderster Front dabei beim "Einbruch",
kurz bevor 1000 Leute dort feierten, sich im Rahmen der sogenannten
Straf-Bars die Reitschule zurückholten und die halbe Schweiz sich
damit solidarisierte. Deshalb war auch er - mit zwei seiner
Bandkollegen (die nach seinem Statement, das mit "Hopp Reitschule!
Hopp Züri West! Hopp YB!" schloss, nicht mehr viel beizufügen hatten)
- an der CD-Vernissage des prominent bestückten Solisamplers zur
Abstimmung "Reitschule beatet mehr" anwesend.

"Erich, warum bisch du nid ehrlich?"

Nachdem es schon zwei Bücher zum 10- und 20-jährigen Jubiläum der
Institution gab, ist dies der erste Tonträger der Reithalle. Über zwei
Drittel der Stücke sind bisher unveröffentlicht und die Namen lesen
sich wie das Who is Who der (vor allem Berner) Musikszene: Neben Züri
West sind dies unter anderem Sophie Hunger, Tomazobi, Reverend Beat
Man, Churchhill und Steff la Cheffe, die mit neuem Material aufwarten.
Stiller Has, Patent Ochsner, die Tight Finks oder die Kummerbuben
steuerten ebenfalls Songs bei. Insgesamt waren es 22 KünstlerInnen,
die aufgeboten wurden zu "beaten". Sogar Lou Reed ist drauf, wenn auch
nur gecovert, mit neuem berndeutschen Text von Züri West. Für Furore
sorgte der Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" von Müslüm. Der
lustige Videoclip und die klare, aber wegen Akzents nicht klar
verständliche Botschaft machten das Stück zum Hit und rief sogar Hess‘
Mentor Thomas Fuchs auf den Plan, der mit Busse drohte und für seine
Meinung ebenso viel Platz einforderte, da es sich um
Abstimmungspropaganda handle. Dies, nachdem schon Hess fast täglich in
der Presse seinen Senf als "Opfer" dazu geben durfte.

Während sich auf der Seite der Initianten vor allem einer aus der
parlamentarischen extremen Rechten inszeniert, schmücken hinter Müslüm
viele mehrheitsfähige KünstlerInnen den Sampler und zeigen, dass die
Reitschule in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, auch wenn sie
als Sündenbock für viele Probleme der Stadt herhalten muss und des
linken Extremismus bezichtigt wird. Ihnen allen bedeutet die Kultur in
Bern sehr viel, und damit auch die Reithalle, die eine wichtige Rolle,
auch über die Stadtgrenzen hinaus, zwischen den Generationen und
zwischen den verschiedenen Subkulturen spielt.

Hier haben viele ihre Karriere begonnen und beglücken noch heute das
autonome Kulturzentrum mit ihrer Anwesenheit, gehören teils fast zum
Inventar. Viele verknüpfen auch selber Kultur mit Politik, wie zum
Beispiel die junge Rapperin und Beatboxerin Steff la Cheffe, die ihre
ersten Anläufe hier machte und auch immer wieder an politischen
Anlässen auftritt. Für sie gehört das einfach zusammen. So hat sie
sich nicht nur musikalisch, sondern mit einigen andern auch
organisatorisch am Sampler beteiligt. Und schon ihre Mutter stand für
die Reitschule ein, auf der Strasse.

Damit auch die nächste Generation noch von der Reitschule in bewährter
Weise profitieren kann: Ja zur Reitschule und ein entschiedenes,
lautes hoffentlich letztes Nein zur städtischen Initiative und zur
Hess-Zwängerei!

Aus dem aktuellen vorwärts

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Reitschule-Beiträge auf freie-radios.org
http://www.freie-radios.net/portal/suche.php?such=true&end_monat=12&end_jahr=2020&ssu=1&query=reitschule
http://www.freie-radios.net/portal/suche.php?such=true&query=reithalle&redaktion=0&art=0&serie=0&sprache=0&radio=0&autor=&beg_monat=01&beg_jahr=1970&end_monat=12&end_jahr=2010&Submit=Suche+starten

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tagesanzeiger.ch 16.9.
Wo Polizisten noch Bullen heissen

Von Jean-Martin Büttner.


Die Berner Reitschule beschert der Stadt immer wieder Ärger. In zehn Tagen wird über die weitere Existenz des Kulturzentrums abgestimmt. Besuch in einer Institution, in der endlos diskutiert wird.


Wochensitzung im Dachstock der Berner Reitschule, ein Dutzend Männer und vier Frauen sitzen am Holztisch und arbeiten sich durch die Traktandenliste. Die überlaute Musik der Piratenbar gibt zu reden und der Abfall vor dem Kino. Dann wird die Gage einer amerikanischen Band neu verhandelt. Und man macht ab, wer zu welcher nächsten Sitzung muss und wer bis spätnachts die Garderobe hütet.

Polizisten heissen hier Bullen und der interne Sicherheitsdienst Wellness-Truppe; junge Besucher sind Kiddies, Bier geht als Alk durch und Betreiber als Reitschüler. Doch das Vokabular täuscht, es geht sachlich zu und zügig vorwärts. Nur manchmal reden alle durcheinander, dazwischen wird gelacht. Draussen rauscht der Autoverkehr, über der Brücke gleiten die Züge aus dem Hauptbahnhof.

Das Dorf

«Die Reitschule bietet mehr», versprechen die Reitschüler, laden die Bevölkerung zu Führungen ein, bieten Musiker zum solidarischen Mitsingen auf und lassen sich vom Establishment aus Politik und Kultur unterstützen. Dem alternativen Kulturzentrum steht nämlich eine weitere Abstimmung bevor, wie immer von rechts lanciert. Für ihre Gegner war, ist und bleibt die Reitschule ein Schandfleck der Stadt (siehe Kasten).

Dass das Zentrum auch etwas bietet, bezweifeln in Bern nur wenige. Die Reitschüler sprechen von 75'000 bezahlten Eintritten und gegen 50'000 weiteren Besuchen pro Jahr. Konzerte werden abgehalten, Theateraufführungen und Filme gezeigt, Tanzabende, Flohmärkte, Yoga-Kurse und Weiteres angeboten. Das Restaurant Sous le Pont serviert Spezialitäten aus aller Welt, die Druckerei druckt, der Infoladen informiert, die Holzwerkstatt sägt, der Politladen politisiert. Man kann hier gemeinsam «Tatort» schauen oder ein Fussballspiel auf der Grossleinwand.

Experimentierwiese

Das Kulturzentrum funktioniere wie ein Dorf mit vielen Gästen, sagen die Leute hier. Oder wie es die langjährige Reitschülerin Agnes Hofmann formuliert: «Die Reitschule ist das, was wir alle aus ihr machen.» Was sie damit meint, präzisiert die Autorin Ariane von Graffenried: «Hier kann jeder etwas ausprobieren, mit dem er anderswo keine Chance hätte.» Also auch nicht in der Roten Fabrik in Zürich, mit der die Reitschule übrigens kaum Kontakte pflegt.

Die kulturelle Vielfalt ist grösser als die soziale Durchmischung. Die Reitschule solidarisiert sich mit armen Ausländern, wird aber fast nur von Schweizern betrieben. Sie verbreitet den Klassenkampf, hat sich aber als Projekt der Mittelklasse etabliert und bekommt bei Abstimmungen am wenigsten Zuspruch aus dem Arbeiterquartier Bethlehem. «Wir sind die Stachel im fetten Fleisch der Stadt», sagt der 24-jährige Yannick Spindler, der vor fünf Jahren hier begann. Dabei sind die meisten hier dem Fleisch entsprungen, das sie einstacheln möchten: Die Reitschule ist das integrierte Feindbild von Bern.

Das Geld

Auch beim Geld geht es schweizerisch zu. Man arbeitet sparsam, die Buchhaltung gilt als vorbildlich. Das Zentrum bekommt Subventionen von der Stadt, nicht ganz 666'000 Franken pro Jahr, weist aber eine Eigenfinanzierung von über 50 Prozent aus. Zum Vergleich: Das Berner Stadttheater erhält fast 24 Millionen Franken, deckt aber knapp ein Fünftel seiner Kosten.

So billig zu wirtschaften, ist ohne die Gratisarbeit nicht zu schaffen, die viele hier verrichten. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass sich das Personal laufend verjüngt. Die meisten machen hier zwei bis vier Jahre mit und ziehen dann weiter. Dazwischen haben sie gelernt zu debattieren, zu überzeugen und zu organisieren, Projekte erst auf- und dann durchzuziehen. Die Reitschule funktioniert auch als soziales Laboratorium, sie fördert Kulturmanager-Kompetenzen, ganz ohne Studium und Abschluss.

Dealer vor der Beiz

Das alles gibt in Bern auch wenig zu reden, dafür zwei immer wieder genannte Probleme: die Drogenszene vor der Reitschule und die gewaltbereiten Demonstranten in ihrer Mitte. Häufig tauchen Dealer und ihre Kunden vor dem Kulturzentrum auf oder stehen in der Beiz herum.

Dafür könnten sie nichts, halten Reitschüler dagegen. «Ich arbeite hier seit 15 Jahren», sagt etwa Sabine Ruch vom Dachstock; und sie verspüre keinerlei Lust, «für die Probleme dieser Stadt den Privatbullen zu spielen.» Egal wie barsch man die Dealer und ihre Konsumenten wegweise, sie kämen immer wieder. Die Reitschule liege zentral, ausserdem sei die Anlaufstelle für Süchtige gleich auf der anderen Seite. Das wiederum lässt Barbara Mühlheim nicht gelten: Die grüne Politikerin leitet die heroingestützte Behandlung in Bern und kritisiert, die Reitschule müsse «konsequenter gegen die Drogenszene vorgehen, statt immer anderen die Schuld dafür zu geben».

Unklar bleibt auch das Verhältnis zur Gewaltbereitschaft in den eigenen Reihen. Wenn einer in Bern Kultur mache, sang einst Kuno Lauener von Züri West, komme meistens nur die Polizei. Das war in den Achtzigerjahren, als die Berner Band regelmässig in der Reitschule aufspielte und die Kultur mit Tränengas benebelt wurde.

Solidarität mit Knallköpfen

Dass aber die Reitschule die Polizei bis heute nicht losgeworden ist, hat sie sich auch selber zuzuschreiben. Man verurteilt zwar die Ausschreitungen an Demonstrationen, will sich aber nicht von ihren Adepten distanzieren. Das merkt man der Antwort von Agnes Hofmann an, der langjährigen Reitschülerin: Sie windet sich ins Umständliche. Einerseits wolle man, dass sich «auch antirassistische und antifaschistische Bewegungen bei uns treffen können», sagt sie, ganz der korrekten Terminologie verpflichtet. Der Preis dafür sei halt, «dass wir uns manchmal mit ein paar jungen Männern herumschlagen», denen die Botschaft einer Demonstration weniger bedeute als das Gewaltspektakel. «Wir finden die Knallköpfe bei uns genauso blöd wie die bei der Polizei.» Es gehe aber darum, solidarisch zu sein «und unsere Anliegen nicht zu verraten».

Die Frage ist nur, wer hier wen verrät. Am heftigsten wird die Reitschule immer dann kritisiert, wenn eine Demo in Bern knallkopfmässig eskaliert. Zum Beispiel kurz vor den letzten Nationalratswahlen, als eine Gegendemo zur SVP ausser Kontrolle geriet und der Hauptstadt weltweite Schlagzeilen bescherte. Zum letzten Mal kam der sogenannte antifaschistische Abendspaziergang vor knapp zwei Jahren vom Weg ab, zwei Monate nach der letzten Abstimmung zur Reitschule. Kein Zufall, dass das nächste linke Stadtwandern wieder erst nach der Abstimmung abgehalten wird.

Der Waschküchenplan

Trotzdem verbreitet Reto Nause (CVP), der Stadtberner Polizeichef, ungetrübten Optimismus. Die letzten Jahre über sei es ruhig geblieben, sagt er, der Kontakt zwischen Reitschule und Polizei habe sich spürbar verbessert. Zudem löst die Reitschule ihre Binnenprobleme mit einem hauseigenen Sicherheitsdienst. Das sind zwei Dutzend Männer, die sich vor einem Jahr gruppierten, eine Ausbildung durchlaufen haben und bei Alkoholexzessen, Streit und Schlägereien eingreifen. Fast alles lasse sich mit Worten klären, sagt Friedrich Stucki vom Wellness-Team. Die Polizei hätten sie jedenfalls noch nie rufen müssen.

Zurück in den Dachstock, wo die Gruppe dem Ende der Traktandenliste entgegenredet. Unter «Varia» bespricht sie das Problem der gemeinsam genutzten Waschmaschine. Am Schluss der gründlichen Debatte beschliesst das Kollektiv, einen Waschplan zu erstellen. Darüber habe man heute am längsten geredet, sagt einer. Alle lachen. Niemand scheint überrascht.

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Berner Bär 14.9.10
http://www.bernerbaer.ch?id=18&tx_gicontent_pi1[tcid]=408

Wäch im Gspräch

Erich versus Aline - Hess contra Trede.


Soll die Reitschule wirklich verkauft werden? Die beiden Politiker kreuzen
exklusiv im Bernerbär die Klingen. Erich ganz ehrlich und Aline ganz
streitbar! Und was den SVPGrossrat und die grüne Stadträtin nebst all dem
Gezanke auch verbindet.

Pro und Kontra Berner Reitschule. Erich J. Hess versus Aline Trede. Der
Jung-SVPler Grossrat will die Schliessung, die Vize-Grüne das Fortbestehen.
Vor der Abstimmung vom 26. September geben sich die beiden im Bernerbär
nochmals richtig Zunder

INTERVIEW PETER WÄCH

FOTOS SACHA GEISER

Bernerbär: Wann ist euch die Reitschule erstmals positiv respective negativ
aufgefallen?

Trede: Positiv an einem Konzert im Dachstock. Das ist nun schon über zehn
Jahre her.

Hess: Negativ seit mehr als 20 Jahren. Eigentlich seit die Medien über die
Besetzung Mitte 80er-Jahre berichten.

Trede (zu Hess): Als die Reitschule 1987 besetzt wurde, warst du ja
praktisch noch in den Kinderwindeln.

Hess: Die Berichterstattung in den 90ern hab ich sehr wohl mitbekommen…

Du, Erich, sagst, dass erst seit der Einreichung der Initiative vieles
besser geworden ist in der Reitschule…

Hess: Wir haben eine markante Verbesserung festgestellt, seit wir die
Initiative bei der Gemeinde deponiert haben. Wird die neue Chance einer
Schliessung und des Verkaufs an den Höchstbietenden nicht wahrgenommen,
werden wir wieder das gleiche Theater haben wie in den letzten 20 Jahren.

Trede: Verbesserungen hat es gegeben, aber schon vor eurer Initiative. Der
Sicherheitsdienst hält sich an die Regeln, die Leistungsverträge mit der
Stadt warden eingehalten, das Rauchverbot ebenso. Basisdemokratie dauert
eben seine Zeit, mittlerweile funktioniert es aber.

Hess: Eben nicht. Man kann nicht mit einem Saal voller Leute diskutieren,
bis alle der gleichen Meinung sind und dann noch davon ausgehen, dass jemand
die ganze Verantwortung übernimmt.

Trede: Es gibt diese Verantwortlichkeiten, die du forderst. Es gibt die
nötigen Kontakte, die nötige Kultur dafür.

Hess: Es gibt ein Stück Papier und einen "Chribel" darunter. Mehr nicht.

Trede: Vereinbarungen, die nicht eingehalten werden, existieren nicht mehr.
Sonst nenn mir doch ein paar…

Hess: Keiner nimmt das Nottelefon ab, wenn man es versucht. Zudem ist bei
gewalttätigen Demonstrationen stets das Tor zur Reitschule offen, damit die
Chaoten ungehindert ein- und ausgehen können.

Für dich ist die Reitschule ein rechtsfreier Raum, der Krawallbrüdern,
Dealern und Linksextremen Unterschlupf bietet. Wo sollten all diese Leute
hin, wenn ihr mit der Initiative durchkommt?

Hess: (Lacht) Die sollen einfach zu Hause bleiben. Und wer Krawall macht,
muss die ganze Härte unserer Gesetzgebung zu spüren bekommen. Was die
Junkies anbelangt, geht die Verantwortung an diejenigen Gemeinden, wo sie
herkommen.

Trede: Im letzten Punkt gebe ich dir Recht. Das Problem mit den Dealern kann
die Reitschule nicht alleine lösen. Hier sind die Zuständigen bei Polizei
und Sicherheit gefragt, denn so ziemlich jeder Club ist mit dieser Situation
konfrontiert.

Hess: Die Reitschule verschärft das Problem, indem sie Dealern Unterschlupf
gewährt.

Trede: Falsch. Es gibt einen internen Sicherheitsdienst, der solche Leute
wegschickt. Ich habe selber schon mitgeholfen.

Hätte die SVP-Initiative nicht mehr Chancen, wenn man klarer kommunizieren
würde, was anstelle der Reitschule entstehen soll?

Hess: Je länger und konkreter ein Initiativen-Text wird, desto mehr
verärgert das die Leute. Die Reitschule soll an den Meistbietenden verkauft
werden und der soll Verantwortung übernehmen.

Was, wenn der neue Eigentümer Araber ist und eine Moschee hinstellen möchte?

Hess: Jänu so de. Gut, wir von der SVP würden dann wohl in anderer Form
dagegen kämpfen… Trotzdem bin ich überzeugt, dass es mit einer Moschee
weniger Theater gäbe als mit der Reitschule…

Trede: Auf diesen Satz behafte ich dich notfalls! (lacht) Im Ernst. Das
Problem mit dem Meistbietenden ist ja die relative hohe Summe, die man
hinblättern müsste. Hinzu kommen sehr hohe Auflagen von der Stadt. Die Hülle
sollte erhalten bleiben und der Standort mit all den Strassen rundherum ist
auch nicht gerade wirtschaftsfreundlich.

Hess: Die Lage ist zentral und verkehrstechnisch bestens erschlossen. Ich
bin sicher, dass ohne zusätzliche Auflagen ein sehr guter Preis erzielt
werden kann.

Warum ist man bei der SVP so optimistisch, dass eine Schliessung der
Reitschule beim 5. Initiativen-Anlauf durchkommt?

Hess: Weil es nur ein paar Fanatiker sind, die in der RS regelmässig ein-
und ausgehen…

Trede: Darf ich dich erinnern, dass zu diesen Fanatikern auch Leute von
deiner Partei gehören…

Hess: Und weil man das Berner Stimmvolk wieder mal fragen darf, ob sie das
ganze Theater in Form von Demos, Messerstechereien und Attacken gegen
Polizisten weiter hinnehmen will.

Was macht dich, Aline, zuversichtlich, dass 2012 "25 Jahre Besetzung
Reitschule" gefeiert werden kann?

Trede: Weil keine Fanatiker und Chaoten in der RS verkehren, sondern viele
angesehene Kulturschaffende mit einem breiten Spektrum an Kreativität. Das
zeigt ja schon allein die CD "Reitschule beatet mehr". Gell, Erich, sei doch
mal ehrlich…

Schmeichelt es dir, dass dir Müslüm einen Song gewidmet hat?

Hess: Durch mich wurde der Song überhaupt ein Hit.

Trede: Es ist ja zuviel der Ehre für Erich. Aber es zeigt die kreative Art,
wie man einen Abstimmungskampf auch führen kann.

Hess: Und wie viel Steuergelder in diesem Abstimmungskampf landen müssen.
Schlussendlich ist jeder Franken, die die RS ausgibt, indirekt Steuergeld.
Wir vom Initiativ-Komitee müssen alles privat finanzieren...

Trede: Also Gelder gibt es ja nicht viele von der Stadt…

Hess: Die RS kostet uns 1,5 bis 2 Millionen im Jahr. Rechnen wir: 700 000
Franken sind direkte Subventionen…

Trede: 650 davon sind Miete…

Hess: Die Stadt Bern hat in den letzten sechs bis sieben Jahren über 12
Millionen Franken in Sanierungen investiert. Auf den Jahresschnitt sind das
an die 800 000 Franken, hinzu kommen die Sicherheitskosten von jedem
faschistischen Spaziergang…

Trede: Antifaschistischen!

Hess: Vergiss nicht die Umsatzeinbussen der Geschäfte, Polizeikosten und
Sachschäden und schon sind wir bei weit über 2 Millionen Franken Kosten pro
Jahr.

Trede: 700 000 Franken Kosten, o.k. Das Stadttheater kriegt 9,5 Millionen im
Jahr.

Hess: Die verursachen aber nicht soviel Folgekosten und halten sich an das
Recht. Es kann ja nicht sein, dass sich jemand nicht ans Recht hält und noch
subventioniert wird…

Bei den Berner Brückennetzen habt ihr politisch erfolgreich
zusammengespannt. Was verbindet euch privat?

Trede: Zusammen ein Bier trinken….

Hess: Der Humor! (Lachen beide)

Was macht ihr, wenn einer von euch verliert? Was ist der Wetteinsatz?

Trede (zu Hess): Du verlierst. Überleg es dir gut… Ich weiss, du musst den
Müslüm-Song singen und dazu tanzen (lacht).

Hess: Und du ziehst eine schöne Berner Tracht an und tanzt zu lüpfiger
Schwyzerörgeli- Musik.

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BZ 14.9.10

Standpunkt zur Reitschul-Initiative

 Bunt, aber nicht rechtsfrei

 Mirjam Messerli  ist Redaktorin im Ressort Stadt Bern

 Ein buntes, alternatives Kulturzentrum ist die Reitschule für ihre Freunde,
ein "Schandfleck" für die Gegner. Bereits zum fünften Mal innert 20 Jahren
ist sie am 26. September Thema einer Volksabstimmung. "Die Reithalle ist ein
Auffangbecken für vermummte Demonstranten, Randalierer, Dealer und
Kriminelle", findet das rechtsbürgerliche Komitee, das die Reitschule
schliessen und verkaufen will. Dieser "rechtsfreie Raum" müsse endlich
verschwinden.

 Die Reitschule ist kein rechtsfreier Raum. Davon konnte man vielleicht in
ihren Anfängen in den 1980er-Jahren sprechen, als das Haus besetzt war. Seit
2004 geniesst die Reitschule aber keine Sonderrechte mehr. Sie wird aufgrund
einer Leistungsvereinbarung im Auftrag der Stadt geführt. Man kann das
Kulturangebot der Reitschule gut oder schlecht finden oder auch darüber
diskutieren, ob es sinnvoll ist, ein solches Zentrum basisdemokratisch
führen zu wollen. Falsch ist aber die Gleichung: "Wenn man die Reitschule
weiter toleriert, toleriert man Gewalt", die SVP-Grossrat Erich Hess
aufstellt. Er sagt, in einer demokratischen Gesellschaft müssten gleiche
Regeln für alle herrschen und es dürfe nicht sein, dass einzelne Personen
sich darüber hinwegsetzten. Solche Regelverstösse gibt es in Bern jedoch
nicht nur in der Reitschule. Auch andere Lokale haben zeitweise Mühe, das
Gastgewerbegesetz durchzusetzen, oder nehmen es damit nicht so genau.
Gedealt, gekifft oder geprügelt wird nicht nur in der Reitschule.

 Ein Beispiel: Toleriert man Gewalt, wenn man das Stade de Suisse weiter
toleriert? Schliesslich dulden doch die Betreiber, dass Fans während der
Spiele Petarden zünden, obschon es verboten ist. Ist also nicht auch das
Stadion Wankdorf ein rechtsfreier Raum? Natürlich nicht, ebenso wenig wie
die Reitschule.

 Ein Veranstaltungsort zieht auch Menschen an, die sich nicht an die Regeln
halten. Diesen Umstand kann man den Reitschülern nicht anlasten. Verlangen
muss man aber von ihnen, dass sie sich künftig noch konsequenter von solchen
unliebsamen Gästen distanzieren und diese gemeinsam mit der Stadt und der
Polizei in die Schranken weisen. Die nötigen rechtlichen Grundlagen und
Abmachungen dafür sind vorhanden. Die Reitschüler müssen für klare
Ansprechpersonen und einen permanenten Sicherheitsdienst sorgen. Möglichen
Störenfrieden muss klar sein, dass sie in der Reitschule nicht willkommen
sind und dort keinen Unterschlupf finden.

 Dass die Reitschüler durchaus willens und fähig sind, im Umfeld des
Kulturzentrums für schon fast SVP-mässige Ruhe und Ordnung zu sorgen, haben
sie während des laufenden Abstimmungskampfs bewiesen. Es ist kein Zufall,
dass die antifaschistischen Spaziergänger dieses Jahr erst nach der
Abstimmung durch die Stadt marschieren. Gut zu wissen, dass das Kollektiv
seine schwarzen Schafe durchaus beeinflussen kann - wenn es will. Die
Reitschüler werden den Beweis antreten können und müssen, dass dieser gute
Wille auch nach der Abstimmung anhält. Die Zeichen stehen gut: Berns
Sicherheitsdirektor Reto Nause, Polizei und Sanitätspolizei loben, dass die
Zusammenarbeit und der Dialog mit der Reitschule besser geworden sei.

 Bern würde nicht sicherer, gäbe es die Reitschule nicht mehr, allenfalls
herausgeputzter. Sicher aber würde Bern ärmer um einen Ort mit Geschichte
und einer einzigartigen Mischung aus verschiedenen Kultursparten. Würde man
- wie dies die SVP möchte - in Bern nur noch Kultur anbieten, die sich
selber finanziert, müsste nicht als erstes die Reitschule ihr grosses Tor
schliessen. So deckte etwa das Stadttheater letzte Saison bloss 21,5 Prozent
seines Aufwandes mit eigenen Erträgen ab; der grosse Rest machen die
Subventionen von 23,8 Millionen Franken aus. Die Reitschule mit ihren 665
750 Franken Subventionen weist demgegenüber einen Eigenfinanzierungsgrad von
über 50 Prozent aus.

 Zahlen und Fakten werden wohl auch bei dieser Abstimmung über die Zukunft
der Reitschule nicht den Ausschlag geben. Denn die Reitschule ist eine
emotionale Sache. Man nervt sich über den "Schandfleck" oder freut sich über
den farbigen, frechen und unangepassten Ort mitten im behäbigen Bern. Frech
und unangepasst darf die Reitschule auch bleiben - in Bezug auf ihr
kulturelles Angebot. Hier bietet sie tatsächlich etwas wohltuend anderes als
die breite Masse und damit mehr. Dass aber frech und unangepasst nicht mit
rechtsfrei verwechselt wird, dafür sind die Reitschülerinnen und Reitschüler
verantwortlich. Ein Nein zur SVP-Initiative ist keine Zustimmung zu
Krawallen und Gewalt, sondern ein Ja zu einem bunten und alternativen
Kulturzentrum.

miriam.messerli@bernerzeitung.ch

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Basler Zeitung 13.9.10

Neuer Anlauf zur Schliessung

 Bern stimmt zum fünften Mal über Reithalle ab


 Barbara Spycher, Bern

 Das Berner Kulturzentrum Reithalle soll geschlossen und verkauft werden, findet die SVP. Kulturschaffende wehren sich dagegen.

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei. Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen.

 Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Berner Parteien, inklusive CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber durchaus Verbesserungspotenzial bei den basisdemokratischen Strukturen der Reithalle: Die Stadt brauche klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen werden könnte. In den vier bisherigen Umnutzungs- und Kreditabstimmungen hat sich das rot-grüne Bern stets hinter das 23-jährige Kulturzentrum gestellt. Im Sommer haben rund 20 Kulturschaffende von Züri West bis Stiller Has eine CD zur Unterstützung der Reithalle herausgegeben. Kultstatus erreichte daraus Müslüms Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?", der sich an den Jung-SVP-Politiker Erich Hess richtet, einen der Hauptexponenten der Initianten.

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 "Müslüm, warum wosch du nid gseh?"

 Erich Hess will die Berner Reithalle an den Meistbietenden versteigern

 SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen Zweihänder aus - nun wird er selber Zielscheibe eines Songs. Er nimmts gelassen und kämpft weiter gegen den "Schandfleck" Reithalle.

 Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt: Ihm ist ein Song gewidmet worden. Fast 300 000 haben auf Youtube bereits geschaut, wie Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum bisch du nid ehrlich? Erich, warum bisch du immer so aggressiv? Erich, hesch du keini Liebi becho?" Das Lied spielt auf die Aussagen des Jung-SVP-Politikers Hess an, wonach die Berner Reitschule ein Hort von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei. Deshalb will Hess das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden versteigern.

 Erich Hess nimmt es gelassen, dass er von Müslüm verhöhnt wird. Es gelte freie Meinungsäusserung. Jedoch sei die Frage falsch gestellt: "Mir wird privat oft vorgeworfen, ich sei zu direkt und zu ehrlich." Die Frage müsse lauten: "Erich, warum bisch du so ehrlich?"

 Provokationen

Hess fällt oft mit verbalen Grenzüberschreitungen auf. Das Berner Kulturzentrum Progr bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse und Tagediebe", Asylbewerber hat er schon mit Ameisen verglichen. Hess provoziert auch mit Aktionen wie jener von letztem Sommer, als er eine SVP-Hotline gegen Sozialhilfemissbrauch installierte. Er rief die Bevölkerung auf, dort Bekannte oder Nachbarn zu denunzieren.

 Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und bleibt selbst im schicken Nadelstreifenanzug sich selber: Ein 29-jähriger Lastwagenfahrer und Politiker, im Emmental aufgewachsen, der Alphorn, Schwyzerörgeli, Hackbrett und Fahnenschwingen anderen kulturellen Darbietungen vorzieht. In der Politik geht es rasch aufwärts mit Hess: Die letzten sieben Jahre hat er im Berner Stadtparlament politisiert, jetzt wurde er ins Kantonsparlament gewählt. Seit zweieinhalb Jahren ist er Präsident der Jungen SVP Schweiz. Als solcher hat er auch schon die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die SVP-Spitze hatte sich gegen das Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit ausgesprochen, also sammelte Hess mit der Jungen SVP die nötigen Unterschriften. Im Abstimmungskampf schwenkte die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.

 Mit der Abstimmung über die Reithalle dürfte er keinen Erfolg haben. "Ist diese Initiative Zwängerei oder Selbstprofilierung, Herr Hess?" - "Weder noch", meint der Initiant. Aber die Zustände in der Reithalle seien unhaltbar, alle gewalttätigen Demos etwa würden von der Reithalle aus organisiert. Würde sie geschlossen, "wird Bern nicht zu einer kulturellen Wüste", findet Hess. Und fragt Müslüm zurück: "Warum wosch du d Missständ nid gseh?"  spy

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 "Erich, warum bisch du nid ehrlich?"

 Kult-Türke Müslüm setzt sich mit seinem ganzen "Herzeli" für die Reithalle ein

 Sein Solidaritätssong für die Reithalle hat Müslüm zum nationalen Durchbruch verholfen. Sein Erfinder Semih Yavsaner ist überrumpelt.

 Nur die Augen erinnern an Müslüm. Der struppige Schnauz ist weg, das rosa Jacket ist einem schwarzen gewichen, und wenn er spricht, ist sein Berndeutsch akzentfrei. Semih Yavsaner (30) ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die Reithalle-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten, SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für Weihnachten vorgesehen.

 Doch dann kam alles anders: Müslüm, der linkische Türke mit starkem Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli", singt sich in die Herzen der Schweizer. Knapp 300 000-mal wurde der Song auf Youtube bereits angeklickt. Yavsaner wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für politische Anliegen gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die Leute stattdessen zu Weihnachten mit einer musikalischen Liebesbotschaft beglücken. Denn das ist Müslüms Hauptsorge: "Wo isch de Liebe gebliebe?"

 Grosses Anliegen

Bis zur Abstimmung am 26. September aber engagiert sich Müslüm noch mit Leib und Seele für die Reithalle. Bis dann hat Yavsaner andere kommerzielle Angebote abgelehnt, um die Glaubwürdigkeit von Müslüm nicht zu gefährden. Das alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein echtes Anliegen. "In unserer Gesellschaft ist vieles so gleichförmig - die Reithalle ist ein wichtiger Gegenpol."

 Und was antwortet Yavsaner auf Erich Hess' Frage, warum er die Missstände in der Reithalle nicht sehen wolle? Yavsaner reagiert genervt: "Welche Missstände?" Müslüm hingegen antwortet gelassen: "Zersch studiere, denn schubladisiere." Wieder übernimmt Yavsaner: Wenn man Hess von "Terroristen" sprechen höre und die Reithalle nur von aussen sehe, passe sie in diese Schublade. Aber: "Schaut zweimal hin, macht euch ein eigenes Bild." Er stört sich an diesem "Schubladendenken" der SVP. Bei der Reithalle, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist auf dem Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in Bern aufgewachsen ist. Seine Eltern kamen als türkische Gastarbeiter in die Schweiz. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau gleich und geben uns Mühe, etwas beizutragen."  spy

 Müslüms Song ist auf Youtube, iTunes oder exlibris.ch zu finden.

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Zürichsee-Zeitung 13.9.10

Reithalle Warum Müslüm dafür kämpft

 "Erich, warum bisch du nid ehrlich?"


 Sein Solidaritäts-Song für die Berner Reithalle hat Müslüm zum nationalen Durchbruch verholfen. Nun stürmt er die Schweizer Hitparade. Sein Erfinder Semih Yavsaner ist überrumpelt.

 Barbara Spycher, Bern

 Nur die Augen erinnern an Müslüm. Der struppige Schnauz ist weg, das rosa Jacket ist einem schwarzen gewichen, und wenn er spricht, ist sein Berndeutsch akzentfrei. Semih Yavsaner, 30, ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die Reithalle-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initanten, SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für Weihnachten vorgesehen.

 Doch dann kam alles anders: Müslüm, der linkische Türke mit starkem Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli", singt sich in die Herzen der Schweizer. Über 260 000 Mal wurde der Song auf Youtube bereits angeklickt, seit kurzem setzt er zum Sturm in der Hitparade an. Yavsaner selber wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für weitere politische Anliegen gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die Leute stattdessen zu Weihnachten mit einer musikalischen Liebesbotschaft beglücken. Denn das ist Müslüms Hauptsorge: "Wo isch de Liebe gebliebe?"

 Reithalle - ein Gegenpol

 Bis zur Abstimmung am 26.September aber engagiert sich Müslüm noch mit Leib und Seele für die Reithalle. Bis dann hat Yavsaner andere kommerzielle Angebote abgelehnt, um die Glaubwürdigkeit von Müslüm nicht zu gefährden. Das alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein echtes Anliegen. "In unserer Gesellschaft ist vieles so gleichförmig - die Reithalle ist ein wichtiger Gegenpol."

 Und was antwortet Yavsaner auf Erich Hess' Frage, warum er die Missstände in der Reithalle nicht sehen wolle? Yavsaner reagiert genervt: "Welche Missstände?" Müslüm hingegen antwortet gelassen: "Zersch studiere, denn schubladisiere." Wieder übernimmt Yavsaner: Wenn man Hess von "Terroristen" sprechen höre und die Reithalle nur von aussen sehe, passe sie in diese Schublade. Aber: "Schaut zweimal hin, macht euch ein eigenes Bild." Er stört sich daran, dass Erich Hess und die SVP sich dieses "Schubladen-Denkens" bedienen. Bei der Reithalle, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist auf dem Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in Bern aufgewachsen ist. Seine Eltern kamen als türkische Gastarbeiter in die Schweiz. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau gleich und geben uns Mühe, etwas beizutragen."

 Müslüms nächster Beitrag wird das Weihnachtsalbum sein - der Plattenvertrag ist unterschrieben; was danach kommt, weiss Semih Yavsaner noch nicht. Im Sommer hat er seine Stelle als Moderator und Produzent beim Zürcher Radio 105 aufgegeben. Dort waren auch Müslüms Telefonscherze zu hören. Dabei offenbart sich ein weiteres Talent Yavsaners. Als Müslüm bewirbt er sich telefonisch bei der Polizei - obwohl er vier Jahre im Gefängnis sass wegen einem Raubüberfall. Das Beeindruckende daran: Die Angerufenen legen nicht auf, sondern steigen ein auf minutenlange, skurrile Gespräche mit dem schrägen Vogel.

 Müslüms Song ist auf Youtube zu finden.

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Reithalle Warum Erich Hess (SVP) dagegen ist

 "Müslüm, warum wosch du nid gsee?"

 SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen Zweihänder aus - nun wird er selber Zielscheibe eines Songs. Er nimmts gelassen und kämpft weiter gegen den "Schandfleck" Reithalle.

 Barbara Spycher, Bern

 Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt: Ihm ist ein Song gewidmet worden. Über 260 000 haben auf Youtube bereits geschaut, wie Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" "Erich, warum bisch du immer so aggressiv?" "Erich, hesch du keini Liebi becho?" Müslüm spielt damit auf die Aussagen von Jung-SVP-Politiker Hess an, wonach die Berner Reitschule ein Hort von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei. Deshalb will Hess das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden versteigern (siehe Kasten). Am 26. September stimmen die Berner über diese Initiative ab.

 "Henusohaut"

 Erich Hess nimmt es gelassen hin, dass er von Müslüm verhöhnt wird. Die Melodie sei "noch ansprechend", der Text "henusohaut", es gelte freie Meinungsäusserung. Allerdings sei die Frage falsch gestellt: "Mir wird privat oft vorgeworfen, ich sei zu direkt und zu ehrlich." Die Frage müsste eigentlich lauten: "Erich, warum bisch du so ehrlich?" Er sei auch nicht aggressiv, sondern eher ein ruhiger Mensch. Er vertrete politisch aber viele unbequeme Themen, was die Linken vielleicht als "aggressiv" bezeichnen würden.

 Tatsächlich fällt Hess oft mit verbalen Grenzüberschreitungen auf. Das Berner Kulturzentrum "Progr" bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse und Tagediebe", in der Reithalle gebe es "Terroristen" und "mafiöse Strukturen", Asylbewerber hatte er mit Ameisen verglichen. Hess provoziert auch mal mit Aktionen wie jener von letztem Sommer, als er eine SVP-Hotline gegen Sozialhilfemissbrauch installierte. Er rief die Bevölkerung auf, dort Bekannte oder Nachbarn zu denunzieren, bei denen sie Sozialhilfemissbrauch vermuteten.

 Schwyzerörgeli

 Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und bleibt selbst im schicken Nadelstreifenanzug sich selber: ein 29-jähriger Lastwagenfahrer und Politiker, im Emmental aufgewachsen, der Alphorn, Schwyzerörgeli, Hackbrett und Fahnenschwingen anderen kulturellen Darbietungen vorzieht. In der Politik geht es rasch aufwärts mit Hess: Die letzten sieben Jahre hat er im Berner Stadtparlament politisiert, jetzt wurde er ins Kantonsparlament gewählt. Seit zweieinhalb Jahren ist er Präsident der Jungen SVP Schweiz. Als solcher hat er auch schon die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die SVP-Spitze hatte sich gegen das Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit ausgesprochen, also sammelte Hess mit der Jungen SVP die nötigen Unterschriften. Im Abstimmungskampf schwenkte die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.

 Mit der fünften Abstimmung über die Reithalle dürfte er im rot-grünen Bern aber keinen Erfolg haben. Ist diese Initiative Zwängerei oder Selbstprofilierung? Weder noch, meint der Initiant im Gespräch, aber die letzte richtige Schliessungs-Initiative liege 20 Jahre zurück. Die Zustände in der Reithalle seien unhaltbar, alle gewalttätigen Demos etwa würden aus der Reithalle organisiert. Würde sie geschlossen, "wird Bern nicht zu einer kulturellen Wüste", es gebe viele vergleichbare Angebote, findet Hess. Und fragt Müslüm zurück: "Warum wosch du d Missständ nid gsee?"

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 SVP will Reithalle schliessen

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative Berner Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei. Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen. Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Berner Parteien, inklusive CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber durchaus Verbesserungspotenzial bei den basisdemokratischen Strukturen der Reithalle: Die Stadt brauche klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen werden könnte. In den vier bisherigen Umnutzungs- und Kreditabstimmungen zur Reithalle hat sich das rot-grüne Bern stets hinter das 23-jährige Kulturzentrum gestellt. Es bietet Filmvorführungen, Theater oder Konzerte, beherbergt eine Beiz, einen Frauenraum und Politgruppen. Im Sommer haben rund 20 Kulturschaffende, von Züri West bis Stiller Has, eine CD zur Unterstützung der Reithalle herausgegeben. Kultstatus erreichte Müslüms Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?". (spy)

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20 Minuten 13.9.10

20 Sekunden

 Abstimmung fraglich

 BERN. Wegen Beschwerden ist die Abstimmung über die Reitschule vom 26. September fraglich. Bemängelt wird der Text der Abstimmungsbotschaft. Es werde suggeriert, bei einem Verkauf der Reitschule sei der Kulturbetrieb am Ende.


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Mo. 13. September 2010, Rabe Info

- Die Abstimmung über die Berner Reitschule spaltet auch die Bürgerlichen: pro und contra Argumente von FDP und BDP
- Kopf der Woche: Mariela Castro Espin, Tochter des Kubanischen Präsidenten, Erzieherin und selbst ernannte Provokateurin

Links:
http://www.cenesex.sld.cu
http://en.wikipedia.org/wiki/Cuban_National_Center_for_Sex_Education

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RaBe-Info 13.9.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100913-allewollen-35980.mp3
http://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=35980

Alle wollen ein alternatives Kulturzentrum - aber welches? Bürgerliche Politiker streiten über die Reitschule-Initiative

Am 26. September findet die Abstimmung über die Reitschule-Initiative statt. Das RaBe-Info hat in den letzten drei Wochen über das Innenleben des Berner Kulturzentrums berichtet. Ausserhalb führt die Reitschule immer wieder zu Kontroversen. Die Reitschule polarisiert aber nicht nur bei Rechts und Links, sondern auch in der sogenannt "bürgerlichen Mitte" der Stadt Bern. Die BDP/CVP-Fraktion hat die Nein-Parole herausgegeben. Die FDP sagt JA zur Initiative, die hauptsächlich von Exponenten der SVP auf die Beine gestellt wurde.

Michael Spahr hat sich bei den bürgerlichen Politikern umgehört.

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BZ 11.9.10

Reitschule

 Beschwerde eingereicht

 Die FDP-Politiker Erwin Bischoff und Fred Moser haben beim Regierungsstatthalteramt Bern Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft zur Initiative über die Zukunft der Reitschule eingereicht. Sie bezeichnen die Botschaft des Stadtrats als "irreführend" und fordern, dass die Abstimmung vom 26. September verschoben wird.
 azu

 Seite 29

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Reitschule

 Beschwerde gegen Abstimmungsbotschaft

 Gegen das Abstimmungsbüchlein zur Reitschule-Initiative wurde Beschwerde erhoben, weil es irreführend und einseitig sei.

 Hinter der Beschwerde stehen zwei FDP-Mitglieder: Der ehemalige Grossrat und PR-Fachmann Erwin Bischof sowie Fred Moser, Präsident des Vereins "Bern sicher und sauber!". Die beiden monieren in einer Pressemitteilung, dass mit dem Abstimmungsbüchlein zur Reitschule-Initiative das Volk nicht wahrheitsgemäss und vollständig informiert werde.

 So suggeriere der Text "perfiderweise", dass die Initianten den Kulturbetrieb schliessen wollten. Das treffe nicht zu: Die Initiative verlange die Vergabe der Reitschule an den Meistbietenden, die zukünftige Nutzung werde bewusst offen gelassen.

 Abstimmung verschieben

 Ein weitere fatale Falschinformation ist für die beiden Beschwerdeführer, dass im Abstimmungsbüchlein immer von "Verkauf" die Rede sei. Richtigerweise müsste es aber heissen "Verkauf im Baurecht". Das sei ein fundamentaler Unterschied, erklärt Bischof auf Nachfrage. Bei einem Verkauf im Baurecht könne die Stadt nämlich vorab Nutzungsvorschriften erlassen und damit etwa eine kulturelle Nutzung vorschreiben.

 Die Beschwerdeführer verlangen nun, dass die Abstimmung vom 26. September verschoben wird, damit eine neue Botschaft ausgearbeitet werden kann.

 Entscheid vor Abstimmung

 Regierungsstatthalter Christoph Lerch bestätigte gestern in einem Communiqué den Eingang der Beschwerde. Er werde nun eine Stellungnahme der Stadt einholen und noch vor dem geplanten Abstimmungstermin einen Entscheid fällen. Dieser Entscheid kann ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden.

 Wem all dies bekannt vorkommt: Im Mai 2009 stand die Progr-Abstimmung auf der Kippe, weil die SVP Beschwerde eingereicht hatte.
 azu

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Bund 11.9.10

Reitschule-Urnengang droht Verschiebung


 Der einstige FDP-Grossrat Erwin Bischof hat beim Regierungsstatthalter eine Gemeindebeschwerde gegen die Stadt Bern eingereicht. Damit will er eine Verschiebung der Volksabstimmung vom 26. September über die Anti-Reitschule-Initiative bewirken. Stein des Anstosses ist die Abstimmungsbotschaft, die nicht vollständig sei und Fehler enthalte, wie Bischof mitteilt. So werde den Initianten unterstellt, dass sie den Kulturbetrieb einstellen wollten. Auch bei einem Ja zur Initiative sei die in der Reitschule gepflegte Kultur aber weiterhin möglich.

 Zudem sei von einem "Verkauf" die Rede, bei dem die Stadt keinen Einfluss auf die weitere Nutzung haben werde. "Das stimmt einfach nicht", sagt Bischof. Es gehe nicht um einen Verkauf, sondern um einen Verkauf im Baurecht, bei dem die Stadt Grundeigentümerin bleiben würde. "Der Stadtrat kann daher eine kulturelle Nutzung festlegen", sagt Bischof. Initiant Erich Hess (SVP) unterstützt die Beschwerde, auch wenn er sie für wenig erfolgsträchtig hält. Statthalter Christoph Lerch (SP) will übernächste Woche einen Entscheid fällen. "Zuerst muss die Stadt Zeit für eine Stellungnahme erhalten", sagt Lerch. (bob)

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BZ 11.9.10

SP Stadt Bern


 Ja zu Wankdorf City

 Die Delegierten der SP Stadt Bern lehnen die Reitschulinitiative ab und sagen nach kontroverser Debatte Ja zur Krediterhöhung für die Wankdorf City.
 pd

 BDP Stadt bern

 Nein zur ReitschulinitiativeDie Bürgerlich-Demokratische Partei der Stadt Bern unterstützt die Kreditaufstockung für die Wankdorf   City. Nein sagt sie dagegen zur Reitschulinitiative der SVP. Die BDP dulde deswegen jedoch keineswegs eine Reitschule als Drogenumschlagplatz oder als Ort der Gewalt. pd

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Bund 11.9.10

Leserbrief Abstimmung über den Verkauf der Reitschule, diverse Artikel im "Bund"


 Wo sollen Kulturschaffende hin?

 Die Reitschule ist eine Kulturoase. Sie gibt der Kultur und der Stadt Bern Farbe. Wieso soll man auf diesen kreativen Ort verzichten? Damit würde nicht nur ein Farbton der Kultur vernichtet, sondern auch die Existenz vieler Kulturschaffenden. Wo sollen denn zum Beispiel Theatergruppen wie wir auftreten, wenn nicht im Tojo der Reitschule? Uns, die Theatergruppe Ararat, gibt es seit zehn Jahren. Seit Anfang Jahr 2010 bereiten wir uns auf eine neue Produktion vor. Trotz unserem voll ausgebuchten Leben proben wir intensiv. Wir wollen einen Beitrag zur Kultur leisten. Dabei gehört die Reitschule fast zum einzigen Ort in Bern, wo wir unsere Arbeit präsentieren können. Diejenigen, welche die Reitschule zu einem Parkhaus oder Einkaufszentrum umnutzen möchten, sollen uns sagen, wo Kulturschaffende wie wir sonst einen Platz finden. Das Leben besteht nicht nur aus Kommerz!

 Taner Tanyeri, Bern
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BZ 11.9.10

"I have a dream"

 Als Martin Luther King vor 47 Jahren beim Lincoln-Denkmal vor die Menschen trat, da hatte er einen Traum. Den Traum vom Ende der Rassentrennung. Als Sarah Palin neulich dasselbe tat, um die "Ehre und Würde" der USA wiederherzustellen, da wurde klar: Die hat keinen Traum, die hat vor allem keine Ahnung. Es steht wahrlich schlecht um die amerikanische Demokratie, wenn mündige Bürger dieser fleischgewordenen Unwissenheit ihr Gehör (oder noch schlimmer: ihre Stimme) schenken.

 Nun gut, vielleicht sollten wir zuerst vor der eigenen Haustüre kehren. Auch hierzulande gibt es Menschen, die glauben, von Erich Hess komme irgendetwas Sinnvolles oder Wahres. Alle paar Jahre kommt zwar eine Initiative zur Schliessung der Reitschule, das ist wahr, aber sinnvoll ist es deswegen noch lange nicht. Bereits fünfmal haben die Berner Stimmberechtigten ähnliche Vorstösse abgelehnt, es drängt sich mittlerweile die Frage auf, ob sich hier irgendwer schwertut damit, den Wählerwillen zu respektieren…

 Zurück zum Lincoln Memorial: Sarah Palin hielt eine fürchterlich anachronistische Rede: von Martin Luther King (Rassendiskriminierung) kam sie via Irakkrieg (wirtschaftliche Interessen, amerikanischer Kolonialismus) zur Ehre von Amerika, die wiederhergestellt werden müsse. Wahrscheinlich weil der Präsident schwarz ist - so viel zum Thema "Ende der Rassendiskriminierung".

 Entschuldigung, das war jetzt sogar mir zu kompliziert und widersprüchlich. Beim Zuhören fühlte ich mich wie Erich Hess an einer Stadtratssitzung: beim einen Ohr rein, beim andern schneller wieder raus als ein Roma-Kind aus Frankreich. Die Rede hatte mehr Widersprüche als Jörg Kachelmann Lausemädchen.

 Aber gut, zuweilen ist die Welt halt ein wenig kompliziert. Suspekt sollte deswegen jeder sein, der ganz einfache Lösungen anbietet, sei es nun für die Reitschule oder die amerikanische Ehre. Letztere müsste vielleicht tatsächlich wiederhergestellt werden, aber besser nicht von Leuten, die glauben, Afrika sei ein Land und Barak Obama Muslim.

 Auch ich habe einen Traum: dass wir alle besser zuhören und uns informieren, um mit unserem Wissen populistische Phrasendrescher zu entlarven. Und ihnen so bei den nächsten Wahlen die Quittung präsentieren - um es mit den Worten von Sarah Palin zu sagen: Wir sollten sie alle "zurückabweisen".

 Adrian Merz

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bernerzeitung.ch 10.9.10

Beschwerde gegen Abstimmungsbotschaft der Reitschule eingereicht

sda / js

 Zwei Berner Bürger haben am Freitag beim Regierungsstatthalteramt Bern Gemeindebeschwerde gegen die Botschaft zur Abstimmung über die Zukunft der Reitschule eingereicht. Sie bezeichnen die Botschaft des Stadtrats als "irreführend".

 So werde darin den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern "suggeriert", der Verkauf der Reitschule bedeute das Ende des Kulturbetriebs in diesen Räumlichkeiten, heisst es in einer Mitteilung der zwei Bürger vom Freitag.

 Bei ihnen handelt es sich um den ehemaligen FDP-Grossrat und PR- Fachmann Erwin Bischof und den pensionierten Versicherungsberater Fred Moser. Er ist ebenfalls FDP-Mitglied, wie Bischof auf Anfrage sagte.

 Die beiden Bürger verlangen, die kommunale Abstimmung über die Zukunft der Reitschule vom 26. September sei abzusetzen und auf einen neuen Termin zu verschieben. Zudem müsse eine "neue, korrekte Abstimmungsbotschaft" her.

 Abstimmung ist Ende September

 Der Regierungsstatthalter von Bern bestätigte am Freitag auf Anfrage den Eingang der Gemeindebeschwerde. Christoph Lerch sagte weiter, er werde nun die Stadt Bern unverzüglich um eine Stellungnahme bitten. Ziel sei, diese in der nächsten Wochen zu erhalten und in der übernächsten den Entscheid zu fällen.

 Es sei klar, dass diese Beschwerde "beförderlich behandelt" werden müsse.

 Schon am 26. September soll nämlich die Volksinitiative der Jungen SVP Bern, welche den Verkauf der Reitschule im Baurecht auf den 31. März 2012 an den Meistbietenden verlangt, dem Volk vorgelegt werden.

 Der Entscheid enhalte in der Regel auch einen Beschluss über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde, sagte Lerch weiter. Doch kann sein Entscheid an eine nächsthöhere Instanz weitergezogen werden.

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Echo der Zeit 9.9.10

Die alte Reitschule: Warum halten Berner dran fest?


Die alte Reitschule von Bern, seit mehr als zwanzig Jahren hat sie eine ganz andere Bestimmung, sie ist ein alternatives Kulturzentrum. Der bunte Gebäudekomplex, prominent an der Einfahrt zum Hauptbahnhof gelegen, gefällt aber nicht allen. Schon mehrfach wollten Volksinitiativen den Betrieb stoppen, bisher scheiterten sie alle. Jetzt, am 26. September, kommt ein neues Begehren vor das Volk. Die Berner SVP fordert den Verkauf des Reitschulareals "an den Meistbietenden".

* Hören
rtsp://a763.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/763/23910/4c8907f3/audio.drs.ch/drs1/echoderzeit/2010/09/100909_7_koller.mp3

Verantwortlich für diesen Beitrag:
* Toni Koller

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Zukunftsperspektiven der alternativen Kulturzentren

Wie die Berner Reitschule gehen auch die Rote Fabrik in Zürich und die Kaserne in Basel auf die Jugendbewegung der achtziger Jahre zurück. Sie feiern dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Die alternativen Kulturzentren sind also in die Jahre gekommen. Wo stehen sie heute in der Kulturlandschaft? Wie sehen ihre Zukunftsperspektiven aus?
Gespräch mit dem Zürcher Ethnologen Heinz Nigg. Er hat mehrere Bücher über die 68er und über die 80er-Bewegung geschrieben.

* Hören
rtsp://a867.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/867/23910/4c89082a/audio.drs.ch/drs1/echoderzeit/2010/09/100909_8_zehnder.mp3

Verantwortlich für diesen Beitrag:

* Raphael Zehnder

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Regionaljournal Bern 9.9.10

Abstimmungsvorschau Reitschule Bern


Dem Meistbietenden verkaufen oder als alternatives Kulturzentrum erhalten? Am 26. September stimmen die StadtbernerInnen über eine Initiative zum Verkauf der Reitschule ab. Was denken Bürger und Bürgerinnen über den Schandfleck oder den Kulur-Ort. Ein Rundgang durch die Reitschule und die Meinungsbildung von Frauen und Männern bei ihrem ersten Besuch im umstrittenen Gebäude.
rtsp://a821.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/821/23910/4c890d3b/audio.drs.ch/Regionaljournale/Bern/2010/09/100909_regibe_17.30_04_reitschule.mp3

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BZ 9.9.10

Ist die Ruhe trügerisch?


 Seit zwei Jahren ist es relativ ruhig um die Berner Reitschule. Erich Hess befürchtet neue Krawalle nach der Abstimmung.

 Die Dealerszene auf dem Vorplatz der Berner Reitschule hat sich verkleinert. Angriffe gegen Polizei- und Ambulanzfahrzeuge nahmen laut Berns Polizeidirektor Reto Nause (CVP) deutlich ab. "Die Zeiten, als sich gewalttätige Demonstranten in die Reitschule zurückgezogen haben, sind vorbei", sagt Nause.

 Reitschule-Gegner Erich Hess misstraut dem Frieden. Die Reitschule-Betreiber hielten sich bewusst zurück, weil am 26. September über die vom ihm verfasste Schliessungsinitiative abgestimmt werde, sagt er. "Sobald die Abstimmung vorbei ist, können die Reitschule-Gegner wieder wüten." Diese These sei spekulativ, entgegnet Nause. "Es fehlen die Fakten."
 tob

 Seite 19

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Berner Reitschule

 Ist die Zeit der Krawalle vorbei?

 Die Reitschule provoziert kaum noch Negativ-Schlagzeilen. Doch Reitschule-Gegner Erich Hess befürchtet, dass bald neuer Krawall ausbricht. Berns Sicherheitsdirektor Nause hält dagegen: "Für diese These fehlen die Fakten."

 Just eine Woche nach der Abstimmung über die Schliessung der Reitschule steht in Bern am 2. Oktober der nächste antifaschistische Abendspaziergang an. Nie zuvor fand diese militante Demo so spät im Herbst statt - die Organisatoren haben das Datum bewusst hinter den Abstimmungstermin gelegt.

 Erich Hess, SVP-Grossrat und Verfasser der Anti-Reitschule-Initiative, befürchtet Krawalle. "Sobald die Abstimmung vorüber ist, können die Reitschule-Aktivisten wieder wüten, ohne dass es Konsequenzen hat", sagt er. So sei es nach jeder Abstimmung über "diesen Schandfleck" gewesen. So werde es immer sein.

 Drogenszene ist kleiner

 Fakt ist: In jüngster Vergangenheit wurde aus dem Umfeld der Reitschule kaum noch Krawall gemacht in der Stadt Bern. "Die Zeiten, als sich gewalttätige Demonstranten in die Reitschule zurückgezogen haben, sind seit zwei Jahren vorbei", sagt Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Zudem seien die Attacken gegen Polizei, Sanität und Feuerwehr, wie sie früher aus der Reitschule heraus getätigt wurden, deutlich zurückgegangen. Der Kommandant der Sanitätspolizei, Peter Salzgeber, bestätigt dies: "In den letzten Jahren rückten wir immer ohne Polizeischutz auf den Vorplatz aus."

 Auf ebendiesem Vorplatz hat der Stadtberner Sicherheitspolitiker und FDP-Grossrat Philippe Müller nach mehreren Augenscheinen festgestellt: "Die Dealer- und damit die Drogenszene haben abgenommen."

 Anders siehts Erich Hess: "Es ist so schlimm wie immer dort, und es hat Dealer und Drogensüchtige, und es kommt immer wieder zu Übergriffen gegen die Polizei." Erst nach wiederholtem Nachfragen räumt er ein, dass sich die Situation in letzter Zeit wohl etwas entschärft habe. Als Grund dafür erwähnt Hess die Schliessungs-Initiative. "Diese schwebt wie ein Damoklesschwert über der Reitschule. Eigentlich sollte ich in regelmässigen Abständen eine neue lancieren."

 Für die Mediengruppe der Reitschule kontert Tom Locher: "Da schmückt sich Erich Hess wieder einmal mit fremden Federn." Viel mehr als mit der Initiative habe die Entwicklung auf dem Vorplatz mit den sogenannten Stadtgesprächen zu tun. Auch Reto Nause sagt: "Seit der Dialog zwischen den Behörden und der Reitschule strukturiert wurde, hat sich die Situation entspannt." Die Reitschüler schenkten dem Sicherheitsaspekt mehr Beachtung, sagt Nause. Polizeisprecher Michael Fiechter fügt an: Das Kontakttelefon zwischen Polizei und Reitschulbetreibern funktioniere "in aller Regel gut". Ausnahmen von der Regel gibts offenbar nach wie vor. In den Worten von Reto Nause tönt das so: "Die Zusammenarbeit könnte noch besser sein. Aber es entwickelt sich in eine gute Richtung."

 Bekenntnis der Reitschüler

 Bleibt die Frage nach der Zukunft: "Wer für die Zeit nach der Abstimmung bereits neue Krawalle heraufbeschwört, betreibt Spekulation", sagt Nause. Klar, ausschliessen könne er eine solche Entwicklung nicht. "Doch es fehlen Zeichen und Fakten, die diese These stützten."

 Die Reitschulbetreiber schreiben in einer E-Mail an die Redaktion dieser Zeitung: "Wenn wir unseren Freiraum schützen wollen, müssen wir auch selber sorgfältig damit umgehen." In den letzten Jahren hätten sie deshalb wiederholt darauf hingewiesen, dass die Reitschule kein Ort für Strassenschlachten zwischen einigen Hitzköpfen sein will - sei es bei den Demonstrierenden oder bei der Polizei. "Selbstverständlich wollen wir diesen Freiraum auch gegen die mafiösen Strukturen des Drogenhandels verteidigen."

 Nagelprobe steht bevor

 Solch versöhnliche Worte seien in den letzten 20 Jahren mehrmals gefallen, sagt Philippe Müller. "Leider blieben die Taten bisher aus. Nach der Abstimmung werden wir sehen, wie ernst es den Reitschülern diesmal ist."

 Die erste Nagelprobe stehe mit der Antifa-Demo vom 2. Oktober bevor. Zwar wird dieser Umzug nicht von der Reitschule, sondern vom Bündnis Alle gegen rechts organisiert. "Doch die ruhigen letzten Jahre haben gezeigt, dass die Reitschüler durchaus Einfluss auf die radikalen Gruppen in ihrem Umfeld haben", sagt Müller. Er traut den Betreibern durchaus zu, dass sie endlich Erwachsen werden und ihre Versprechen einhalten. "Ich wäre aber auch nicht überrascht, wenns wieder anders kommt."

Tobias Habegger

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Bund 9.9.10

Leserbrief "Die Reitschule sollte erwachsen werden", "Bund" vom 4. September


 Es gibt wichtigere Probleme als die Mediengruppe

 Als ehrenamtlich arbeitendes und unter anderem auf Medienanfragen antwortendes 8-köpfiges Kollektiv müssen wir leider unsere Brötchen mit Jobs jenseits der Medienwelt verdienen. Und da kann es selten mal geschehen, dass nicht wie üblich innert weniger Stunden eine Antwort kommt, sondern dass halt gerade niemand verfügbar für Medienantworten ist, weil der/die Monatsverantwortliche und alle anderen gerade mit Job und/oder Ausbildung beschäftigt sind.

 Mal ehrlich: Gäbe es nicht dringendere Themen in dieser Stadt als die Reitschule und deren Mediengruppe? Beispielsweise (Jugend-)Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Sozialabbau, die immer grösser werdende Ausgrenzung von nicht ins "Schema" passenden Menschen, der Verlust von Freiräumen durch den obrigkeitlichen Kontroll- und Verreglementierungswahn, die unter den Teppich gekehrten gesundheitspolitisch und menschlich katastrophalen Folgen der repressiven Drogen- und Vertreibungspolitik oder die verzweifelte Situation von illegalisierten Migrant(innen)?

 Leider beobachte ich in den letzten Jahren die zunehmende Tendenz von vielen Parteipolitiker(innen) und teilweise auch von Medienschaffenden, anstatt "erwachsen" konstruktive und realistische Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten, lieber möglichst viele reisserische Schlagzeilen und populistischen Klamauk anzustreben. Zum Beispiel mit abstrusen Forderungen gegenüber der Reitschule, die in den letzten Monaten und Jahren nicht nur von SVP-Seite zu hören waren.

 Als "Bund"-Leser und Medien-Kollege empfehle ich der "Bund"-Lokalredaktions-Chefetage, aber auch Parteipolitiker(innen), dringend mehr "Herzeli" zu zeigen - für die wirklich wichtigen Probleme in dieser Stadt, aber auch für die Reitschule und deren Mediengruppe. Denn auch "Bund"-Redaktionsleiter(innen) und Parteipolitiker(innen) tragen dazu bei, dass sie infrage gestellt werden.

 Tom Locher Mitglied Mediengruppe Reitschule Bern

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Bund 8.9.10

Reitschule: Stadt-FDP fährt Slalom


 Die Parteiversammlung der FDP Stadt Bern hat sich gestern beim Thema Reitschule mit klarer Mehrheit ins Schlepptau der SVP begeben: Mit 38 Ja gegen 9 Nein bei zwei Enthaltungen beschloss sie die Ja-Parole zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule", über die das Stadtberner Volk am 26. September abstimmen wird.

 Betrachtet man die Parolen der liberalen FDP zum libertären Kulturzentrum über längere Zeit, ergibt sich ein Slalomkurs mit weiten Schwüngen: 1999 Nein zur Sanierung der Reitschule, 2000 Ja zu deren Umwandlung in ein Shoppingzentrum, dann aber 2005 in einer Spitzkehre Nein zu einer Anti-Reitschulinitiative - und nun also wieder Ja zu einer solchen. "Die Partei hatte schon immer ein zwiespältiges Verhältnis zur Reitschule", räumt Parteipräsidentin Dolores Dana ein. Um diese Schizophrenie angemessen abzubilden, hatte die Stadtratsfraktion Stimmfreigabe empfohlen. Dana: "Damit hätten wir gezeigt, dass dies nicht unser Krieg ist." Doch bei der Basis schwappte der Ärger über die Reitschule hoch. Mit der Ja-Parole sitzt die FDP nun - anders als BDP und CVP - erneut im Seitenwagen der SVP. (st)

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Bund 8.9.10

Kurz Reitschul-Initiative

 Berner EVP ist gegen die Reitschule-Initiative

 Die EVP der Stadt Bern lehnt die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab, wie die Partei gestern in einem Communiqué mitteilte. Die EVP begründet ihre Haltung damit, dass es in der Reitschule Nischen gebe, die in der Stadt Bern nicht fehlen dürften. In zahlreichen Gruppen werde engagierte Freiwilligenarbeit geleistet. Zudem bestünden in der Reitschule Freiräume für alternative Kulturangebote. Auch "Menschen, denen unsere durchstrukturierte Welt Mühe bereitet", fänden in der Reitschule einen Platz. Für die EVP sei klar, dass in und um die Reitschule "nur eine kleine Minderheit von Personen Probleme" verursache. Über die Initiative stimmt die Berner Bevölkerung am 26. September ab. (pd)

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BZ 8.9.10

FDP

 Ja zum Verkauf der Reitschule

 Die FDP der Stadt Bern hat der Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" zugestimmt. Weil sich die Reitschule seit Jahren weigert, sich von der Antifa-Bewegung zu distanzieren und nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf gewährt. Der Finanzierung der öffentlichen Räume im Wankdorf City wurde ebenfalls zugestimmt.
 pd

 SD

 Ja für Schliessung der Reitschule

 Die Schweizer Demokraten (SD) empfehlen ein Ja zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule". Nur mit einem Verkauf könne dem Trauerspiel ein Ende gesetzt werden. Die linksgrüne Stadtregierung hätschele und bezahle so einen Hort autonomer Politik, deren Gewalttaten sich auch gegen die Stadtregierung wende. Die SD befürwortet auch die Kreditaufstockung für die öffentlichen Räume im Wankdorf City.
 pd

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Langenthaler Tagblatt 8.9.10

FDP Bern klar für Reitschul-Initiative

 Als Erich J. Hess vor zwei Jahren die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden" lancierte, war es nur die Sektion Kirchenfeld der Berner Freisinnigen, die das Ansinnen unterstützte (vgl. Ausgabe vom 30. August). An der Parteiversammlung vom Montagabend haben die Delegierten der FDP Stadt Bern nun aber mit 38 Ja zu 9 Nein (bei 2 Enthaltungen) klar beschlossen, den Stimmbürgern am 26. September das Volksbegehren zur Annahme zu empfehlen. Laut einer Mitteilung wurde vorab kritisiert, die Reitschule biete "nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf". Für einmal ergibt der Parolenspiegel damit ein neues Bild: Alle Stadtberner Parteien ausser der FDP und SVP stellen sich gegen die Initiative und somit hinter das alternative Kulturzentrum. (sat)

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BZ 8.9.10

Leserbriefe


 "Die Reitschule wird nur schöngeredet"

 Diverse Artikel zur Reitschule-Abstimmung

 Im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. September wird die Reitschule schöngeredet, und es wird vom angeblich kostengünstigen "Kultur"-Angebot in den höchsten Tönen geschwärmt. Tatsache ist aber leider, dass eine winzige Minderheit unverfroren bestimmt, was "Kultur" ist. Und dafür soll die grosse Mehrheit - die Steuerzahler - bis in alle Ewigkeit zahlen, obwohl sie diesen rechtsfreien Raum in der Reitschule ablehnt. Für Kriminelle ist die Reitschule ein staatlich finanziertes Schutzareal. Zudem wird dort ein Gedankengut gepflegt, das auf die totale Ablehnung der Berner und Schweizer Behörden abzielt. Beenden wir deshalb dieses absurde "Kultur"-Experiment! Wer Anarchie und Drogenkonsum predigt, soll seine Propaganda wenigstens selber bezahlen.

Hans Mäder Zollikofen


"Schlussstrich"

 Im 19. Jahrhundert existierten in fast allen grösseren Städten Europas Reithallen. Sie dienten als Stallungen für Pferde, Einstellhallen für Kutschen und Schulen für Mensch und Tier. Mit der Ablösung der Pferdekutschen durch das Auto wurden die Reithallen nicht mehr benötigt, und die meisten wurden abgerissen oder umgebaut. Aber nicht alle Reithallen verschwanden. Das beste und schönste Beispiel ist die Reithalle in Wien, die die Spanische Reithofschule beherbergt, zum Weltkulturerbe gehört und die Hauptattraktion für Tausende von Touristen jährlich ist. Im Gegensatz steht die Berner Reithalle. Gelegen in der Nähe des Hauptbahnhofs Bern, vermittelt die Reithalle Zugreisenden, Touristen wie Einheimischen, den ersten Eindruck von Bern: verwahrlost, verschmutzt, verschandelt, verschmiert. Erstellt 1887, wurde die Reithalle nicht abgerissen und nach 1937 als Lagerhalle benutzt. In den 80er-Jahren während der Jugendkrawalle wurde die Reithalle von rebellischen Jugendlichen besetzt, mehrmals geräumt, wieder besetzt und schliesslich 1987 zum Autonomen Kultur- und Begegnungszentrum hochstilisiert. Trotz der damals wie heute immer noch herrschenden Missstände (rechtsfreier Raum, Drogen, Gewalt, Ausgangspunkt und Rückzugsort autonomer Demonstrationen) wird das Autonome Begegnungszentrum vom Berner Stadtparlament geduldet und finanziell unterstützt. Die Stadt lässt sich den Erhalt der Reithalle etwas kosten, die Sanierungsarbeiten kosteten 13 Millionen Franken, und die jährliche Subventionierung für Wasser, Miete, Strom, Elektrizität, Abfallentsorgung beläuft sich auf über 600 000 Franken. Dazu kommt noch, dass die gültigen Leistungsvereinbarungen nicht eingehalten werden.

 Es muss ein Schlussstrich unter die Reithalle und das Autonome Kulturzentrum gezogen werden. Es kann nicht sein, dass aus ideologischen Gründen unserer Stadt unzumutbarer Schaden zugefügt wird, kulturell wie finanziell. Deshalb Ja zum Verkauf der Reithalle.

 Dr.med. Olena Geissbühler

 Alt-Stadträtin ehemalige Bümplizerin

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Telebärn BZ-Talk 2.9.10

Schliessung und Verkauf der Reitschule?

Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner über die Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Ist die Reitschule ein Hort von Gewalt und Extremismus? Oder eine aus Bern nicht wegzudenkende, wichtige Kultur-Institution?

Gäste:
- Rahel Ruch, Junge Alternative JA!
- Erich Hess, Präsident JSVP

Moderation:
- Stefan Geissbühler, Newschef BZ

http://www.bernerzeitung.ch/region/dossier/bztalk/Schliessung-und-Verkauf-der-Reitschule/story/27513066

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bernerzeitung.ch 7.9.10

FDP Bern befürwortet Verkauf der Berner Reitschule

sda / vh

 Die FDP der Stadt Bern befürwortet die Volksinitiative, welche die Schliessung und den Verkauf der Berner Reitschule an den Meistbietenden fordert.

 Die Stadtpartei fasste am Montagabend die Ja-Parole, wie sie am Dienstag mitteilte.

 Nach "eingehender Diskussion" hätten 38 Mitglieder für ein Ja zur Initiative der Jungen SVP gestimmt, 9 dagegen und zwei Personen hätten sich der Stimme enthalten, heisst es weiter. Die FDP habe sich vor allem deshalb für die Ja-Parole entschieden, weil sich die Reitschule "seit Jahren" weigere, sich von der Antifa-Bewegung zu distanzieren.

 Auch gewährten die Betreiber des autonomen Kulturzentrums "nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf", schreibt die FDP. Die Initiative kommt am 26. September vors Volk.

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fdp-stadtbern.ch 6.9.10

Parolenfassung der FDP. Die Liberalen Stadt Bern für die Gemeindeabstimmung vom 26. September 2010

Die FDP. Die Liberalen Stadt Bern hat an ihrer Parteiversammlung vom 6..9.2010 die folgenden Beschlüsse gefasst:

- Die Finanzierung der öffentlichen Räume im WankdorfCity; Kreditaufstockung wurde mit 42 Ja und 2 Enthaltungen zugestimmt
Die Kreditaufstockung wird für den Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf und im Hinblick auf die Stadtentwicklung als wichtig erachtet.

- Die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!" wurde mit 38 Ja, 9 Nein und 2 Enthaltungen zugestimmt
Nach eingehender Diskussion überwog der Umstand, dass sich die Reitschule seit Jahren weigert, sich von der Antifa Bewegung zu distanzieren und nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf gewährt, so dass sie sich der Polizeiverfolgung entziehen können.

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BZ 7.9.10

Reitschule Bern

 Viel Kultur für relativ wenig Geld


 Wie sieht das Kulturangebot der Reitschule aus? Und wie viel kostet es den Steuerzahler? Ein Überblick vor der Abstimmung.

 Mit dem Werbespruch "Die Reitschule bietet mehr" wehren sich die Reitschüler gegen die SVP-Initiative vom 26. September, die den Berner Kulturort an den Meistbietenden versteigern will. Aber trifft dieser flotte Slogan tatsächlich zu? Das Angebot der Reitschule ist vielfältig: Konzerte, Partys, Theater, Filme, Performances, Flohmärkte, Kinder- und Sportveranstaltungen werden von bis zu 115 000 Interessierten pro Jahr besucht.

 Die Reitschule ist damit die einzige Berner Kulturinstitution, die so viele verschiedene Kultursparten unter einem Dach vereint. Und dies erst noch zu einem vernünftigen Preis: Die Berner Steuerzahler kostet die Reitschule rund 665 000 Franken jährlich, wovon der grösste Teil an die Mietkosten geht, die die Stadt übernimmt. Zum Vergleich: Das Stadttheater kostet die Stadt Bern jährlich über 9 Millionen Franken. Der Eigenfinanzierungsgrad der Reitschule ist mit über 50 Prozent ebenfalls höher als bei den meisten Berner Kulturinstitutionen.
 lm

 Seite 23

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Abstimmung Reitschule-Initiative

 Von Heavy Metal bis Power-Yoga


 "Wir bieten mehr": So wirbt die Reitschule in eigener Sache im Vorfeld der Abstimmung über die SVP-Initiative. Doch was genau bietet die Reitschule? Viel alternative Kultur für relativ wenig Geld von der öffentlichen Hand.

 "Die Reitschule bietet mehr." Es ist die ideale Antwort auf die SVP-Initiative, die die Reitschule an den Meistbietenden versteigern will. Gleichzeitig schreit dieser flotte Werbespruch geradezu danach, das kulturelle Angebot in der Reitschule genauer unter die Lupe zu nehmen. Heisst "mehr bieten" einfach "Kultur bieten"? Oder bietet die Reitschule gar mehr Kultur als andere Berner   Veranstalter? Das Kulturangebot der Reitschule ist jedenfalls breit gefächert - von Konzerten über Stangentanz bis zu Kinderveranstaltungen -, und das Reitschule-Gebäude ist weitläufiger, als manch einer ahnen mag. Eine Übersicht:

 Dachstock: Bis zu 750 Leute können hier Konzerte und Partys besuchen. Schweizer Rock-, Pop- und Hip-Hop-Grössen treten genauso wie internationale Bands auf, und angesagte Berner Musiker, zuletzt Steff La Cheffe und Greis, taufen hier ihre Platten. Jährlich finden rund 100 Veranstaltungen statt, die von 50 000 Leuten besucht werden.

 Tojo-Theater: Hier erhält der Schweizer Nachwuchs aus den Sparten Theater, Tanz, Performance und Kleinkunst eine Plattform. Letztes Jahr kamen über 10 000 Zuschauer. Die meisten Aufführungen sind Gastspiele.

 Kino Reitschule: In diesem kleinen Kinosaal werden thematische Filmzyklen gezeigt, wobei der Fokus auf heimischem Schaffen und dem Dokumentarfilm liegt. Zurzeit läuft die Krimireihe "Tatort Reitschule". Auch Filmfestivals finden hier statt, etwa das schwul-lesbische "Queersicht".

 Rössli-Bar: Das Musikprogramm ist eher experimentell, meist finden im Rössli Konzerte der etwas exzentrischen Art statt, von Heavy Metal über Worldmusic bis Hip-Hop.

 Frauenraum: Zwar gibt es nach wie vor Veranstaltungen speziell für Frauen (Disco), aber die meisten Konzerte, Lesungen, Theater oder Performances sind für beide Geschlechter offen, sowohl auf der Bühne wie im Zuschauerraum.

 Grosse Halle: Dieser Raum bietet Platz für 2300 Leute. Er kann gemietet werden und wird entsprechend multifunktional genutzt: Grosse Technopartys und Konzerte (Kraftwerk, Chemical Brothers) gehen hier genauso über die Bühne wie Stummfilmvertonungen, Veranstaltungen für Kinder und Flohmärkte. Im letzten Jahr hatte die Grosse Halle rund 30 000 Besucher.

 Dojo: Auch Sport gehört in die Reitschule - von Selbstverteidigung Wing Tsun über Power-Yoga bis Pole-Dance, dem trendigen Tanz an der Stange.

 Sous le Pont: Das kollektiv betriebene Restaurant serviert bioausgerichtete Küche.

 Schreinerei/Druckerei: Kleinere Unterhaltsarbeiten werden in der hauseigenen Schreinerei erledigt, die auch externe Aufträge annimmt - wie die Druckerei, wo die Hauszeitung "Megafon" gedruckt wird.

 Infoladen: Neben Infomaterial findet man hier eine kleine Bibliothek und kann Vorträge besuchen.

 Hohe Eigenfinanzierung

 All dies kostet die städtischen Steuerzahler rund 665 000 Franken jährlich, wovon der grösste Teil an die Mietkosten geht, die die Stadt übernimmt (siehe Tabelle). Der Eigenfinanzierungsgrad der Reitschüler ist mit über 50 Prozent entsprechend hoch - auch im Vergleich zu anderen Berner Kulturinstitutionen (siehe Box). Wie ist das möglich? Während zum Beispiel das Berner Symphonieorchester Eigeneinnahmen in erster Linie aus Eintritten und Sponsoring generiert, kann sich die Reitschule überdies mit der Raumvermietung und dem Barbetrieb finanzieren. Letztere Einnahmen werden hausintern möglichst solidarisch aufgeteilt. Zudem arbeiten viele Freiwillige im Reitschule-Betrieb mit.

 Für jüngeres Publikum

 Bleibt die Frage nach der Konkurrenz. Denn insbesondere mit der Dampfzentrale und dem Veranstalter bee-flat bestehen im Konzertbereich Überschneidungen. Sabine Ruch vom Dachstock der Reitschule ist sich dieser Situation bewusst. Doch gleichzeitig betont sie: "Wir graben uns gegenseitig nicht das Publikum ab. Die Konkurrenz beschränkt sich auf einige wenige Musikacts, und meist sprechen wir uns im Vorfeld untereinander ab."

 So betrachtet ist der Slogan "Die Reitschule bietet mehr" vielleicht etwas kühn. Tatsache aber ist, dass es in Bern keinen anderen Ort gibt, der so viele verschiedene Kultursparten unter einem Dach vereint. Vor allem für ein jüngeres Publikum bietet die Reitschule ein attraktives Angebot, und dies - verglichen mit anderen Berner Kulturinstitutionen - für relativ wenig Steuergeld.

Lucie Machac

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 Eigenfinanzierungsgrad

 Kultur ohne Subventionen gibts kaum

 Gute Kultur sei Kultur, die sich selber finanziert, also ohne Subventionen auskommt: So wirbt SVP-Grossrat Erich Hess für seine Initiative zur Schliessung der Reitschule. So betrachtet müsste praktisch jeder Kulturbetrieb in Bern schliessen. Allen voran die hoch subventionierten Häuser der Hochkultur: So deckte zum Beispiel das Stadttheater letzte Saison bloss 21,5 Prozent seiner Aufwände mit eigenen Erträgen; den grossen Rest machen die Subventionen von 23,8 Millionen Franken aus. Die Reitschule mit ihren 665 750 Franken Subventionen weist demgegenüber einen Eigenfinanzierungsgrad von über 50 Prozent aus. Auch mit der Reitschule vergleichbare Häuser geschäften weniger rentabel: Die Dampfzentrale etwa erreicht einen Eigenfinanzierungsgrad von 44 Prozent.
 azu

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Bund 4.9.10

Leitartikel

Die Reitschule trägt dazu bei, dass sie infrage gestellt wird. Die Anti-Reitschul-Initiative muss trotzdem abgelehnt werden.

 Die Reitschule sollte erwachsen werden


Bernhard Ott

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern zum fünften Mal innerhalb von zwanzig Jahren über das Kultur- zentrum Reitschule ab. Die vier Anti-Reitschul-Begehren waren chancenlos. Einzig den Sanierungskredit hiess das Volk vor elf Jahren nur äusserst knapp gut. Die Initiative zum Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden wird wohl erneut deutlich abgelehnt werden. Mit dem Profilierungsbedürfnis von Rechtsaussen-Politikern allein ist die wiederholt aufflammende Fundamentalkritik aber nicht erklärbar.

 Sicherheitsfrage als Knackpunkt

 Die Ursprünge des Sonderfalls Reitschule gehen zurück auf die Jugendbewegung Anfang der 1980er-Jahre, als in Bern, Basel, Zürich und Lausanne zentrale Liegenschaften besetzt und vorübergehend als autonome Jugendzentren betrieben wurden. Bern ist die einzige unter den genannten Städten, in der das Kulturzentrum in Bahnhofsnähe nach wie vor existiert.

 Allein schon die exponierte Lage bewirkt, dass die Vorgänge in und um die Reitschule seit je mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt werden. Bis im Jahr 2004 hatte die Reitschule auch rechtlich eine Sonderstellung. Mit dem damaligen Abschluss eines Leistungsvertrags mit der Stadt wurde der viel zitierte "rechtsfreie Raum" beseitigt. Seither erlässt die Stadt die Mieten und unterstützt die Trägerschaft der Grossen Halle mit einem Programmbeitrag. Der Gesamtwert der mehrheitlich indirekten Subventionierung beträgt an die 600 000 Franken pro Jahr.

 Im Gegenzug ist die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) verpflichtet, ein lebendiges Kulturangebot zu ermöglichen und die Sicherheitsvereinbarungen einzuhalten. Ersteres ist der Ikur zweifellos gelungen, wie zum Beispiel der Erfolg des Tojo-Theaters zeigt. Die Bühne macht wiederholt durch aufsehenerregende Produktionen von sich reden und bedeutete für einige Berner Theaterleute das Sprungbrett zu einer internationalen Karriere.

 Die Einhaltung der Sicherheitsvereinbarung hingegen bereitet der Ikur schon etwas mehr Mühe. Die Reitschulbetreiber haben lange nicht begriffen, dass die Performance ihres Hauses im Wesentlichen an der Sicherheitsfrage gemessen wird. Gewalt und Drogenhandel auf dem Vorplatz werden nun einmal mit dem Kulturzentrum in Verbindung gebracht - ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt.

 Dieser Sommer war erfreulich ruhig. Die Ruhe zeigt, dass die Reitschulbetreiber sehr wohl in der Lage sind, ihren Einfluss auf die selbst ernannten "antifaschistischen" Gruppierungen geltend zu machen, die unter ihrem Dach Gastrecht geniessen. So findet der krawallverdächtige antifaschistische Abendspaziergang heuer erst Anfang Oktober statt - eine Woche nach dem Abstimmungstermin. Die Organisatoren des Spaziergangs haben gegenüber dem "Bund" eingeräumt, dass das Datum der Abstimmung eine Rolle bei der Verschiebung gespielt habe. Misst man der Sicherheit oberste Priorität bei, müsste man sich die nächste Anti-Reitschul-Initiative nachgerade herbeiwünschen.

 Miserable Kommunikation

 Es kann aber auch sein, dass die Ende 2009 getroffene Vereinbarung über die Abläufe und die Kommunikation zwischen Stadt und Reitschule greift. Die Ungewissheit über den Charakter des gegenwärtigen Friedens rührt an ein weiteres gravierendes Problem der Reitschule: das Kommunikationsproblem. Für Aussenstehende sind die Abläufe in der Reitschule eine Blackbox - der ideale Nährboden für Gerüchte.

 So war jüngst niemand in der Lage, Auskunft über die Schliessung und Besetzung der Reitschul-Cafeteria zu geben. Die Mediengruppe kommuniziert nur via Mail und geruht ihre Antworten erst mit ein- bis zweitägiger Verspätung zu geben. Ein solcher Auftritt gegen aussen ist unprofessionell und nicht dazu angetan, das Vertrauen zu fördern. Die Reitschulbetreiber sollten allmählich erwachsen werden und aufhören, sich gegen aussen als etwas Besonderes zu gebärden. Gegen innen sei ihnen die betriebene Politfolklore unbenommen. Am Tag, an dem die Reitschule zum "normalen" Kulturzentrum wird, werden auch die unsäglichen Anti-Reitschul-Initiativen der Vergangenheit angehören.

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Bund 4.9.10

Grüne Partei sagt zweimal Nein am 26. September


(pd)

 Die Grüne Partei Bern lehnt sowohl die SVP-Initiative zum Verkauf der Reitschule als auch den 25-Millionen-Kredit für die Aussenraumgestaltung der Wankdorf City ab. Die Reitschule habe sich "zu einem weit über die Stadt Bern hinaus strahlenden Ort der politischen Diskussionen und kulturellen Aktivitäten entwickelt", schreibt die Partei. Zur Wankdorf City meint sie: "Der Bau einer am Tag sterilen und am Abend öden Bürostadt widerspricht allen zeitgemässen städtebaulichen Grundsätzen. Das reine Wachstumsprojekt verstärkt das Ungleichgewicht zwischen Wohn- und Arbeitsplätzen in Bern."

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BZ 4.9.10


Juso Stadt Bern

 Stimmrecht auch für Ausländer


 Die Stadtberner Jungsozialisten (Juso) sagt Nein zur Reitschule-Initiative und zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Dagegen befürwortet die Juso die Initiative "Zäme läbe - zäme stimme". Sie will Gemeinden ermöglichen, Ausländern das kommunale Wahl- und Stimmrecht zu geben.
 pd

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 Grüne Partei Bern

 Nein zu


 Wankdorf CityDer Zusatzkredit für die Bürostadt Wankdorf City sticht der Grünen Partei Bern in die Nase. Sie empfiehlt deshalb, die 25 Millionen Franken abzulehnen. Ebenso ein Nein empfiehlt sie zur Reitschule-Initiative der SVP. Für die kantonale Vorlage "Zäme läbe - zäme stimme", eine Volksinitiative für das fakultative Stimmrecht für Ausländer, empfiehlt die Partei demgegenüber ein Ja.
Pd

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Landbote 4.9.10

"Erich, warum bisch du nid ehrlich?"


 Barbara Spycher

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative zur Schliessung der Reithalle ab. Mit dem Kult-Türken Müslüm, der mit seinem Reithalle-Song die Hitparade stürmt, erhielt die Gegnerschaft unerwartete Unterstützung.

 BERN - Nur die Augen erinnern bei ihm an Müslüm. Der struppige Schnauz ist weg, das rosa Jacket ist einem schwarzen gewichen, und wenn er spricht, ist sein Berndeutsch akzentfrei. Semih Yavsaner, 30, ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die Reithalle-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten, SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für Weihnachten vorgesehen.

 Müslüms Liebesbotschaft

 Doch dann kam alles anders: Müslüm, der linkische Türke mit starkem Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli" singt sich in die Herzen der Schweizer. Über 260 000 Mal wurde der Song auf Youtube bereits angeklickt, ab Sonntag setzt er zum Sturm in der Hitparade an. Yavsaner selber wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für weitere politische Anliegen gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die Leute stattdessen zu Weihnachten mit einer musikalischen Liebesbotschaft beglücken. Denn das ist Müslüms Hauptsorge: "Wo isch de Liebe gebliebe?"

 Bis zur Abstimmung am 26. September aber engagiert sich Müslüm noch mit Leib und Seele für die Reithalle. Bis dann hat Yavsaner andere kommerzielle Angebote abgelehnt, um die Glaubwürdigkeit von Müslüm nicht zu gefährden. Das alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein echtes Anliegen. "In unserer Gesellschaft ist vieles so gleichförmig - die Reithalle ist ein wichtiger Gegenpol."

 Gegen das Schubladendenken

 Und was antwortet Yavsaner auf Erich Hess Frage, warum er die Missstände in der Reithalle nicht sehen wolle? Yavsaner reagiert genervt: "Welche Missstände?" Müslüm hingegen antwortet gelassen: "Zersch studiere, denn schubladisiere." Wieder übernimmt Yavsaner: Wenn man Hess von "Terroristen" sprechen höre und die Reithalle nur von aussen sehe, passe sie in diese Schublade. Aber: "Schaut zweimal hin, macht euch ein eigenes Bild." Er stört sich daran, dass Erich Hess und die SVP dieses "Schubladen-Denken" bediene. Bei der Reithalle, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist auf dem Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in Bern aufgewachsen ist. Seine Eltern kamen als türkische Gastarbeiter in die Schweiz. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau gleich und geben uns Mühe, etwas beizutragen."

 Müslüms nächster Beitrag wird das Weihnachtsalbum sein, der Plattenvertrag ist unterschrieben, was danach kommt, weiss Semih Yavsaner noch nicht. Im Sommer hat er seine Stelle als Moderator und Produzent bei einem Zürcher Privatradio aufgegeben. Dort waren auch Müslüms Telefonscherze zu hören. Dabei offenbart sich ein weiteres Talent Yavsaners. Als Müslüm bewirbt er sich telefonisch bei der Polizei - obwohl er vier Jahre im Gefängnis sass wegen eines Raubüberfalls. Das Beeindruckende daran: Die Angerufenen legen nicht auf, sondern steigen ein auf minutenlange, skurrile Gespräche mit diesem schrägen Vogel.

BARBARA SPYCHER

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 "Dealer-Hort"

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative Berner Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei. Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen. Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Parteien das Anliegen ab: Die kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber durchaus Verbesserungspotenzial bei den Strukturen der Reithalle: Die Stadt brauche klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen wird. In den vier bisherigen Abstimmungen zur Reithalle hat sich das rot-grüne Bern stets hinter das alternative Kulturzentrum gestellt. (spy)

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20 Minuten 3.9.10


Reitschule: Kampf geht in letzte Runde

 BERN. Selten wurde in Bern ein Abstimmungskampf so hart ausgefochten wie
der um die Reitschule - und die Kontrahenten von links und rechts geben
nochmals richtig Gas. Weil die Gegner um Thomas Fuchs am 26. September mit
einem knappen Entscheid rechnen, stocken sie ihr Budget nun erneut um 10 000
Franken auf. Damit wollen sie eine Inseratekampagne mit Comics von "Bärni,
dem Strassenfeger" mitfinanzieren. "Wir probieren es jetzt auch auf die
lustig-lockere Art", so Fuchs. Bärni wischt "den Dreck und den
linksautonomen Terrorismus" vom Reitschulgelände.

 Der Reitschule ihrerseits haben mittlerweile über 50 Kulturbetriebe aus der
ganzen Schweiz ihre Unterstützung zugesichert, die sich am kommenden Samstag
am Solidaritätstag für den Erhalt des Gebäudes einsetzen. Zudem gibt es ab
morgen öffentliche Führungen durch die Räumlichkeiten.  big

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Bund 3.9.10

GFL steht hinter dem "Dauerexperiment Reitschule"

 Die Grüne Freie Liste (GFL) Stadt Bern lehnt die Initiative "Schliessung
und Verkauf der Reitschule" ab. Die GFL stehe seit Anbeginn hinter dem
gesellschaftlich und kulturell erfolgreichen "Dauerexperiment Reitschule".
Die Reitschule biete mehr, als bei einem Verkauf je zu gewinnen wäre. Für
die zweite städtische Vorlage vom 26. September (Kredit Wankdorf City)
empfiehlt die GFL die Ja-Parole. Es sei "richtig und wichtig", dass eine
nachhaltige Stadtentwicklung an einem zentralen, vom öffentlichen Verkehr
hervorragend erschlossenen Ort stattfinde. (pd)

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BZ 3.9.10

Grünliberale

 Nein zum Verkauf der Reitschule


 Die Grünliberalen haben ihre Parolen für die städtischen Abstimmungen vom
26. September gefasst: Sie sagen Nein zum Verkauf der Reitschule, weil diese
ein urbanes, vielseitiges Kulturangebot mit grosser Innovationskraft und
Ausstrahlung weit über die Stadt hinaus biete. Ja sagt die Partei zur
Kreditaufstockung für die Gestaltung der öffentlichen Räume der Wankdorf
City.
 pd

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 EVP

 Ja zur Gestaltung Wankdorf City


 Die EVP Stadt Bern hat an ihrer Parteiversammlung eine einstimmige
Nein-Parole zur Reitschule-Initiative der SVP gefasst. Für die EVP ist klar,
dass in und um die Reitschule wie übrigens auch bei Sportanlässen nur eine
kleine Minderheit von Personen Probleme verursacht, deren Handhabung mit dem
neuen Leistungsvertrag von 2011 zwischen Stadt und Reitschule-Betreibern zu
regeln ist. Zur Kreditaufstockung für die Gestaltung des Aussenraumes der
Wankdorf City sagte die EVP mehrheitlich Ja.
 pd

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 Junge SVP

 Ja zum Verkauf der Reitschule


 Die Junge SVP Kanton Bern hat einstimmig die Ja-Parole zur
Reitschule-Initiative beschlossen. Für die Nationalratswahlen kandidiert die
Junge SVP mit vier Parteimitgliedern. Für die Stadtberner Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule" wurde die Ja-Parole gefasst. Nach
Ansicht der Jungen SVP ist die Reitschule ein Rückzugsort für Kriminelle und
gewaltbereite Demonstranten. Dieser rechtsfreie Raum dürfe nicht toleriert
werden.
 pd


---

St. Galler Tagblatt 3.9.10

Der Terroristenschreck von Bern


 SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen Zweihänder aus - nun
wird er selber Zielscheibe eines Songs. Er nimmt's gelassen und kämpft
weiter gegen den "Schandfleck" Reithalle.

 Barbara Spycher

 Bern. Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt: Ihm ist ein
Song gewidmet worden. Über 260 000 haben auf YouTube bereits geschaut, wie
Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" "Erich, warum
bisch du immer so aggressiv?" "Erich, hesch du keini Liebi becho?" Und
spielt damit auf die Aussagen von Jung-SVP-Politiker Hess an, wonach die
Berner Reitschule ein Hort von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei.
Deshalb will Hess das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden
versteigern (siehe Kasten). Am 26. September stimmen die Berner über diese
Initiative ab.

 "Henusohaut"

 Erich Hess nimmt gelassen, dass er von Müslüm verhöhnt wird. Die Melodie
sei "noch ansprechend", der Text "henusohaut", es gelte freie
Meinungsäusserung. Allerdings sei die Frage falsch gestellt: "Mir wird
privat oft vorgeworfen, ich sei zu direkt und zu ehrlich." Die Frage müsste
eigentlich lauten: "Erich, warum bisch du so ehrlich?" Er sei auch nicht
aggressiv, sondern eher ein ruhiger Mensch. Er vertrete politisch aber viele
unbequeme Themen, was die Linken vielleicht als "aggressiv" bezeichnen
würden.

 Tatsächlich fällt Hess oft mit verbalen Grenzüberschreitungen auf. Das
Berner Kulturzentrum "Progr" bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse
und Tagediebe", in der Reithalle gebe es "Terroristen" und "mafiöse
Strukturen", Asylbewerber hatte er mit Ameisen verglichen. Hess provoziert
auch mit Aktionen wie jener von letztem Sommer, als er eine SVP-Hotline
gegen Sozialhilfemissbrauch installierte. Er rief die Bevölkerung auf, dort
Bekannte oder Nachbarn zu denunzieren, bei denen sie Sozialhilfemissbrauch
vermuteten.

 Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und bleibt selbst im schicken
Nadelstreifenanzug sich selber: ein 29jähriger Lastwagenfahrer und
Politiker, im Emmental aufgewachsen, der Alphorn, Schwyzerörgeli, Hackbrett
und Fahnenschwingen anderen kulturellen Darbietungen vorzieht. In der
Politik geht es rasch aufwärts mit Hess: Die letzten sieben Jahre hat er im
Berner Stadtparlament politisiert, jetzt wurde er ins Kantonsparlament
gewählt. Seit zweieinhalb Jahren ist er Präsident der Jungen SVP Schweiz.
Als solcher hat er auch schon die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die
SVP-Spitze war gegen ein Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit, also
sammelte Hess mit der Jungen SVP die Unterschriften. Im Abstimmungskampf
schwenkte die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.

 "Unhaltbare Zustände"

 Mit der fünften Abstimmung über die Reithalle dürfte er im rot-grünen Bern
aber keinen Erfolg haben. Ist diese Initiative Zwängerei oder
Selbstprofilierung, Herr Hess? Weder noch, meint der Initiant, aber die
letzte richtige Schliessungs-Initiative liege 20 Jahre zurück. Die Zustände
in der Reithalle seien unhaltbar, alle gewalttätigen Demos etwa würden aus
der Reithalle organisiert. Würde sie geschlossen, "wird Bern nicht zu einer
kulturellen Wüste", es gebe viele vergleichbare Angebote, findet Hess. Und
fragt Müslüm zurück: "Warum wosch du d Missständ nid gseh?"

--

 Person

 Semih Yavsaner (Müslüm)

 Semih Yavsaner, 30, ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der es in
wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich,
warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD
gegen die Reithalle-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten,
SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für
Weihnachten vorgesehen. Doch dann kam alles anders: Müslüm, der linkische
Türke mit starkem Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli" singt
sich in die Herzen der Schweizer. Über 260 000mal wurde der Song auf YouTube
bereits angeklickt, ab Sonntag setzt er zum Sturm in der Hitparade an.
Yavsaner selber wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von
Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für weitere politische Anliegen
gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für
SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Bis zur Abstimmung am 26.September aber
engagiert er sich mit Leib und Seele für die Reithalle. (spy)

 "Reithalle versteigern"

 Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative "Schliessung
und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative Berner Kulturzentrum soll an
den Meistbietenden versteigert werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern
und Drogendealern" sei.

 Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude
entstehen soll, lassen die Initianten offen. Ausser SVP und FDP lehnen
sämtliche Berner Parteien, inklusive CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die
kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für
Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber durchaus Verbesserungspotenzial
bei den basisdemokratischen Strukturen der Reithalle: Die Stadt brauche
klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen wird.
In den vier bisherigen Umnutzungs- und Kreditabstimmungen zur Reithalle hat
sich das rot-grüne Bern stets hinter das 23jährige Kulturzentrum gestellt.
Dieses bietet Filmvorführungen, Theater oder Konzerte, beherbergt eine Beiz,
einen Frauenraum und Politgruppen. (spy)

--

Bund 2.9.10

GLP sagt Ja zur Kulturinstitution Reitschule


 Die Grünliberale Partei (GLP) der Stadt Bern empfiehlt für die Abstimmungen
vom 26. September ein Nein zum Verkauf der Reitschule und ein Ja zur
Kreditaufstockung Wankdorf City. Gemäss Mitteilung zeichnet sich die
"Kulturinstitution Reitschule" aus durch ein "urbanes, vielseitiges
Kulturangebot mit grosser Innovationskraft und Ausstrahlung weit über die
Stadt Bern hinaus". Die GLP erwartet von den Reitschulbetreibern allerdings
auch, "dass sie sich als verantwortliche und verlässliche Partner
verhalten". (pd)



Blick am Abend 1.9.10

Müslüm in der Hitparade


Hit -> Der Berner Komiker Müslüm stürmt auch die Schweizer Charts:
Zweitbester Neueinsteiger.

Von Youtube, über den iTunes-Store direkt in die Schweizer Hitparade. Ob
politisch motiviert, wegen der Reithallen-Abstimmung oder aus musikalischer
Überzeugung - die Menschen lieben Müslüm auch ausserhalb von Bern. Sein
Anti-SVP-Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" entert die Schweizer
Charts als zweitbester Neueinsteiger hinter dem grossen US-Rapper Usher -
Platz 46. In der Deutschschweizer Hitparade vom Sonntag figuriert der Hit
sogar auf Platz 34.
Müslüm ist begeistert, doch will er auf dem fliegenden Teppich bleiben: "Nur
weil ich jetzt in der Hitparade bin, macht mich das noch lange nicht zu
einem besseren Menschen. Viel wichtiger ist, dass wir miteinander Liebe
machen."
pp




Bund 1.9.10

Reitschule

Eine Idee ad absurdum geführt: Reitschule-Aktivisten versteigerten gestern
den Baldachin auf dem Berner Bahnhofplatz an den Meistbietenden. Christian
Brönnimann


 Verkauft für sechs Milliarden

 Führen Philosophen eine Aussage oder eine These "ad absurdum", dann zeigen
sie auf, dass aus ihr ein logischer Widerspruch folgt. Daraus schliessen
sie, dass die These unsinnig beziehungsweise unwahr ist. Wie eine solche
indirekte Beweisführung in der Praxis aussieht, demonstrierten Aktivistinnen
und Aktivisten aus dem Komitee "Reitschule bietet mehr" gestern Mittag auf
dem Berner Bahnhofplatz. In Anlehnung an die SVP-Initiative zum Verkauf der
Reitschule, über die am 26. September abgestimmt wird, inszenierten sie eine
- fiktive - Versteigerung des Baldachins. Ziel der unbewilligten Aktion:
sichtbar machen, wie "absurd" es aus ihrer Sicht ist, die Reitschule an den
Meistbietenden zu veräussern.

 Wer an der Versteigerung teilnehmen wollte, konnte sich ein Schild mit dem
Logo eines Weltkonzerns oder dem Konterfei eines SVP-Lokalpolitikers
schnappen und in deren Namen mitbieten. Schnell schnellte der fiktive
Kaufpreis auf fünf, zehn, hundert Millionen Franken. Passanten blieben
stehen und fragten sich kurz, ob auf dem "Vorplatz des Bahnhofs" (Zitat
Auktionator) tatsächlich ein Riesendeal eingefädelt wird - bis sie die
pinkfarbenen Reitschule-Flaggen am Auktionspodest erblickten. Derweil legten
die Bieterinnen und Bieter am Mikrofon dar, was sie mit dem Baldachin
anstellen möchten - neue Fenster für einen Firmenhauptsitz herstellen, zum
Beispiel. Erwartet wurden solche Ideen explizit nicht: "Sie müssen keinen
Plan haben, was sie mit dem Baldachin machen wollen. Das Höchstgebot reicht,
um ihn zu kaufen", mahnte der Auktionator mehrmals lauthals.

 Den Zuschlag erhielt zum Schluss übrigens ein Konsortium von UBS, BP und
weiteren Konzernen. Nach über einer halben Stunde war der Kaufpreis des
Baldachins auf "absurde" sechs Milliarden Franken gestiegen.



BZ 1.9.10

Bahnhofplatz

 Baldachin wurde "versteigert"


 Das Komitee "Reitschule bietet mehr" will in den nächsten Monaten das
Münster, den Zytglogge, das Bundeshaus und den Bärenpark versteigern. An der
gestrigen Versteigerungsaktion "Heute der Baldachin - morgen die
Reitschule?" auf dem Bahnhofplatz musste der Baldachin "dranglauben". Mit
dem höchsten Gebot an Herzblut habe das Komitee den Baldachin gleich selbst
ersteigert. Die Aktion sei ein "voller Erfolg" gewesen.
 pd



20 Minuten 1.9.10

Baldachin kommt "unter den Hammer"


 BERN. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, verkauft: Das Komitee
"Reitschule bietet mehr" hat gestern auf dem Bahnhofplatz den Baldachin
versteigert - allerdings nur symbolisch. Die Aktion ist Teil der
Mobilmachung gegen den Verkauf der Reitschule. Das Komitee will bis zur
Abstimmung am 26. September noch weitere Berner Wahrzeichen wie das Münster
oder den Bärenpark versteigern.  Foto: nc

BZ 1.9.10

"Subventionierter Terror"


 Die Reitschule bietet Kriminellen als rechtsfreier Raum nicht nur ein
"Versteck" vor der Polizei, sondern auch Kunst im Anblick des Grauens:
Abfall, der sich beim kleinsten Windstoss überall verteilt, verwahrloste
Junkies, Schlägereien, blutüberströmte Opfer. Das diese "Kultur" nur dank
Steuergeldern überlebt, wundert niemand und stört die Reitschüler noch
weniger. Nur Eigentümer der Reitschule können dafür zur Verantwortung
gezogen werden - deshalb ein Ja zur Reitschul-Initiative am 26. September
2010.

 Mirjam Stähli Bern

 

20min.ch 31.8.10


Bern


Baldachin kommt "unter den Hammer"Baldachin kommt "unter den Hammer"


Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, verkauft: Das Komitee "Reitschule

bietet mehr" hat am Dienstag auf dem Bahnhofplatz den Baldachin versteigert

- allerdings nur symbolisch.


Die Aktion ist Teil der Mobilmachung gegen den Verkauf der Reitschule. Das

Komitee will bis zur Abstimmung am 26. September noch weitere Berner

Wahrzeichen wie das Münster oder den Bärenpark versteigern.


Blick am Abend 31.8.10


Solidarität bis nach Deutschland


 PRO


 Die Reithalle erhält Unterstützung von Politik und Kultur. Auch aus dem

Ausland.


 peter.pflugshaupt @ringier.ch


 Am 26. September wird über die Reithallen-Initiative der SVP abgestimmt.

Die Rechtsbürgerlichen wollen den Kulturbetrieb an den Meistbietenden

verkaufen. Nach vier erfolglosen Versuchen ist es der fünfte Anlauf, die

Reitschule zu schliessen. Die Initiative stösst aber auf eine breite Front

der Ablehnung. Ausser der SVP und der FDP sind alle politische Parteien in

der Stadt Bern dagegen. Doch nicht nur politisch pfeift den Initianten ein

eisiger Wind entgegen. Kulturbetriebe aus der ganzen Schweiz und auch aus

dem Ausland kämpfen für den Erhalt der Reithalle. So zeigen prominente

Konzert-Lokale wie das Fri-Son in Freiburg, das Kiffin Aarau oder die Rote

Fabrik in Zürich ihre Solidarität mit der Reithalle. Aus Deutschland

bekennen sich die Betreiber des renommierten Club Voltaire (gegründet 1970)

aus der Studentenstadt Tübingen zur Reithalle. Und sogar auf himmlischen

Beistand dürfen die Freunde der Reithalle zählen: Auch der Kirchgemeinderat

und das Mitarbeiterteam der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Paulus

haben sich auf der Homepage www.reitschulebietetmehr.ch eingetragen.


 Ein Baldachin: Zum Ersten ...


 Der Abstimmungskampf wird - wie immer, wenn es um die Reitschule geht -

sehr emotional geführt. Und kreativ. Nach der CD "Reitschule beatet mehr"

mit dem Müslüm-Hit "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" fand heute Mittag

die nächste Inszenierung der Initiativ-Gegner statt: Auf dem Bahnhofplatz

wurde mit der Aktion "Heute der Baldachin - morgen die Reitschule"

theatralisch der Baldachin versteigert. SVP-Politiker Erich Hess konnte der

Aktion nichts Gutes abgewinnen. "Ich sehe keinen Zusammenhang mit der

Reithalle", sagte er zu Radio Energy Bern.

 


bernerzeitung.ch 31.8.10

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Baldachin-fuer-sechs-Milliarden-Franken-versteigert/story/17088712(mit

Fotos + Video)


Baldachin für sechs Milliarden Franken versteigert


Von Guy Huracek


Das Komitee "Reitschule bietet mehr" hat am Dienstagmittag aus Protest den

Berner Baldachin versteigert. Geht es nach dem Komitee, darf der

Meistbietende für 99 Jahre über das Glasdach verfügen.


Mit der Versteigerung wollten die Reitschulaktivisten auf die

unbefriedigende Situation unter dem Baldachin aufmerksam machen. Ziel sei

es, den Baldachin zu einem Ort der Begegnung für die ganze Familie und für

alle Berner umzugestalten. Jeder solle sich sicher und willkommen fühlen,

teilt das Komitee "Reitschule bietet mehr" in einer Medienmiteilung mit.


Die Versteigerung fand unter dem Motto "Heute der Baldachin - morgen die

Reitschule?" statt. Das Komitee ersteigerte den Baldachin gleich selber und

plant daraus ein überdachtes Mehrzweck-Kultur-und Begegnungszentrum mit

Restaurant, Bar, Konzertlokal, Theater, Kino, Bibliothek, Werkstatt,

Kampfsportdojo, Bioladen und Schwimmbad zu machen.


SVP-Grossrat nimmts mit Humor


Auch SVP-Grossrat und Reitschule-Gegner Thomas Fuchs hat eine kreative Idee.

"Man könnte auf dem Baldachin SVP-Plakate aufhängen." So würden sich die

Leute, die aufs Tram warten darüber freuen, sagt Fuchs auf Anfrage und

lacht.


Die Aktion der Reitschule wundert den Grossrat jedenfalls nicht. Er hält

fest: "Es ist üblich das Reitschulaktivisten Dinge verkaufen, die ihnen gar

nicht gehören." Das Komitee lässt sich durch diese Aussagen nicht

beeindrucken. Es will in den nächsten Wochen auch Münster, Zytglogge,

Bundeshaus, Bärenpark und das Stade de Suisse versteigern.


(Bernerzeitung.ch/Newsnetz)

 


Komitee "Reitschule bietet mehr"

Postfach 6874, 3001 Bern

info@reitschulebietetmehr.ch

www.reitschulebietetmehr.ch


Medienmitteilung


Bern, 31.8.10


Grosse Versteigerungsaktion "Heute der Baldachin - morgen die Reitschule?"

voller Erfolg - weitere Versteigerungen in Planung.


Sehr geehrte Medienschaffende


Die Versteigerungsaktion "Heute der Baldachin - morgen die Reitschule?" des

Komitees "Reitschule bietet mehr" von heute Mittag auf dem Bahnhofplatz war

ein grosser Erfolg. Eine grosse Zahl von Bernerinnen und Bernern nutzte die

Gelegenheit, um mit ihren Steigerungsgeboten den Baldachin eine neue Zukunft

zu führen.


Selbstverwalteter Mehrzweckplatz unter dem Baldachin


Das Komitee "Reitschule bietet mehr" ersteigerte mit dem höchsten Gebot an

Herzblut den Baldachin gleich selber und wird in den nächsten Monaten den

bisher unwirtlichen Ort in einen selbstverwalteten Mehrzweckplatz für alle

umwandeln. Geplant ist ein überdachtes Mehrzweck-Kultur-und

Begegnungszentrum ("Baldachin bietet mehr") mit Restaurant, Bar,

Konzertlokal, Theater, Kino, Bibliothek, Werkstatt, Kampfsportdojo, Bioladen

und Schwimmbad.


Versteigerung von weiteren Berner Wahrzeichen


Das Komitee dankt allen engagierten Teilnehmenden. Aufgrund der grossen

Nachfrage und des grossen Erfolges der Versteigerungsaktion wird das Komitee

"Reitschule bietet mehr" in den nächsten Monaten die Versteigerung von

weiteren Berner Wahrzeichen (Münster, Zytglogge, Bundeshaus, Bärenpark,

Stade de Suisse) in Angriff nehmen.

 

Mit freundlichen Grüssen


Komitee "Reitschule bietet mehr"


Bund 31.8.10


CVP sagt Nein zur Reitschulinitiative


(pd)


 Die CVP empfiehlt einstimmig ein Nein zur Reitschulinitiative. Ebenso

einstimmig bejaht sie die Wankdorf-City-Kreditaufstockung. Im Hinblick auf

die Abstimmung zur Kita-Initiative hat sie in einer Konsultativabstimmung

eine Alternative mit Betreuungsgutscheinen befürwortet. Schliesslich hat die

CVP konsultativ über die Initiative zur Energiewende Bern befunden: Nein zur

Initiative und Ja zum Gegenvorschlag.




RABE-INFO


Mo. 30. August 2010

http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_30._August_2010.mp3

http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_30._August_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2030.%20August%202010

- Zu Besuch im Berner Kulturzentrum Reitschule- heute die Rössli- Bar

- Kopf der Woche: Karl von "Transgender Luxenburg"


Langenthaler Tagblatt 30.8.10


Müslüm hat Freund und Feind


Reitschule Bern


Ausser SVP und FDP sind alle Parteien gegen die Initiative

 

 Samuel Thomi


 Normalerweise reisst das Thema Reitschule in Bern einen tiefen Graben durch

die städtische Politik. Wegen der Ende September anstehenden Abstimmung über

die SVP-Initiative zum "Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden"

schliessen sich nun aber die Polit-Reihen bis weit ins bürgerliche Lager

(vgl. "Nachgefragt" unten mit Initiant Erich Hess) .


 Alle gegen SVP - und die FDP?


 Im Sommerloch stellten sich zudem bereits über zwanzig Musiker und Autoren

hinters alternative Kulturzentrum. Nicht Patent Ochsner, Pedro Lenz oder

Züri West, die auch auf der Scheibe sind, stehen seither im Fokus: Müslüm

ist über 235000 Mal auf der Homepage Youtube.com angeguckt worden. Der Clip

"Erich, Warum bisch Du nid Ehrlich?" des Komikers mit türkischen Wurzeln

schlug wie eine Bombe ein: "Den Erfolg hat niemand erwarten können", so

Rahel Ruch von der Jungen Alternative. Zusammen mit SP, EVP, CVP und BDP und

der Grünen freien Liste (GFL), den Grünliberalen (GLP) sowie dem Grünen

Bündnis (GB) sind alle Parteien ausser die SVP und FDP gegen die Initiative.

Die FDP will die Parole in einer Woche fassen - und ist gespalten. Preschte

doch die Sektion Kirchenfeld vor und lancierte Hess' Initiative mit.


 Bei der Präsentation des überparteilichen Komitees stellte Stadträtin

Barbara Streit am Freitag aber auch klar: "Die EVP ist zwar kein Fan der

Reitschule, das heisst aber noch lange nicht, dass sie dem Meistbietenden

verkauft werden soll." Auch wenn er privat oft in der "Halle" verkehre, hält

es GLP-Stadtrat Claude Grosjean ähnlich: "Wir sagen Ja zur

Kulturinstitution." Zur oft in Anspruch genommenen Autonomie zähle aber auch

"eigenverantwortliches Handeln".


 "Verbesserungspotenzial"


 Diesbezüglich habe sich die "Situation zwar stark gebessert". Als Partner

städtischer Leistungsverträge bestehe aber "beidseitig

Verbesserungspotenzial". CVP-Präsident Michael Daphinoff sagt: "Das

Vertrauen fehlt, weil in der Reitschule die Verantwortung zu oft an ein

unbestimmtes Kollektiv abgeschoben wird." Daher sei die CVP "klar gegen die

veraltete Basisdemokratie" und verlange, die Reitschule in einem Verein zu

organisieren. Doch keinesfalls dürfe sie geschlossen werden.


 "Im schlimmsten Fall kaufen die Reitschüler das Gebäude selber",

kommentiert BDP-Stadtrat Martin Schneider. "Wir wollen keinen zweiten Progr"

- Bern habe ein Interesse, mitbestimmen zu können, was mit der Reitschule

geht. Für SP-Stadtrat Ruedi Keller gibts noch einen anderen Grund, Sorge zu

tragen: "Mit 65 Prozent hat die Reitschule den höchsten

Selbstfinanzierungsgrad aller Berner Kulturinstitutionen." Jährlich würden

etwa 50000 Stunden Freiwilligenarbeit geleistet. Keller: "Müslüms Videoclip

ist nur die Spitze."


 Was sagt die Reitschule zum politischen Rückhalt? Tom Locher von der

Mediengruppe freut sich - auch über den Kampagnenstart: "Neben Müslüm

engagieren sich im Alltag Dutzende in und ausserhalb der Reitschule gegen

die Initiative. Sie etabliert sich als Wahrzeichen Berns." Das alternative

Kulturzentrum sei "richtig zum Thema geworden". Und: "Das ist gut für uns."

Sei es doch "in den letzten Jahren" zu "zahlreichen Diffamierungs-Kampagnen

des Mitte-rechts-Lagers" gekommen. Das Drogenproblem der Stadt zum Beispiel

sei der Reitschule angelastet worden. Obwohl diese manchmal unter der

städtischen Drogenpolitik leide. Zum Beispiel belaste der abschlägige

Entscheid für den Bau einer zweiten Drogenanlaufstelle zur Entlastung der

bisher einzigen an der Hodlerstrasse die Reitschule und Umgebung.


 Oder für die seit Jahren versprochene Umgestaltung und Belebung der

Schützenmatte sei noch nicht einmal die Planung gestartet worden (s. Text

links). "Trotz der vielen Sympathiebekundungen müssen die Leute nun auch

abstimmen gehen", kommentiert Locher. "Noch ist die Initiative nicht

abgelehnt."


 In vier Wochen - am 26. September - weiss man mehr. Dann stimmt die Stadt

Bern ab.

Nachgefragt

 "Ich werde weiter Druck aufbauen"

Interview: Samuel Thomi

 Grossrat Erich J. Hess, Präsident JSVP Schweiz, über seine städtische
Initiative zum Verkauf der Berner Reitschule an den Meistbietenden.

 Herr Hess, für Sie ist die Reitschule ein rechtsfreier Raum, Hort von
Gewalt, Terroristen und Linksextremen. Löst der Verkauf an den
Meistbietenden das Problem?

 Erich Hess: Ja. Bevor die Reitschule verkauft wird, muss sie geräumt
werden. Dann übernimmt der neue Besitzer die Verantwortung fürs Gebäude.

 Würde die Reitschule zum Schwimmbad oder Kinokomplex umgebaut, ginge ein
anerkanntes Kulturzentrum verloren.

 Hess: Bern würde nicht zur kulturellen Öde. Es gibt genug Orte mit ähnlich
gelagerter Kultur. Zudem kostet die Reitschule den Steuerzahler jährlich
mehrere Millionen Franken. Im Gegenzug halten sich die Leute nicht an unser
Recht. Alle gewalttätigen Demos werden aus der Reithalle organisiert. Erst
seit der Initiative ist es relativ ruhig. Danach ist bereits der nächste
Antifa-Abendspaziergang geplant.

 Immerhin erhielt die Reitschule 1999 vom bürgerlich geprägten Kanton den
Kulturpreis. Oder die Karriere von "Züri West" startete in der Reitschule
...

 Hess: Ich habe Mühe mit den Preisen, die von Kanton und Stadt verliehen
werden. Zudem gibts auch private Lokale, wo Bands auftreten können.
Randständige und jene, die dem Teufel vom Karren gefallen sind, sollen von
ihren Aussengemeinden oder Kantonen aufgenommen werden.

 Dennoch scheint das alternative Kulturzentrum in der Bundesstadt auf
Rückhalt zählen zu können. - Das Volk jedenfalls stellte sich seit 1990 vier
Mal hinter die Reitschule.

 Hess: Die letzte richtige Schliessungsinitiative war vor 20 Jahren. Sonst
ging es in den Abstimmungen nur um Subventionen und Gebühren.

 Stadtregierung, Stadtrat und alle Parteien ausser der SVP und FDP stellen
sich gegen Ihr Anliegen. Wie ist Ihre Prognose?

 Hess: Ich bin optimistisch - und hoffe auf mindestens 50,1 Prozent am 26.
September. Bald starten wir unsere Aufklärungskampagne.

 Und wenn Sie verlieren?

 Hess: Dann werde ich weiter Druck aufbauen. Immerhin sehen Touristen, wenn
sie mit dem Zug unterwegs sind, die Reitschule in Bern als Erstes und
Letztes.

 Im Abstimmungskampf stehen Sie nun aber im Schatten von Komiker Müslüm ...

 Hess: ...Halt! - Ohne die Initiative wäre dieser Mann nie berühmt geworden.
Niemand kannte Müslüm vorher. Und: Ohne Abstimmung hätten all diese Musiker
nie eine gemeinsame CD produziert. Ich bin also auch ein Kulturförderer.
 key

Bund 28.8.10


Verkauf der Reitschule: Breiter Konsens zum "Nein, aber . . ."


 Gestern haben sich die meisten grossen Stadtberner Parteien offiziell gegen
den Verkauf der Reitschule ausgesprochen. Gefehlt hat neben der SVP nur die
FDP.

 Christian Brönnimann

 Dass 5 der 7 Fraktionen des Berner Stadtrats gemeinsam zu einer
Medienkonferenz einladen, kommt nicht alle Tage vor. Der Affiche
entsprechend gross und heterogen war die Runde, die gestern ihre Argumente
gegen die SVP-Initiative zum Verkauf der Reitschule kundtat. Acht
Vertreterinnen und Vertreter von SP, JA, GB, GFL, GLP, CVP, BDP und EVP
sprachen sich im Namen ihrer Parteien für die Reitschule aus. Sie leiste
einen grossen Beitrag an das städtische Kulturleben, lautete der allgemeine
Tenor.

 So viel zum gemeinsamen Nenner. Daneben traten auch Unterschiede zu Tage.
Eigentlich sei ihre Partei kein "Fan" der Reitschule, sagte zum Beispiel
EVP-Stadträtin Barbara Streit. Das bedeute aber noch lange nicht, dass man
die Institution einfach räumen und verkaufen sollte. Die kulturellen
Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Michael
Daphinoff, Präsident der Stadtberner CVP, betonte den Wert der
Freiwilligenarbeit, die in der Reitschule geleistet werde. Schätzungen
zufolge sind es 50 000 Stunden jährlich. Wenn man etwas aus "freiem Willen"
tue, heisse dies aber auch, die Verantwortung dafür zu übernehmen, sagte
Daphinoff. Hier hapere es. Die basisdemokratischen Strukturen der Reitschule
gehörten abgeschafft. Darauf müsse die Stadt bei den Verhandlungen über die
zukünftigen Leistungsverträge pochen.

 In die gleiche Kerbe schlug GLP-Stadtrat Claude Grosjean: "Wir erwarten,
dass die Reitschule ein verlässlicherer Partner wird." Die aktuelle
Initiative bezeichnete er nach den vier Reitschul-Abstimmungen der letzten
20 Jahren als "fantasielosesten Versuch", die Reitschule abzuschaffen. "Es
geht eher um die Profilierung einzelner Personen als um die Sache." Martin
Schneider (BDP) schliesslich sagte, es wäre fahrlässig, wenn die Stadt die
Reitschule verkaufen würde. Im zentralen Perimeter Schützenmatte würde sie
sich so die Handlungsmöglichkeiten massiv einschränken. "Theoretisch wäre es
auch möglich, dass der Islamische Zentralrat das Gebäude kaufen und eine
Moschee errichten würde", so Schneider. Die Reitschule sei eine gute
Möglichkeit für Jugendliche, sich zu entfalten.

 Viel Leistung für wenig Geld

 Je weiter links im politischen Spektrum, desto klarer war für die
Referenten die Angelegenheit: Die Reitschule dürfe nicht als Sündenbock
missbraucht werden für die Probleme der Stadt Bern, sagte Peter Künzler
(GFL). "Beide Seiten müssen ihre Pflichten wahrnehmen." Die Stadt Bern
erhalte für wenig Geld - 250 000 Franken Mieterlass und 140 000 Franken
direkte Subventionen - einen grossen kulturellen Gegenwert, sagte
SP-Stadtrat Ruedi Keller. Rahel Ruch (JA) lobte die Reitschule als
"einmaliges Begegnungszentrum, in welchem sich alle engagieren können". Und
Hasim Sancar (GB) warb schlicht mit dem Slogan des Reitschul-Komitees (siehe
"Bund" vom 23. 6.): "Die Reitschule bietet mehr."

 Eigene Aktionen im Abstimmungskampf planen die Parteien nicht. "Das
überlassen wir dem Reitschul-Komitee", sagte Ruedi Keller. Trotz Anfrage
nicht mit an Bord war gestern die FDP. "Wir fassen die Parole erst am 6.
September und wollten der Parteiversammlung nicht vorgreifen", sagte
Fraktionspräsident Philippe Müller auf Anfrage. Er erwarte, dass die
Parteimitglieder Stimmfreigabe beschliessen werden. Wegen der
Sicherheitsbedenken sei die FDP gespalten. Dass sich mit Alexander Feuz,
Präsident der FDP-Sektion Kirchenfeld, bereits ein Parteiexponent im
Initiativkomitee von Erich Hess engagiere (siehe "Bund" vom 13. 8.), sei
"nicht so gut", aber in einer liberalen Partei zulässig. Er selber werde ein
Nein in die Urne legen, so Müller.

 Die Volksabstimmung über den Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden
findet am 26. September statt.

BZ 28.8.10

Reitschule

 Breiter Widerstand gegen Initiative


 Acht Parteien bekämpfen gemeinsam die Reitschule-Schliessung. Sie loben das
Kulturangebot, die Freiwilligenarbeit und die vielen Möglichkeiten zur
persönlichen Entfaltung. Eine Mehrheit macht der Reitschule aber Auflagen.

 Breite Unterstützung für die Reitschule: Die Parteien GB, JA, SP, GFL, EVP,
GLP, CVP und BDP legten gestern den Medien gemeinsam ihr Nein zur
SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!" dar.

 Einhellig gerühmt wurde insbesondere das kulturelle Angebot der Reitschule.
Laut Claude Grosjean von der GLP genüge etwa das Tojo-Theater
internationalen Ansprüchen: "Dort habe ich die eindrücklichsten Stücke
gesehen." Ruedi Keller von der SP wies darauf hin, dass die Reitschule der
Stadt ein einmaliges Preis-Leistungs-Verhältnis biete.

 Rahel Ruch von der JA schwärmte von der Durchmischung, die nirgendwo sonst
in Bern so gross sei. "Die Reitschule hat Platz für solche, die durchs
soziale Netz gefallen sind", sagte sie. Trotzdem müssten die Initianten -
laut Ruch die Gleichen, die über die faule Jugend klagten - ihrer Meinung
nach bei einem Reitschule-Besuch begeistert sein: "Immer neue junge Menschen
engagieren sich dort für wenig Geld, aber mit viel Herzblut."

 EVP braucht Pragmatismus

 Den Aspekt der Freiwilligenarbeit strichen die meisten Redner heraus, auch
Barbara Streit von der EVP. Sie bezeichnete die Reitschule als eine "Art
Gegenwelt" zum allgemeinen Konsum und Kommerz. Streit: "Es braucht manchmal
Pragmatismus - die Reitschule hat doch einen Platz in dieser Stadt." Mit dem
Verweis auf den nötigen Pragmatismus leitete sie über zu ihrem Vorbehalt:
Bezüglich Sicherheit sei die Situation in und um die Reitschule noch nicht
zufriedenstellend.

 Die "Ja, aber"-Fraktion

 Mit diesem Vorbehalt ist die EVP nicht allein. Eine Mehrheit der Parteien,
die gestern gegen die Initiative einstanden, knüpft an ihr Ja zur Reitschule
ein Aber.

 So fordert die GLP die Reitschule auf, der Stadt ein verlässliches
Gegenüber zu sein, einen permanenten Sicherheitsdienst zu organisieren und
bei eskalierenden Demonstrationen das grosse Tor zu schliessen.

 Auch die CVP erinnerte daran, dass die Reitschule die Verträge zwischen ihr
und der Stadt regelmässig nicht einhalte. Für Parteipräsident Michael
Daphinoff braucht es verantwortliche Ansprechpersonen. Grundlage dazu: "Die
Basisdemokratie muss fallen." Gleicher Meinung ist Martin Schneider von der
BDP. Er habe sich selber als Jugendlicher in der Reitschule entfalten
dürfen. Heute seien veränderte Strukturen in der Reitschule aber Bedingung
für die Aufwertung des ganzen Perimeters.

 "Populistische Initiative"

 Peter Künzler von der GFL sieht im Perimeter Schützenmatte/Bollwerk
ebenfalls Potenzial. Dieses lasse sich aber am besten nutzen, wenn die
Reitschule im Besitz der Stadt bleibe.

 Die Initiative sei der populistische Versuch, die Reitschule zum Sündenbock
zu machen, auch für Probleme, für die sie nichts könne. Darin war sich das
Bündnis ebenso einig wie in der Würdigung der Kultur und der
Freiwilligenarbeit. Sobald künftige Diskussionen über diese Punkte
hinausgehen, werden die Karten wieder neu gemischt.

 Christoph Hämmann

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BZ 28.8.10


Leserinnenbrief


Gotthelf und die Reitschule


 Zur Reitschule-Abstimmung in der Stadt Bern vom 26. September


 Ja, was hat denn Gotthelf mit der Berner Reitschule zu tun? Er schrieb im

Vorwort zum Buch "Uli der Pächter" am 13. Oktober 1848 unter anderem

Folgendes: "Der Verfasser behauptet nicht, das Rechte getroffen, sondern

bloss das: mit ehrlichem Willen nach dem Rechten gestrebt zu haben."


 Ich habe viele Bücher von Jeremias Gotthelf gelesen, und ich kann ruhig

sagen, dass es mein Lieblingsautor war. Ich weiss nicht mehr, in welchem

seiner Bücher er über das Problem der Randgruppen geschrieben hat, aber

seinen Rat, den man heute auch auf die Reitschule in Bern anwenden sollte,

habe ich nicht vergessen: Problemgruppen darf man nie absondern, sondern auf

die gesunden Bauernfamilien verteilen. So wird die Verantwortung für die

Einzelnen in einer gesunden Umgebung wahrgenommen, und das krankhafte oder

widernatürliche Verhalten kann gestoppt werden.


Theres Farine Zollikofen

 

Bund 27.8.10


Ehrlich währt am längsten Entgegen früheren Aussagen war JSVP-Politiker

Erich Hess mehr als einmal in der Reitschule.

 

Geburtstagsfeier in rechtsfreiem Raum


Patricia Götti


 "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" Mit dem Video zu diesem Song erobert

der Berner Komiker Semih Yavsaner alias Müslüm derzeit die Charts der

Internet-Plattform Youtube und wirbt damit in verballhornender Form für ein

Nein zur Reitschul-Initiative von Erich J. Hess (JSVP), die eine

Versteigerung des autonomen Kulturzentrums fordert und über die am 26.

September abgestimmt wird. Über die generelle Aufrichtigkeit im Herzen des

Präsidenten der Jungen SVP Schweiz soll hier genauso wenig spekuliert werden

wie über diejenige in Politikerherzen schlechthin. Uns interessiert vielmehr

der konkrete Einzelfall: die Aussage Hess' nämlich, er sei nur ein einziges

Mal in der Reitschule gewesen ("Bund" vom 13. August).


 Diesbezüglich nämlich war der frisch gebackene Grossrat (seit diesem

Frühjahr), noch frischer gebackene Vizepräsident der SVP Stadt Bern (siehe

"Bund" vom Mittwoch) und am frischsten gebackene Alt-Stadtrat (seit gestern,

auch hier siehe "Bund" vom Mittwoch) nicht ganz ehrlich. Es stimme schon, er

sei bereits zweimal in der Reitschule gewesen, gibt er auf Anfrage freimütig

zu und bestätigt damit eine Aussage einer Veranstalterin im Konzertlokal

Dachstock der Reitschule, die nicht namentlich genannt sein will. Es sei

spät in der Nacht nach seinem (24., wie eine kurze Recherche zeigt)

Geburtstag gewesen. Da habe er, nachdem er in der Berner Innenstadt mit

Freunden gefeiert habe, noch alleine in der Reitschule vorbeigeschaut -

"einfach, um einmal zu sehen, wie es da drinnen ist", sagt Hess. Nein, Angst

vor einer Konfrontation habe er keine gehabt (obwohl er sich, in seinen

Augen, in rechtsfreiem Raum befand). Ein wenig "gschmuuch" sei ihm aber

schon gewesen: "Ich hoffte einfach, dass mich niemand erkennt." Dieser

Hoffnungsballon zerplatzte aber ziemlich schnell: bereits beim Bestellen

nämlich. Er habe dann bis in den Morgen hinein mit den Dachstock-Leuten

diskutiert (kräftig unterstützt offenbar von Whisky). Ein friedliches und

leicht lallendes Geschwafel über Gott und die Welt von ein paar ziemlich

Angetrunkenen womöglich.


 Damals, Ende März 2005, war Hess noch nicht Mitglied im Stadtberner

Parlament; das wurde er erst einen guten Monat später, im zarten Alter von

24 also. Lanciert war dagegen bereits die dritte Initiative zur Abschaffung

der Reitschule (die im November 2005 vom Berner Stimmvolk mit 65 Prozent

Nein abgeschmettert wurde). Sie stammte aus dem Hause der SVP und verlangte

die Abschaffung von Sonderkonditionen für die Reitschule. Ob Hess damals die

Reitschule besuchte, weil er auf Material für Abstimmungspropaganda hoffte,

bleibt dahingestellt.

 

 

bernerzeitung.ch 27.8.10


Mehrere Parteien kämpfen für den Erhalt der Reitschule


sda / met


 Verschiedene linke und bürgerliche Parteien bilden in der Stadt Bern eine

gemeinsame Front gegen die Reitschul-Initiative der SVP. Sie wollen

verhindern, dass das umstrittene Kulturzentrum in der Bundesstadt

geschlossen und versteigert wird.


 An diesem Schulterschluss beteiligen sich SP, EVP, BDP, CVP, Grünliberale,

GFL, GB und JA, wie aus einer Mitteilung vom Freitag hervorgeht. Über die

Volksinitiative können die Stimmberechtigten der Stadt Bern am 26. September

abstimmen. Diese sieht die Schliessung der Reitschule und deren Verkauf an

den Meistbietenden vor.


 Dass die Stadtbevölkerung hinter der Reitschule stehe, hätten die letzten

vier Volksabstimmungen zugunsten des Kulturzentrums bewiesen, halten die

Parteien fest. Für Bern sei die Reitschule als alternativer Kultur- und

Begegnungsort unverzichtbar. Unter anderem heben sie etwa ihren hohen

Selbstfinanzierungsgrad hervor.


 Zwar sei einiges noch nicht im Lot, heisst es etwa von Seiten der

BDP/CVP-Fraktion. Doch werde die Reitschule verkauft, verliere die Stadt

Bern die Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung des Perimeters

Schützenmatte.


 EDU beschliesst Stimmfreigabe


 Wenige Tage davor hatte sich auch die EDU Bern zu Wort gemeldet. Sie

befürwortet zwar die Schliessung der Reitschule, möchte diese aber nicht an

den Meistbietenden verkaufen. Diese Strategie sei riskant, so die EDU. "Es

könnte durchaus sein, dass wir mit diesem Vorgehen vom Regen in die Traufe

kommen". Die EDU hat deshalb Stimmfreigabe beschlossen.


 Vor allem in rechtsbürgerlichen Kreisen stösst das alternative

Kulturzentrum seit langem auf Ablehnung. Unter dem Deckmantel des

kulturellen Angebots werde in der Reitschule Extremismus, Drogenhandel und

Kriminalität gefördert, argumentieren die Reitschul- Gegner.

 


27.8.10

 

Medienmitteilung zur Medienkonferenz der Fraktionsparteien (GB, JA!,  SP,

GFL,  EVP,  GLP, CVP, BDP) gegen die Initiative "Schliessung und Verkauf der

Reitschule!"


Breiter parteipolitischer Schulterschluss: Nein zur Reitschule-Initiative


Fünfter Angriff auf die Reitschule: Am 26. September 2010 muss die Berner

Bevölkerung bereits zum fünften Mal Stellung zur Zukunft der Reitschule

beziehen. Dass die Stadtbevölkerung hinter der Reitschule steht, haben die

Resultate der letzten vier Volksabstimmungen zugunsten der Reitschule mehr

als bewiesen. An der heutigen Medienkonferenz haben Vertreterinnen und

Vertreter der Fraktionsparteien (GB, JA!, SP, GFL, EVP, GLP, CVP, BDP) ihre

Argumente gegen die Schliessung und den Verkauf des seit 1987 bestehenden

Berner Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule an den Meistbietenden

dargelegt.


Hasim Sancar (GB) bezeichnete die Reitschule als unverzichtbar und betonte,

die Reitschule als alternativer Kultur- und Begegnungsort mit ihrem

vielfältigen Angebot gehöre ebenso zur Stadt wie zum Kulturplatz Bern.

Barbara Streit-Stettler (EVP) wies auf die Bedeutung kultureller Freiräume

jenseits von Konsum und Kommerz hin. Ruedi Keller (SP) lobte den hohen

Selbstfinanzierungsgrad der Reitschule, die Reitschule erfülle als einzige

Kulturinstitution den Leistungsauftrag mit der Stadt zu 100 Prozent. Claude

Grosjean (GLP) unterstrich die Einzigartigkeit der Reitschule als

vielseitige Kulturinstitution und "echte" Lebensschule, erwartet aber von

der Reitschule, dass sie auch Verantwortung übernimmt. Rahel Ruch (JA!) hob

die Funktion der Reitschule als Begegnungsort und Betätigungsfeld für Leute

mit wenig Mitteln und wenig sozialen Netzen hervor und rühmte sie als

einzigartiges alternatives Jugendzentrum. Michael Daphinoff (CVP) zeigte

sich von der geleisteten Gratis- und Freiwilligenarbeit beeindruckt, in der

Reitschule sei Solidarität keine Leerformel. Martin Schneider (BDP) warnte

vor der Gefahr, dass mit einem Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden

die geplante Aufwertung des Stadtteils (Perimeter Schützenmatte) gefährdet

sei. Wird die Reithalle verkauft, würden der Stadt Bern die

Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung entzogen. Peter Künzler (GFL)

erachtete es als wichtig, dass das Gebäude im Stadtbesitz und als

öffentlicher Raum erhalten bleibt und plädierte für einen kritischen und

sachbezogenen Umgang mit dem Reitschulbetrieb, die Initiative mache die

Reitschule zum Sündenbock.


Es gibt keine Alternative zur Reitschule - Die Initiative "Schliessung und

Verkauf der Reitschule!" muss deshalb abgelehnt werden. Für ein 5:0 am 26.

September!


Weitere Informationen entnehmen Sie bitte den Unterlagen im Anhang.


Für weitere Auskünfte:

Hasim Sancar, Co-Fraktionspräsident GB/JA!

 

Medienmappe:

http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/10-08-27-MedienmappeParteien.pdf


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BZ 27.8.10

CVP

 Pro Reitschule

 Die CVP der Stadt Bern empfiehlt getreu der Devise "Kultur Ja - Krawalle

Nein" ein einstimmiges Nein zur Reitschulinitiative. Die CVP sagt auch

einstimmig Ja zur Wankdorf-City-Kreditaufstockung - die Stadt Bern braucht

dringend Standorte von hoher Qualität, um im diesbezüglichen Wettbewerb

bessere Karten zu haben.pd


DRS2 Aktuell

1989 stimmte das Schweizer Volk über die Armeeabschaffungsinitiative ab, 2006 über das Asylgesetz und das Ausländergesetz. Am 26. September entscheiden die Bernerinnen und Berner, ob die Reitschule verkauft und somit ihren Betrieb als Alternatives Kulturzentrum einstellen muss. Was haben diese drei Urnengänge gemeinsam? Ihretwegen entstanden CDs, auf der sich Musikerinnen und Musiker für oder gegen eine bestimmte Abstimmungsvorlage einsetzen. „Agitprop“ lautet der Begriff dafür: Agitation und Propaganda. Vom „Stop The Army“-Sampler des Jahres 1989 bis zur aktuellen Platte „Reitschule beatet mehr“ hat sich der Ausdruck politischer Meinung deutlich verändert. Raphael Zehnder:

Audio Beitrag (3:47, MP3)

Bund 17.8.10

Thomas Fuchs droht Radio- und TV-Stationen mit Klage

Per Anzeige gegen Satire: Thomas Fuchs will juristisch gegen Sender vorgehen, die Müslüms Erich-Hess-Song spielen.

Simona Benovici

Im Abstimmungskampf um das autonome Kulturzentrum Reitschule wird der Ton schärfer: Der Bund der Steuerzahler des Kantons Bern (BDS), dem SVP-Grossrat Thomas Fuchs als Geschäftsführer vorsteht, droht Radio- und TV-Stationen mit einer Klage, wenn sie Songs der CD "Reitschule beatet mehr" ausstrahlen. Der BDS beruft sich auf die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes, wonach Werbung für Themen, die Gegenstand von Volksabstimmungen sind, unzulässig ist. Der BDS fordert alle Sender auf, "die Reitschulsongs bis am Tage nach der Abstimmung von Ende September nicht mehr auszustrahlen oder im Gegenzug den Befürwortern ebenso viel Sendeplatz einzuräumen". In Letzterem sähe Fuchs keinen Widerspruch. Obgleich er sich mit Inanspruchnahme von Sendezeit auf etwas einlassen würde, was er den Gegnern der Initiative als gesetzeswidrig ankreidet. Mit der Forderung wolle man lediglich sicherstellen, dass gleiches Recht für alle gelte, so Fuchs. "Wenn wir das jetzt einfach so zulassen, könnte die SVP im nächsten Jahr sonst auch einen Ausschaffungssong lancieren." Er sei sich sicher, das dies von der politischen Linken auch nicht einfach so hingenommen würde. Werden die Lieder weiter ausgestrahlt oder wird den Initianten das Gegenrecht auf Sendezeit verwehrt, werde der BDS gegen die entsprechenden Radiostationen Beschwerden und Klagen beim Bundesamt für Kommunikation führen. Dass es dem BDS ernst ist mit seiner Drohung, zeigt die Aufforderung an die Bevölkerung, dem BDS Namen von Radiostationen sowie Zeitangabe der gespielten Songs zu melden.

In der gleichen Mitteilung gibt der BDS auch bekannt, dass er die Kampagne für den Verkauf der Reitschule "aufgrund der schweizweiten Signalwirkung" mit "mindestens einem fünfstelligen Betrag" unterstützt. Er werde auch eine eigene Kampagne führen.


"Kreative Gesetzesauslegung"

Das Abstimmungskomitee "Reitschule bietet mehr" hat von den angekündigten Schritten Kenntnis genommen. Das Komitee hofft, dass sich die Radio- und TV-Stationen nicht einschüchtern lassen von Fuchs' "sehr ‹kreativer› Auslegung des Radio- und Fernsehgesetzes".

BZ 17.8.10

Reitschule - Müslüm zeigt Hess den Meister

Thomas Fuchs will Müslüm vom Äther verbannen. Er droht mit Klagen, falls die Songs zur Reitschulkampagne weiter im Radio und am TV gespielt werden. Medienrechtsexperten räumen solchen Klagen keine Erfolgschancen ein.


Der Kampf um das Berner Kulturzentrum Reitschule, der am 26. September in einer Volksabstimmung gipfelt, bietet ein unterhaltsames Kräftemessen in populistischer Propaganda. Der Urheber der Initiative, SVP-Grossrat Erich Hess, der sonst selber gekonnt und unzimperlich nach medialer Aufmerksamkeit heischt, sieht sich jetzt mit einem Coup konfrontiert, der alles toppt: Semih Yavsaner alias Müslüm hat auf dem Sampler des Reitschul-Komitees mit "Erich, warum bisch du nid ehrlich" einen Hit lanciert. Mittlerweile ist der Ohrwurm auf Youtube der am siebenthäufigsten heruntergeladene Clip. Und was im Internet zieht, sorgt zunehmend auch in Radio- und TV-Programmen für Furore.


 Drohung an Radiostationen


 Nun eilt Thomas Fuchs, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler Kanton Bern (BDS), seinem Fraktionskollegen Hess zu Hilfe. Er droht den Radio- und TV-Stationen: Sollten sie nicht damit aufhören, insbesondere diesen Titel, aber auch die anderen Samplerbeiträge zu senden, werde er Beschwerden und Klagen beim Bundesamt für Kommunikation einreichen, heisst es in einer gestern versandten Mitteilung. Denn damit verstiessen sie gegen den Artikel 18 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, wie Fuchs meint. In diesem Gesetz wird politische Werbung im Zusammenhang mit Volksabstimmungen verboten. Der BDS stellt sich selbstredend hinter die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" und will sie "mit mindestens einem fünfstelligen Betrag" unterstützen.


 Rechtsexperten entwarnen


 Oliver Sidler, Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Zug, sah sich den Müslüm-Beitrag im Internet für diese Zeitung an. Für ihn ist der Song nicht einmal ein Grenzfall. Um Werbung handle es sich nicht, weil die Radiostationen für das Abspielen wohl kein Geld kassierten. Auch als Schleichwerbung könne er eher nicht gelten. "Sofern die Unterhaltung und die Information im Vordergrund stehen und nicht die Propaganda", erläutert er. Sidler geht davon aus, dass der Song vor allem deshalb gespielt wird, weil die Zuhörerinnen und Zuhörer ihn hören wollten. Er kommt zum Schluss: "Solange es um die Musik geht und nicht um die Propaganda, sehe ich kein Problem."

Heikler könnte es dann werden, wenn die Moderatoren dazu noch ständig die Hintergrundinfos zum Stück oder die Botschaft der Initianten mitlieferten.

Die Juristen des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) sehen im Müslüm-Song nach einem ersten Augenschein keine politische Werbung. Dafür müsste laut Bakom-Sprecher Roberto Rivola an die betreffende Radio- oder Fernsehstation Geld geflossen sein.

Das Reitschul-Komitee nahm die Drohung zur Kenntnis und bezeichnete sie in einer Mitteilung als "kreative Auslegung" des Gesetzesartikels.

"Lächerliche" Forderung

Über Müslüms Videoclip lässt sich eher streiten, wie Oliver Sidler findet. Dort sei die politische Botschaft viel klarer. Doch der angesprochene Gesetzesartikel spiele hier keine Rolle: "Im Internet stellt sich das Problem nicht."

Die Forderung des BDS, mindestens ebenso viel Sendezeit zu erhalten, sollten die Songs weiterhin gespielt werden, ist für Sidler vor diesem Hintergrund schlicht "lächerlich".

Christoph Aebischer


20 Minuten 17.8.10

Müslüm-Song: SVP droht mit Klage gegen Radios

BERN. Der Kampf ist noch nicht zu Ende: Thomas Fuchs will Radiostationen verklagen, die Songs von der Reitschul-CD spielen.Die Radios lässt dies kalt.

Die Sender spielen den Chartstürmer-Song von Müslüm rauf und runter, die CD "Reitschule beatet mehr" ging bereits 2000-mal über den Ladentisch. Das legt die Nerven der Reitschul-Gegner blank: SVP-Grossrat Thomas Fuchs will nun sämtliche Radiostationen, die diese Tracks ausstrahlen, verklagen. "Das Radiogesetz verbietet politische Werbung im Vorfeld von Abstimmungen", argumentiert Fuchs. Sein Vorschlag: Er verzichtet auf eine Klage, wenn den Initiativ-Befürwortern ebenso viel Sendeplatz eingeräumt wird.

Die Radios nehmen diese Drohungen gelassen: "Wir spielen die Songs jetzt umso mehr", ist etwa die Reaktion von Radio-Rabe-Redaktor Martin Schneider. NRJ Bern fühlt sich "ans Bein gepinkelt". Programmleiter Nik Eugster: "Wir haben der Gegenseite eine ebenbürtige Plattform geboten." Juristisch gesehen dürfte Thomas Fuchs auf dünnem Eis stehen: "Die Songs fallen weder unter politische Werbung noch unter Schleichwerbung", sagt Medienrecht-Experte Oliver Sidler. Der Müslüm-Text beinhalte zudem keine Wahlempfehlung. Beim Bakom, das für Fuchs' Beschwerden zuständig wäre, gibt Sprecher Samuel Mumenthaler Auskunft: "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die Ausstrahlung mit Geldfluss verbunden ist."

Bigna Silberschmidt

Mehr Geld für Kultur verlangt

BERN. Die öffentliche Hand soll mehr für Kultur springen lassen, findet die Regionalkonferenz Bern-Mittelland. Das Gremium von 81 Gemeinden der Region fordert für die Jahre 2012 bis 2015 einen jährlichen Zuschuss von 56 Mio. Franken jährlich - das wären 2,5 Prozent mehr als bisher. Von diesem Teuerungsausgleich würden etwa das Kunstmuseum, das Bernische Historische Museum, das Zentrum Paul Klee sowie das geplante Musik-Theater Bern profitieren.

Medienmitteilung des Abstimmungskomitees Reitschule bietet mehr, 16. August

Werte Medienschaffende

Das Abstimmungskomitee "Reitschule bietet mehr" hat von den Drohungen von Thomas Fuchs und der BDS gegen die Radiostationen zur Kenntnis und hofft, dass diese sich nicht einschüchtern lassen von seiner sehr "kreativen" Auslegung des Radio- und Fernsehgesetzes.

Dass die Kreativität ansonsten nicht zu den Stärken der Reitschul-GegnerInnen gehört, zeigt die Tatsache, dass sie bereits zum vierten Mal versuchen, die Reitschule mittels einer Initiative zu schliessen. Wir sind überzeugt, dass sie zum vierten Mal grandios scheitern werden und mit ihrer Zwängerei bloss eine Menge städtischer Steuergelder verschleudern – das sollt! e dem "Bund der Steuerzahler" BDS arg zu denken geben.

Der Verkauf der CD "Reitschule beatet mehr" hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Die erste Pressung von 2000 Exemplare ist schon beinahe ausverkauft, die nächsten 2000 sind bestellt.

Mit freundlichen Grüssen
Abstimmungskomitee Reitschule bietet mehr

Blick am Abend 16.8.10

Fuchs will ein Müslüm-Verbot

PROPAGANDA

Der Bund der Steuerzahler droht Radio- und TV-Stationen mit Klage.

peter.pflugshaupt@ringier.ch

Für den SVP-Grossrat und Präsidenten des Bundes der Steuerzahler sind die Songs der CD "Reithalle beatet mehr" politische Werbung. Insbesondere der Müslüm-Titel "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" Er will die Songs deshalb aus den Radio- und TV-Stationen der Hauptstadt verbannen.

Ausser den Befürwortern der Reithallen-Initiative werde ebenso viel Sendeplatz eingeräumt. Sonst klagt Fuchs beim Bundesamt für Kommunikation.

Bei den Radiomachern stösst Fuchs auf Unverständnis: "Der Song ist bei uns gar nicht in der Playlist", sagt Nik Eugster, Programmleiter von "Energy Bern". Der iTunes-Hit war nur kurz zu hören, als Müslüm Studiogast bei Energy war. "Und am nächsten Tag war Erich Hess bei uns im Studio." Bei "Capital FM" läuft der Song auch nicht. "Er passt nicht ins musikalische Konzept", sagt Musik-Redaktor Sandro Meli. Als einzige Radiostation der Stadt spielt das Kulturradio "Rabe" den Song regelmässig. Musik-Chef Tinu Schneider sind die Drohungen von Fuchs egal: "Wir spielen den Song trotzdem. Im Gegenteil: Wir verdoppeln den Airplay und bringen den Song mindestens zwei-bis dreimal pro Tag!"

Thomas Fuchs ruft nun die Bevölkerung auf, Radiostationen mit Zeitangabe des gespielten Songs zu melden.

Bernerzeitung.ch 16.8.10

Reitschul-Initiative: Bund der Steuerzahler droht Radiostationen mit Klage

sda / vh

 Im Abstimmungskampf um das autonome Berner Kulturzentrum Reitschule wird der Ton schärfer: Der Bund der Steuerzahler von SVP-Grossrat Thomas Fuchs droht Radio- und TV- Stationen mit einer Klage. Die Radiostationen nehmen es gelassen.

 Thomas Fuchs droht mit einer Klage, falls der Song der CD "Reitschule beatet mehr" ausgestrahlt wird. Im Vorfeld von Abstimmungen sei politische Werbung in Radio- und TV-Sendungen unzulässig, schreibt Fuchs in einer Medienmitteilung vom Montag. Songs wie jener des Berner Komikers "Müslüm" ("Erich, warum bisch du nid Ehrlich?") würden "klar" gegen die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes verstossen, so Fuchs.

 Nicht jeder Song der CD stelle politische Werbung dar, so Fuchs auf Anfrage. Das sei aber dann der Fall, wenn es etwa - im Song von "Müslüm" - heisse: "Erich mein Kollege, komm und hol dir den Schlüssel".

 Eine Klage könnten die Radio- und TV-Stationen vermeiden, wenn sie den Befürwortern der Reitschulinitiative gleich viel Sendezeit einräumten.

 Der Bund der Steuerzahler gibt in der gleichen Mitteilung auch bekannt, dass er die Kampagne für den Verkauf der Reitschule "aufgrund der schweizweiten Signalwirkung" mit "mindestens einem fünfstelligen Betrag" unterstützt. Er werde auch eine eigene Kampagne führen.

 Über die Initiative, die die Schliessung und den Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden fordert, wird in der Stadt Bern am 26. September abgestimmt. Urheber der Initiative ist ein rechtsbürgerliches Komitee unter dem Präsidium von JSVP-Grossrat Erich Hess. Thomas Fuchs sitzt ebenfalls im Initiativkomitee.

 Keine Aufregung bei Lokalradios

 Bei den beiden Berner Lokalradiostationen Energy und Capital FM sorgte die Drohung von Fuchs am Montag nicht für Aufregung. Capital- FM-Redaktionsleiterin Bettina Studer sagte auf Anfrage, ihre Station strahle die Songs der fraglichen Station gar nicht aus. Sie passten nicht ins Konzept.

 Die fragliche CD sei aber in einer Sendung zur Sprache gekommen - darin habe die Redaktion aber auch die Reitschulgegner zu Wort kommen lassen. "Wir bemühen uns um Gleichbehandlung."

 Dasselbe sagte ebenfalls auf Anfrage Nik Eugster, Programmleiter des Radios Energy Bern. Zwar führt auch dieses Radio die Songs nicht in der sogenannten Playlist. Doch nachdem "Müslüm" im Studio zu Gast war, durfte sich auch Erich Hess bei Radio Energy äussern. "Wir kennen die journalistischen Grundregeln", so Eugster.

 "Reitschule bietet mehr" nimmt Drohung zur Kenntnis

 Das Abstimmungskomitee "Reitschule bietet mehr" hat die Drohungen von Thomas Fuchs und der BDS gegen die Radiostationen zur Kenntnis genommen. Es hofft, dass die Radiostationen sich von seiner sehr "kreativen" Auslegung des Radio- und Fernsehgesetzes nicht einschüchtern lassen, wie das Komitee in einer Mitteilung schreibt.

 Dass die Kreativität ansonsten nicht zu den Stärken der Reitschul-GegnerInnen gehöre, zeige die Tatsache, dass sie bereits zum vierten Mal versuchen, die Reitschule mittels einer Initiative zu schliessen. "Wir sind überzeugt, dass sie zum vierten Mal grandios scheitern werden und mit ihrer Zwängerei bloss eine Menge städtischer Steuergelder verschleudern - das sollte dem "Bund der Steuerzahler" BDS arg zu denken geben", so das Komitee weiter.

 Der Verkauf der CD "Reitschule beatet mehr" habe die Erwartungen des Komitees bei weitem übertroffen. Die erste Pressung von 2000 Exemplare sei schon beinahe ausverkauft, die nächsten 2000 seien bestellt, führt das Abstimmungskomitee aus.

 

bds-schweiz.ch 16.8.10

 

Mitteilung vom 16. August 2010


Der BDS Bern schaltet sich in den Kampf gegen die Reitschule ein

 
Der Bund der Steuerzahler unterstützt an vorderster Front und mit erheblichen eigenen Mitteln die Bemühungen zur Schliessung der Reitschule

Der Bund der Steuerzahler des Kantons Bern (BDS)  unterstützt die Bestrebungen zur Schliessung und zum Verkauf der Reitschule aktiv mit einer eigenen Kampagne und, dies aufgrund der schweizweiten Signalwirkung, mit mindestens einem fünfstelligen Betrag. Je nach Eingang von Spendengeldern wird nebst einer Flugblattaktion auch noch eine Plakataktion mit den beiden Sujets durchgeführt.

Die Beiträge von Stadtberner Steuergeldern in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken, die jährlich für die Reitschule verschleudert werden, sind nicht mehr akzeptabel. Gleichzeitig ist dieser rechtsfreie Raum nun umgehend stillzulegen.

Es bleibt den unzähligen Kulturschaffenden, die für die Reitschule Sympathie verspüren, unbenommen, via eine eigene Trägerschaft selber eine Kaufofferte einzureichen. Anschliessend hätten sie wie alle anderen Hauseigentümer in den engen Maschen der Stadtberner Vorschriften die Möglichkeit, die Reithalle mit eigenen Mitteln umzubauen, ohne dass dabei weiterhin die steuerzahlende Bevölkerung belangt werden muss.

Mit Befremden nimmt der BDS von der Kampagne verschiedener Musiker gegen Exponenten der Reitschulinitiative Kenntnis. Offenbar will man mit gewissen Songs (und verdeckter Aufforderung zur Gewalt) unliebsame Politiker mundtot machen.

Der BDS weist darauf hin, dass mit der Initiative ein rechtmässiges Volksrecht genutzt wurde und von über 5‘000 Bernerinnen und Berner rechtsgültig unterzeichnet wurde. Offenbar hat man im Umfeld der Reitschule mehr Erfahrung mit illegalen und unbewilligten Massnahmen.

Der BDS fordert die Radio- und TV-Stationen auf, die "Reitschulsongs" bis am Tage nach der Abstimmung von Ende September nicht mehr auszustrahlen oder im Gegenzug den Befürwortern eben so viel Sendeplatz einzuräumen. Politische Werbung in Radio und Fernsehen ist gemäss Artikel 18 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) verboten. Die Songs von Müslim, Tomazobi und weiteren Gruppen verstossen klar gegen die Bestimmungen, wonach politische Werbung im Vorfeld von Abstimmungen unzulässig ist. Ohne Gegenrecht an die Initianten wird der BDS gegen die entsprechenden Radiostationen Beschwerden und Klagen beim Bundesamt für Kommunikation führen, welches neu für solche Beschwerden zuständig ist. Der BDS bittet die Bevölkerung,  entsprechenden Radiostationen mit Zeitangaben der gespielten Songs dem BDS via Internet zu melden.

Bei Rückfragen steht zur Verfügung:
Grossrat Thomas Fuchs,
Geschäftsführer Bund der Steuerzahler Kanton Bern
tf@thomas-fuchs.ch
Tel.  079 302 10 09

BZ 14.8.10

 

Reitschule-CD


 "Müslüm geht durchs Dach"


 Wegen des Erich-Hess-Songs von Komiker Müslüm ist der Pro-Reitschule-Sampler nach nur einer Woche fast ausverkauft.

 "Wahnsinnig mutig" sei es gewesen, sagt Nick Werren, als man von der Abstimmungs-CD "Reitschule beatet mehr" 2000 Stück pressen liess. Normalerweise lasse man bloss 1000 Exemplare machen. Doch nun gehen dem Manager des Labels, auf welchem die CD erschien, langsam die Bestände aus: "Am Wochenende werden wir wohl beschliessen, noch einmal 2000 CDs pressen zu lassen." Hauptgrund für den Erfolg sei ganz klar der bereits Kult gewordene Beitrag des Komikers Müslüm. "Erich, warum bisch nid ehrlich?" kletterte in den internationalen iTunes-Charts auf Platz 9, bei Youtube gehört der entsprechende Clip zu den meistgesehenen Beiträgen. "Müslüm geht durchs Dach", resümiert Nick Werren.

 Müslüms Song wendet sich an SVP-Politiker Erich Hess, der die jüngste Initiative zur Reitschule-Schliessung angestossen hat. Die Bernerinnen und Berner können am 26. September über die Initiative befinden.
 azu

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sf.tv 14.8.10

 

Reitschule-Protest-Song mischt Charts auf


sf/koua

 Der Berner Stadtrat Erich Hess hat mit seiner Initiative zur Schliessung und Umnützung der Reitschule den Zorn der lokalen Künstler auf sich gezogen. Kurz vor der Abstimmung rechnet Komiker Müslüm in einem Song mit dem Initianten der SVP auf ironische Weise ab. Das Lied kletterte inzwischen auf Platz sieben der Schweizer I-Tunes-Charts.

 Im Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?", nehmen Telefonscherz-Mann Müslüm, der mit Scherzanrufen auf "Radio 105" bekannte wurde, und diverse Berner Musiker wie Steff la Cheffe, Greis oder Tomazobi den Präsidenten der Jungen SVP Schweiz aufs Korn.

 Hess selber reagierte gelassen. Der Inhalt sei noch im Rahmen, sagte er gegenüber dem Berner "Bund".

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St. Galler Tagblatt 14.8.10

 

Leute


 Der Präsident der Jungen SVP, Erich Hess, ist über Nacht zum Hitparadenstar geworden. Möglich gemacht hat das ausgerechnet der politische Gegner. Denn Akteure der Berner Reitschule führen einen phantasievollen Wahlkampf. Der Komiker Semih Yavsaner ("Müslüm") hat Hess einen skurrilen Türk-Pop-Song gewidmet ("Erich, warum bisch Du nid ehrlich?"), zahlreiche Künstler machen im Video mit. In den nationalen iTunes-Download-Charts ist der Song bereits auf Platz 9 angekommen und hat die aktuellen Hits von Stars wie Eminem hinter sich gelassen. Das Video auf YouTube wurde innert einer Woche mehr als 80 000mal angeklickt.

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Aargauer Zeitung 14.8.10

 

Erich J. Hess, Hitparadenstar


 Der JSVP-Politiker macht unfreiwillig Karriere

 Erich J. Hess, der Präsident der Jungen SVP, ist über Nacht zum Hitparadenstar geworden. Möglich gemacht hat das ausgerechnet der politische Gegner. Denn die Aktivisten der Berner Reitschule, die mit Hess einmal mehr um die Gunst der Stimmbürger buhlen, führen einen fantasievollen Wahlkampf. Der Komiker Semih Yavsaner ("Müslüm") hat Hess einen skurrilen Türk-Pop-Song gewidmet ("Erich, warum bisch du nid ehrlich"?), zahlreiche Künstler machen im Video mit - der Erfolg ist durchschlagend.

 In den nationalen iTunes-Download-Charts ist der Song bereits auf Platz 9 angekommen. Das Video auf Youtube wurde innert einer Woche über 80000-mal angeklickt. Hess stört sich nicht am Song, wie er verlauten liess. Immerhin bringt Müslüm auch ihn in die Schlagzeilen, wenngleich wenig vorteilhaft. (sda)

 Video: www.youtube.com, Stichwort Erich J. Hess

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Südostschweiz 14.8.10

 

People


 Erich Hess, der Präsident der Jungen SVP, ist über Nacht zum Hitparadenstar geworden. Möglich gemacht hat das ausgerechnet der politische Gegner. Die Aktivisten der Berner Reitschule, die mit Hess einmal mehr um die Gunst der Stimmbürger buhlen, führten den Komiker Semih Yavsaner alias Müslüm in den Wahlkampf. Dieser hat Hess einen skurrilen Türk-Pop-Song gewidmet ("Erich, warum bisch Du nid ehrlich?") - mit durchschlagendem Erfolg. In den nationalen iTunes-Download-Charts ist der Song bereits auf Platz 9 angekommen. (sda)

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Bund 13.8.10

 

Alle lieben Müslüm - selbst die Bären


 Der unglaubliche Aufstieg des Berner Komikers Semih Yavsaner zum Liebling der Nation.

 Christoph Lenz

 So schaut einer, der die Welt nicht mehr versteht. Abgekämpft hängt Semih Yavsaner im Aufenthaltsraum des Berner Alternativradios RaBe auf einem Sofa, den Blick starr auf die Wand gerichtet. Es scheint, als suchte er dort nach Erklärungen. Aber er findet keine. Er atmet ein und wieder aus, ein und wieder aus. Wie soll einer seine Gedanken ordnen können, wenn alle Ordnung aus der Welt verschwunden ist? Jetzt dreht er den Kopf zur Seite. Semih Yavsaner sagt: "Eine Woche dauert das jetzt schon." Seine müden Schultern fragen: Wie lange noch?

 Jetzt bräuchte er einen Masseur oder einen Mentalcoach. Jemanden, der ihn wieder aufbaut nach einem Tag wie diesem - mit Videodrehs für das Schweizer Fernsehen, mit Anrufen von Radiostationen, Zeitungen, Künstlern und Plattenfirmen, mit Hunderten Facebook-Anfragen, mit wildfremden Menschen, die ihn in der Stadt anhauen, ihm auf die Schulter klopfen, einen Witz hören möchten. Plötzlich wollen alle ein Stück von ihm. Bis jetzt hat er allen immer gegeben, was sie wollten. Nun fürchtet er sich, dass plötzlich nichts mehr von ihm übrig ist.

 Semih Yavsaner, 30, hat keinen Masseur und keinen Mentalcoach. Woher auch? Er hat auch keinen Manager und keinen Agenten. Er hat nur Müslüm. Und stellt vielleicht gerade jetzt fest, dass sie zu zweit doch zu wenige sind, um das zu meistern, was da auf sie zurollt. Nein, auf ihn zurollt. Denn Semih Yavsaner ist Müslüm. Und Müslüm ist so etwas wie die grösste Schweizer Sensation des Jetzt, der Star der Stunde. Gerade hat ihm eine Plattenfirma drei Verträge zur Unterschrift vorgelegt. Yavsaners Problem: "Ich weiss nicht, welchen ich unterschreiben soll."

 Ein Award von Youtube

 80 000 Mal wurde Müslüms Videoclip "Erich, warum bisch du nid ehrlich" in der letzten Woche auf Youtube angeklickt. Am Freitag rangierte der Song gar auf Platz 35 der meistgesehenen Beiträge bei Youtube - weltweit. Dafür hat Yavsaner sogar einen Award erhalten. In den Schweizer iTunes-Charts ist die Single inzwischen auf Platz 11 geklettert. Tendenz: stark steigend. Ziemlich viel Aufsehen für eine Berner Lokalgeschichte.

 Damit hätte er nicht gerechnet. "Niemals", sagt Yavsaner, der immer noch versucht, herauszufinden, wie es so kommen konnte. Der immer noch versucht, diese veränderte Welt zu begreifen. Fünfzehn Jahre arbeitet er schon als Künstler. Und nun hat ein dreiminütiger Videoclip sein Leben auf den Kopf gestellt. Das soll mal einer verstehen.

 "Die Geschichte kommt mir bekannt vor", sagt Yavsaner. "From zero to hero - wie Rocky Balboa."

 Andererseits: Wer das Video sieht, versteht alles. Müslüm, ein linkischer Immigrant mit starkem Akzent, struppigem Schnauzer und einer Vorliebe für aussergewöhnliche Klamotten erfrecht sich da, dem Fraktionspräsidenten der Stadtberner SVP Erich Hess mal so richtig die Knöpfe reinzutun. "Du bisch immär deprässiv, immer sind di andere schuld", singt Müslüm über einen lüpfigen Türk-Pop-Beat. Und: "Wir sind cheine Drögeler, Erich, warum sagsch du das? Wir sind für de Liebä und gegä de Fremdenhass." Das ist sein Statement zur Abstimmung über die Reitschul-Initiative der SVP: allerfeinste Satire, die zu grossen Vergleichen nötigt. Man denkt an Giacobbos Harry Hasler, an Müllers Mergim Muzzafer und natürlich an den deutsch-türkischen Vorzeige-Komödianten Kaya Yanar. Das Umwerfende daran: Müslüm ist besser. Er bringt die Leute nicht nur zum Lachen. Er bringt sie zum Tanzen.

 Vielleicht ist es kein Wunder

 Und zum Ausflippen. So wie am Mittwoch, als er mit dem Filmteam der SF-Peoplesendung "Glanz & Gloria" am Bärengraben war. Tausende Leute säumten das Gehege. Da verkündete Müslüm den Besuchern, er verfüge über die Fähigkeit, mit den Bären zu kommunizieren. Zum Beweis stellte er sich an die Brüstung und stiess einen Urlaut aus. Die Bären drehten augenblicklich die Köpfe nach ihm um, setzten sich in Bewegung und trabten in seine Richtung, 70 Meter weit. Dann, unmittelbar vor seiner Nase, blieben sie stehen und glotzten ihn an. Die Besucher trauten ihren Augen kaum, sie klatschten, johlten und jubelten. Semih Yavsaner strahlt vor Glück, als er die Geschichte erzählt. Vielleicht war es kein Wunder. Vielleicht ist das ein Gesetz in dieser neuen Welt des Semih Yavsaner: Was Semih auch tut, es gelingt ihm.

 Das war nicht immer so. Semih Yavsaner wird 1979 in Bern als zweites Kind einer türkischen Gastarbeiterfamilie geboren. Die Mutter arbeitet in der Pflege, der Vater ist Abwart, kombiniert zeitweise mehrere Jobs, um die Familie durchzubringen. Semih interessiert sich nicht besonders für die Schule. Nach den obligatorischen neun Jahren verzichtet er darauf, eine Lehre zu machen. Wozu auch, er will ja Künstler werden. Seinen Eltern bereitet er viel Kummer in diesen Jahren. Zwischendurch absolviert er noch die Handelsschule, von seinem Künstlertraum bringt ihn diese indes nicht ab. Um sich über Wasser zu halten, jobbt er mal als Pizzabäcker, mal als Call-Agent. Seine Leidenschaft gilt dem Rap und dem Mikrofon des Berner Radios RaBe. Hier wird er später auch die Figur Müslüm entwickeln. Doch vorerst sammelt er schlechte Erfahrungen.

 Wenn er sich bei Radiostationen bewirbt, wird er nach seinem Abschluss, seinem Hochschuldiplom, seiner Erfahrung gefragt. Semih Yavsaner hat nichts vorzuweisen. Wenn er den Chefs sagt: "Ich bin ein guter Unterhalter", kriegt er fünf Minuten Zeit, sie davon zu überzeugen. Aber lustig sein auf Befehl, das liegt ihm nicht. Später steckt Semih Yavsaner seine Energie in den Soundtrack zum Schweizer Film "The Ring Thing". Die Persiflage auf "Lord of the Rings" wird zum grössten Flop der Schweizer Filmgeschichte. Und Semih Yavsaner verliert allmählich den Mut.

 Die Mächtigen am Draht

 Erst als er zum Radio RaBe zurückkehrt, geht es aufwärts. Yavsaner kriegt eine eigene Sendung: Semih's Supreme Show. Er macht Interviews, Sketche und Telefonscherze. Und hier hat Müslüm seine ersten grossen Auftritte. Müslüm ruft in einer Käserei an und schlägt dem Besitzer vor, das Geschäft gemeinsam zur Kebab-Bude umzubauen. Müslüm erkundigt sich beim Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, warum die Zürcher Langstrasse nicht als Sujet für die neue 20-Franken-Note taugt. Müslüm bewirbt sich bei der Berner Kantonspolizei. Sein Problem, die Sache mit dem Tankstellenüberfall vor vier Jahren. Drei Menschen seien dabei gestorben. "Aber meine Chollege hat geschossen", sagt Müslüm der Personalleiterin. Und dass er ein besserer Mensch geworden sei. Den Job als Polizist kriegt er trotzdem nicht.

 Die Lacher aber hat er auf seiner Seite. Das Geheimnis der Telefonscherze: Müslüm ruft die Mächtigen an, die Respektierten und die Angesehenen. Und dann spricht er mit ihnen, als wären sie seinesgleichen.

 Aber: Was will er denn genau, dieser Müslüm? Semih Yavsaner denkt lange nach. "Müslüm hat ein emotionales ADS. Er liebt alle Menschen und will es ihnen zeigen. Müslüm will die Leute glücklich machen. 364 Tage im Jahr sind die Menschen grob. Dann kommt Weihnachten und sie sind nett zueinander. Müslüm versteht das nicht. Er möchte, dass immer Weihnachten ist."

 Was, wenn nichts kommt?

 Ein gutes Stichwort. Eine Woche dauert Semih Yavsaners Weihnachten nun schon. Später im Interview fragt er gleich selbst: "Wie lange noch?" Der Rummel könnte schnell wieder vorbei sein. Es herrscht eine doppelte Unsicherheit in Semih Yavsaners neuer Welt. Was kommt als Nächstes? Und was, wenn als Nächstes gar nichts kommt? Klar, er hat jetzt einen Hit, aber immer noch keine Hochschuldiplome. Semih Yavsaner spricht von Theaterkursen, die er besuchen will. Vielleicht auch mal in eine Vorlesung gehen. Drehbücher schreiben, das fände er toll. "Aber wie soll das gehen? Ich habe in meinem Leben drei Bücher gelesen. Maximal."

 Die Drehbücher verschiebt Semih dann doch auf später. Im Dezember soll das erste Album von Müslüm erscheinen. Natürlich: ein Weihnachtsalbum. Semih Yavsaner muss sich nur noch einen Manager zulegen und sich für den richtigen Plattenvertrag entscheiden. Tönt eigentlich ganz einfach.

Müslüm auf Youtube: Suche mit den Stichworten "Müslüm" und "Erich".

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Bund 13.8.10

 

SVP wirbt für Verkauf der Reitschule


 Das Initiativkomitee rund um den Präsidenten Erich J. Hess hat gestern die Abstimmungskampagne zu "Schliessung und Verkauf der Reitschule" lanciert. Im "Bund"-Interview spricht Hess, SVP-Gross- und -Stadtrat, über die Kultur der Reitschule, Angriffe gegen seine Person und die Chancen, dass die Initiative am 26. September von der Berner Stimmbevölkerung angenommen wird. (reh) - Seite 19

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"Bern ohne die Reithalle wäre keine kulturelle Wüste"

 Erich J. Hess, Präsident des Initiativkomitees gegen die Reitschule, hofft, dass aus dem Kulturzentrum etwas "Anständiges" wird.

 Interview: Rahel Bucher

 Viele Berner schätzen die Reitschule für ihr kulturelles Angebot. Waren Sie auch schon an einer Veranstaltung in der Reitschule?

 Nein, ich war noch nie an einem kulturellen Anlass. Erstens, weil die Reithalle keine Kultur bietet, die mich anspricht. Zweitens wäre es wahrscheinlich zu gefährlich, wenn ich mich in der Reithalle zeigen würde. Die Aggressionen gegen meine Person sind etwas hoch.

 Sie haben sich also nie ein eigenes Bild von der Reitschule gemacht?

 Doch, etwa vor drei Jahren. Damals habe ich im Stadtrat einen Wettbewerb gewonnen. Der Preis war die Besichtigung der Reithalle. Ich bin nur gegangen, weil mir die Reitschüler zugesichert haben, dass sie sich um meine Sicherheit sorgen werden. Das haben sie auch gemacht.

 Schon drei Mal - 1990, 2000 und 2005 - haben sich die Berner gegen eine kommerzielle Umnutzung der Reitschule ausgesprochen. 1999 stimmten sie auch einem Sanierungskredit zu. Wieso ist jetzt der richtige Zeitpunkt, zum vierten Mal über die Schliessung abzustimmen?

 Richtige Schliessungsinitiativen gab es seit 20 Jahren nicht mehr. Ich glaube, nach 20 Jahren dürfen wir wieder einmal über die Schliessung der Reithalle diskutieren. Die Reithalle hat immer wieder Verbesserung versprochen, was nie eingetroffen ist. Das beste Beispiel ist der 6. Oktober 2007, als die Reitschüler die Kundgebung gegen die SVP organisierten und dabei die ganze Stadt kurz und klein geschlagen haben. Besserung gibt es erst seit eineinhalb Jahren, also seitdem unsere Initiative eingereicht wurde.

 Ihre Gegner werfen Ihnen vor, die Initiative zur Selbstprofilierung (im Hinblick auf die Grossratswahlen im Frühling 2010) lanciert zu haben. Was sagen Sie dazu?

 Die haben sonst keine oder zu wenig Argumente gegen die Initiative. Deshalb werde ich wahrscheinlich persönlich relativ häufig und stark angegriffen. Dies obwohl auch sehr viele andere Bernerinnen und Berner sehen, dass es an der Zeit ist, die Reithalle zu räumen.

 Kino, Einkaufszentrum oder Sporthalle: Wird die Initiative angenommen, soll die Reitschule vom meistbietenden Käufer umgenutzt werden. Warum lassen Sie die künftige Nutzung der Reitschule offen?

 Wir wissen ja noch nicht, wer schlussendlich am meisten zahlen wird für die Reitschule. Mich würde es natürlich freuen, wenn etwas Anständiges reinkommt. Seien das Büroräumlichkeiten, Einkaufsläden, ein Barbetrieb oder eine Markthalle. Da bestehen viele Möglichkeiten. Sobald jemand die Reithalle gekauft hat, muss der Käufer die Verantwortung dafür tragen. Somit können sich nicht mehr alle herausreden.

 Sie bezeichnen die Reitschule als rechtsfreien Raum und Hort für Gewalt, Terrorismus und linksextremes Gedankengut. Denken Sie, diese Phänomene mit der Schliessung der Reithalle aus Bern zu verbannen?

 Ich glaube, dass sich durch die Schliessung der Reitschule die Probleme aus dem Zentrum heraus verlagern und dadurch massiv kleiner würden. Natürlich müsste die Polizei gerade in der Anfangsphase genug repressiv sein, damit es zu keiner Verlagerung in die Stadt hinein kommt.

 Die Reitschule ist ein Ort, an dem sich Randgruppen und Minderheiten auf- halten können. Wo sollen Sie hin, wenn es die Reitschule nicht mehr gibt?

 Es kann nicht die Aufgabe der Stadt sein, solchen Randgruppen mitten in der Stadt ein Zuhause zu bieten. Zudem kommen viele Leute, die sich in der Reitschule aufhalten, von ausserhalb der Stadt Bern. Ich bin der Meinung, dass Bern nicht auf die ganze Welt aufpassen muss. Jede Gemeinde soll sich um ihre eigenen Randständigen kümmern.

 Mit der Schliessung der Reitschule würden viele Berner einen Ort verlieren, der für sie eine hohe kultur- und gesellschaftspolitische Bedeutung und Tradition hat. Was für Alternativen gibt es?

 In Bern gibt es viele subventionierte und ähnlich gelagerte Kulturbetriebe. So zum Beispiel den Progr, das Wasserwerk, den Gaskessel und . . . Ich glaube nicht, dass Bern ohne Reithalle plötzlich eine kulturelle Wüste wäre. Im Gegenteil: Es würde die privat schaffende Kultur anregen.

 Gemeinderat und Stadtrat lehnten die SVP-Initiative klar ab. Wie schätzen Sie die Chance ein?

 Der Abstimmungskampf ist gerade erst angelaufen, und wir wissen, dass in der Stadt Bern sehr viele Linke wohnen. Wir müssen es schaffen, die Leute über die bestehenden Missstände wie Kriminalität, gewalttätige Demonstrationen, Drogendeal in und rund um die Reithalle aufzuklären. Allenfalls können wir eine knappe Mehrheit erreichen.

 Der Promotor der letzten Anti-Reitschule-Initiative, Stadtrat Simon Glauser (SVP), ist im Initiativkomitee nicht dabei. Ist die Initiative auch in Teilen der SVP umstritten?

 Unsere Botschaft, dass die Reithalle geräumt und an den Meistbietenden verkauft werden soll, ist nicht bestritten.

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 Anti-Reitschule-Initiative

 SVP will Schliessung und Verkauf

 Das Initiativkomitee der Volksinitiative "Ja zu Schliessung und Verkauf der Reitschule" hat gestern seinen Abstimmungskampf eröffnet. Die Initiative fordert die Schliessung und den Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden. Erich J. Hess, Grossrat und Stadtrat SVP, Alexander Feuz, Präsident FDP Bern-Kirchenfeld, Roland Jakob, Vizepräsident SVP Stadt Bern, und Kevin Huber, Präsident Junge SVP Stadt Bern, begründen die Initiative damit, dass die jetzigen Zustände in und um die Reitschule unhaltbar seien und sich dringend etwas ändern müsse. Ob die Reitschule als Ort der Angst oder als Ort von kultur- und gesellschaftspolitischer Bedeutung für die Stadt Bern wahrgenommen wird, werden die Berner am 26. September entscheiden. (reh)

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BZ 13.8.10

 

Reitschule


 "Es herrscht Chaos und Gewalt"

 Die Befürworter einer Reithalle-Schliessung eröffneten gestern ihren Abstimmungskampf für den Urnengang im September.

 Seine Initiative zur Schliessung der Reitschule habe bereits einiges bewirkt, sagte SVP-Stadtrat und Grossrat Erich Hess gestern vor den Medien: "Seit der Lancierung vor anderthalb Jahren herrscht rund um die Reitschule Ruhe." Damit werde es bei einem Nein zur Initiative am 26. September rasch vorbei sein: "Dann gibts in Bern wieder ein Riesenchaos." Denn für Hess und seine Mitstreiter ist klar: Das Kulturangebot in der Reitschule ist bloss ein "Feigenblatt für kriminelle Handlungen". Die Reitschule sei ein rechtsfreier Raum, in und um das Gebäude herrsche Chaos und Gewalt, sagte Alexander Feuz, Präsident der FDP Kirchenfeld. Die städtische FDP hat noch keine Parole gefasst.

 Was gute Kultur ist

 Bei einer Schliessung der Reithalle würde Berns kulturelles Angebot nicht verarmen, sagte Erich Hess: "Progr, Gaskessel und Wasserwerk sprechen ungefähr dieselbe Klientel an." Die Reitschule biete ein tendenziöses Kulturprogramm, welches keine finanzielle Unterstützung durch die Stadt verdiene. "Gute Kultur ist jene Kultur, die sich selber finanziert", schloss Hess.

 Budget von 20 000 Franken

 Roland Jakob, Vizepräsident der städtischen SVP, skizzierte, was aus der Reitschule bei einem Ja am 26. September werden könnte: eine Nutzung durch Gewerbetreibende sei ebenso möglich wie "die erste integrative Wohnform und Begegnungszone für Jung und Alt". Gemäss der Initiative soll das Gebäude an den Meistbietenden verkauft werden.

 Obschon sich die Stadtberner Bevölkerung in den letzten Jahren bereits viermal für den Weiterbestand der Reitschule geäussert hat, sieht Hess eine reale Chance auf ein knappes Ja zu seiner Initiative: "Dafür müssen wir den Sand aus den Augen der Leute kriegen, welche die Reitschüler mit ihrer aufwendigen Kampagne gestreut haben." Hess spielte damit auf die breite Unterstützung der Nein-Kampagne durch Kulturschaffende an, welche unter anderem mit einer CD und Videoclips für die Reitschule Stimmung machen. Hess und sein Komitee verfügen laut eigenen Angaben bloss über ein Budget von 20 000 Franken.
 azu

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20 Minuten 13.8.10

 

Reitschul-Abstimmung: SVP buhlt nochmals um Stimmen


 BERN. Das Tauziehen um die Berner Reitschule geht in die letzte Runde: Nach dem Anti-Hess-Song von Initiativgegnern schlägt die SVP jetzt nochmals kräftig die Werbetrommel - auch mit linken Ideen.

 Galten bisher die Drogenszene, Vandalismus und Gewalt als Erich Hess' Hauptargumente für den Verkauf der Reitschule, geht der SVPler jetzt einen Schritt weiter, denn seit der Veröffentlichung des Müslüm-Spott-Videos weht ein anderer Wind. "Es kann nicht sein, dass Kultur produziert wird, die niemanden interessiert", provoziert Hess die Kulturschaffenden.

 Die Berner Rapperin Steff la Cheffe kontert: "Die Musik, die in der Reitschule gespielt wird, findet bestimmt ein grösseres junges Publikum als Schwiizerörgeli." Sie würde es begrüssen, wenn Hess als bekennender Freund der Volksmusik mal in die Reitschule kommen und deren vielfältiges Programm kennenlernen würde.

 Das Initiativkomitee betont, es sei der Kultur nicht grundsätzlich abgeneigt, und schlägt vor, aus der Reitschule könnte ein Museum oder ein Mehr-Generationen-Wohnhaus mit Begegnungszone entstehen.

 Trotz kulturfreundlicher Haltung: Auf den Verwendungszweck des Gebäudes hat auch die SVP keinen Einfluss. Würde die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" angenommen, hätte nämlich der Meistbietende das Sagen.  bigna silberschmidt

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Tagesanzeiger 13.8.10

 

Semih Yavsaner Die Kunstfigur des Berner Satirikers türkischer Herkunft wird zum Star auf Youtube.


 Müslüm kämpft für die Reitschule

Von Christoph Lenz

 Bis vor zehn Tagen hätten sich höchstens Soziologen für den Fall Semih Yavsaner interessiert: männlich, 30 Jahre alt, mit Handelsschulabschluss und Migrationshintergrund, vorübergehend arbeitslos. Jetzt kennt ihn die ganze Schweiz. Der Berner Semih Yavsaner ist Müslüm, ein linkischer Immigrant mit struppigem Schnauzer, starkem Akzent und einer Vorliebe für ausgefallene Klamotten. Und Müslüm, das ist der helvetische Youtube-Star der Stunde. 80 000-mal wurde sein Videoclip "Erich, warum bisch du nid ehrlich" in einer Woche angeklickt. Am Freitag rangierte der Song auf Platz 35 der meistgesehenen Beiträge bei Youtube. Weltweit. Ziemlich viel Aufsehen für eine Berner Lokalgeschichte.

 Am 28. September stimmt die Stadt Bern über eine Initiative ab, die den Verkauf des alternativen Kulturzentrums Reitschule fordert. Treibende Kraft hinter dem Volksbegehren ist Erich Hess, Fraktionspräsident der Stadtberner SVP. Ein 29-jähriger Politaufsteiger, der rhetorische Zurückhaltung für eher überschätzt hält. Besucher der Reitschule bezeichnet Hess gerne als Terroristen, Drogendealer oder Drögeler.

 Müslüm sieht das etwas anders: "Wir sind cheine Drögeler, Erich, warum sagsch du das? Wir sind für de Liebe und gegen de Fremdenhass." Das singt Müslüm in seinem Videoclip. Der Text ist unterlegt mit lüpfigem Türk-Pop. Der Videoclip: ein schrilles Spektakel aus Boygroup-Choreografie, Agitation und feinster Satire.

 Der Erfolg ist so durchschlagend, dass plötzlich alle ein Stück von ihm wollen. Erst waren es nur die Freunde und Bekannten auf Facebook, dann klopften die Medien an, nun eine Plattenfirma. "Bei mir zu Hause liegen drei unterschriftsreife Plattenverträge", sagt Yavsaner, der nicht weiss, welchen er unterzeichnen soll. Er habe keinen Manager und wenig Ahnung vom Geschäft. Immerhin, diese Geschichte kommt ihm bekannt vor: "From zero to hero - genau wie Rocky Balboa."

 Mit Rocky verbindet ihn nicht nur der rasante Aufstieg, sondern auch die Biografie. Semih Yavsaner ist der Sohn türkischer Gastarbeiter. Nach den obligatorischen neun Schuljahren verzichtete er auf eine Lehre. Warum auch, er wollte ja Künstler werden. Seine Eltern sorgten sich zwar, unterstützten ihn aber trotzdem. Um sich über Wasser zu halten, arbeitete Yavsaner mal als Pizzabäcker, mal als Call-Agent. Am Feierabend rappte er, ausserdem moderierte er eine Radiosendung im Berner Alternativradio RaBe.

 Hier entwickelte Yavsaner die Figur Müslüm. Seine Spezialität: Telefonscherze. Müslüm ruft in einer Käserei an und schlägt dem Besitzer vor, das Geschäft gemeinsam zur Kebab-Bude umzubauen. Müslüm erkundigt sich beim Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, warum die Zürcher Langstrasse nicht als Sujet für die neue 20-Franken-Note taugt. Müslüm bewirbt sich bei der Berner Kantonspolizei. Sein Problem, die Sache mit dem Tankstellenüberfall vor vier Jahren.

 Bei all seinen Gags baut Müslüm auf ein Urprinzip der Satire: Sie zeigt die Lächerlichkeit der Macht. Aber was will er überhaupt, dieser Müslüm? Semih Yavsaner denkt nach. "Müslüm will die Leute glücklich machen. 364 Tage im Jahr sind die Menschen grob. Dann kommt Weihnachten, und sie sind nett zueinander. Müslüm versteht das nicht. Er möchte, dass immer Weihnachten ist."

 Darauf arbeitet Yavsaner hin. Im Dezember soll das erste Album von Müslüm erscheinen. Natürlich: ein Weihnachtsalbum. Yavsaner muss sich nur noch für den richtigen Plattenvertrag entscheiden.

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Telebärn 12.8.10

 

Reitschul-Komitee bläst zum Angriff

http://www.kyte.tv/ch/telebaern/reitschulkomitee-blast-zum-angriff/c=84713&s=999305


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Blick am Abend 12.8.10

 

"Die Melodie gefällt mir"


 KAMPF

 Erich Hess findet den Müslüm-Song über ihn und die Reithalle gut - nur der Text sei schwach.

 Heute startete das Komitee, das die Reithalle an den Meistbietenden verkaufen möchte, den Abstimmungskampf. "Für Flyer und Plakate haben wir ein Budget von rund 20 000 Franken", sagt Initiant und SVP-Grossrat Erich Hess.

 Für Aufsehen sorgten im Abstimmungskampf bisher vor allem die Initiativ-Gegner mit dem Müslüm-Song "Erich, warum bisch Du nid ehrlich", der in der iTunes-Hitparade bereits auf Platz 13 ist. Was sagt Hess zum Song? "Die Melodie gefällt mir, aber der Text ist schwach. Offenbar müssen die Gegner auf meine Person zielen, weil ihnen Argumente gegen die Initiative fehlen." ehi

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bzonline.ch 12.8.10

 

Komitee wirbt für Schliessung und Verkauf der Reitschule


sda / vh

 Die Stimmberechtigten der Stadt Bern entscheiden im September ein fünftes Mal über das Schicksal der Reitschule. Ein Verkauf der Reitschule würde das Budget der Stadt entlasten, argumentiert das Initiativkomitee.

 Rechtsbürgerlichen Kreisen ist das alternative Kulturzentrum schon lange ein Dorn im Auge, sie haben am Donnerstag einmal mehr dessen Schliessung und Verkauf gefordert.

 Die Reitschul-Verantwortlichen setzten sich über Vorschriften des Rechtsstaats hinweg. Unter dem Deckmantel des kulturellen Angebots werde aber Extremismus, Drogenhandel und Kriminalität gefördert, schreiben die Vertreter des Initiativkomitees in einer Mitteilung vom Donnerstag.

 Deshalb müsse die Reitschule geschlossen und verkauft werden, wie dies die entsprechende Initiative verlange. In der Reitschule und um die Reitschule herrsche Chaos und Gewalt, sagte Alexander Feuz, Präsident der FDP Bern-Kirchenfeld, dessen Sektion die Initiative unterstützt. Die FDP-Stadtpartei hat noch keine Parole gefasst.

 Verkauf würde das Budget der Stadt entlasten

 Hinter dem Initiativkomitee steht insbesondere die Junge SVP. Der Berner SVP-Stadtrat und Grossrat Erich Hess sagte, in Bern gebe es ohnehin schon zu viele Kulturbetriebe, die mit Steuern subventioniert würden. Ein Verkauf der Reitschule würde das Budget der Stadt entlasten.

 Die Reitschul-Sympathisanten sind ebenfalls schon in den Abstimmungskampf gezogen. Unterstützung erhalten sie unter anderem von verschiedenen Berner Künstlern, die jüngst eine CD unter dem Titel "Reitschule beatet mehr" herausgegeben haben.

 Das alternative Kulturzentrum erregt seit Jahren die Stadtberner Gemüter. Für manche ist sie ein Schandfleck mitten in der Stadt, für andere eine seltene Kulturoase. Die Stadtberner Stimmberechtigten haben sich bereits viermal mit der Schliessung der Reitschule befasst und sie jedes Mal abgelehnt.

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Die Wochenzeitung, 12. August

Noch ein Bundesratskandidat? - Der Klischeetürke Müslüm hat mit einem Lied für die Berner Reitschule einen Hit gelandet.

Ein Gespräch mit Müslüm und seinem Erfinder oder Manager Semih Yavsaner.
Flügeli auch für Erich
Von Dinu Gautier (Text) und Manu Friederich (Foto)

Wer ist der Mann, der einen rosaroten Armani-Anzug und einen struppigen Schnurrbart trägt? Der Mann heisst Müslüm, zur Begrüssung jault er auf, gestikuliert, zieht Grimassen, redet von «Adrenalin», «Aggressione» und «Schlegele».

Dennoch hat man das Gefühl, der würde keinem Lämmli etwas zuleide tun. Falsch: Müslüm ist 0ausgebildeter Metzger. In die Schweiz ausgewandert, musste er erfahren, dass sein Diplom hierzulande wenig wert ist. Bei der Polizei wollte man ihn nicht anstellen. Er geriet auf die schiefe Bahn. Arbeitslosigkeit, Alkohol- und Spielsucht. Für die Gehilfenschaft bei einem Tankstellen­überfall sass er gar vier Jahre im Gefängnis. Heute sagt er: «Roulette, Roulette, du hasch mini Lebe kaputt gemacht.» Müslüm ist verheiratet mit Roswitha, einer Schweizerin. Auf die Frage nach der Anzahl Kinder weicht er aus: «Da fühl ich mich ein birrebitzeli wie ein Meterolog, der unsicher isch, wie das Wetter denn morge isch.»

Müslüm sei keine real existierende Person, behaupten böse Zungen. Semih Yavsaner, in Bern geborener Sohn türkischer MigrantInnen, habe die Figur im Rahmen seiner Sendung im alternativen Lokalradio Rabe erfunden, um Telefonscherze zu produzieren.

Dort isch de Subchultur

Gegenüber der WOZ bestreitet Müslüm diese Darstellung: «Semih hat mich zwar erschaffen, er isch aber eher eine Art Manager von mir.» Momentan ist Müslüm sein eigener Erfolg wichtiger: Noch muss er sich daran gewöhnen, auf der Strasse von Fremden erkannt zu werden. Vor einer Woche veröffentlichte er im Internet den Videoclip zu seinem ersten Song «Erich, warum bisch du nid ehrlich?». Es ist seither über 70 000 Mal angeschaut worden - ein Selbstläufer. Das Lied mit Hitpotenzial wirbt für ein Nein zur zigsten SVP-Initiative für eine Schliessung des alternativen Kulturzentrums Reitschule (siehe WOZ Nr. 31/10). SVP-Jungspund Erich Hess hatte die Initiative lanciert, Müslüm zeigt ihm im Videoclip, wie richtige Lokalpolitik funktioniert, wie man die Massen für skurrile Vorstösse begeistern kann.

Müslüm zur WOZ: «Die Politiker wollen die Reitschule schliesse, dort isch de Subchultur. Aber die Kasino und die Rotlichtmilieu isch geöffnet. Wo gehen denn unsere Chinder häre, nach zehn Uhr, wenn der Mehmet sein Döner nicht mehr verchouft und der Hansueli seine Käserei schon lange zu hat?»

Die Leute in der Reitschule seien nicht wie der Lokalpolitiker Hess «mit seine wunderschöne Haarfrisur», der sich nicht getraue, «füdeliblutt auf eine grosse Haufe zu liege und Liebe zu mache». Müslüm vertritt ein der SVP radikal entgegengesetztes politisches Programm: «Generell sind wir für die Friede, für die Liebe, für die Vielfalt, für das wir alle in einem Boot sitze. Auch wenn der Erich Hess rausfliegt, werden wir ihm eine Schwimmflügeli hintenache­schiesse und sage: ‹Erich chomm, für dich hat es auch eine Plätzli!›»

Plötzlich ist Müslüm verschwunden und Semih Yavsaner sitzt da. Von der einen auf die andere Sekunde verwandelt sich die Sprache, die Tonlage, die Gestik, der Blick. Yavsaner spricht Berndeutsch, spricht schnell und mit grosser Ernsthaftigkeit. Der Schalk aus Müslüms Augen ist weg, nicht aber die rhetorische Energie.

Yavsaner erzählt von einer «sehr schönen Kindheit» im Berner Wylerquartier, von seinen Eltern, die als Saisonniers in die Schweiz gekommen und hier geblieben sind. Die Mutter, die für die Spitex arbeite, der Vater, der diverse Abwartsstellen kombiniert und bis zu sechzehn Stunden am Tag gearbeitet habe, bis er vor ein paar Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Semih Yavsaner spielte Fussball, war beim Nachwuchs der Young Boys, die Schule sei ihm weniger gelegen. Er habe rebelliert, das sei nicht einfach gewesen, seinen Eltern gegenüber. Sie, die so hart gearbeitet hätten, und er, der ihnen sagte, er wolle es als Künstler, als Schauspieler versuchen.

Wenn die SVP über Ausländer oder IV-Bezüger herziehe, mache ihn das richtig wütend. Mit seiner Figur Müslüm teilt er die Abneigung gegen das Gleichgeschaltete, gegen die «Robocops», die alle wie ferngesteuert in eine Richtung gingen, sich nie berührten. «Es kann nur Leben entstehen, wenn man durcheinander geht, auch einmal aufeinanderprallt.» Er selber habe viel Party gefeiert, auch mal «Scheisse gebaut», langweilige Gelegenheitsjobs gemacht. Ein Handelsschuldiplom erlangte Yavsaner dann doch noch. Es folgten ein paar Jobs in der Telekommunikationsbranche.

1998 war Semih Yavsaner zum ersten Mal am Berner Kulturradio Rabe zu hören. «Ich bin hingestanden und habe irgendetwas erzählt. Mein Prinzip war: Nicht überlegen, machen!» Die Sendung wurde abgesetzt. «Ich war wohl ein bisschen zu primitiv», sagt Semih heute. Neun Jahre danach kehrte er zurück. «Semih Supreme Show» hiess die Sendung. Hier wurde Müslüm geboren, zunächst noch als namenlose Stimme. Müslüm machte Telefonscherze, der wohl beste ist im Internet zu finden: Müslüm ruft bei der Kantonspolizei Bern an: «Personaldienst, Kündig.» Müslüm: «Guten Tag Frau Kündig, bitte nid kündigen, i wott frage für Arbeit.» Es folgen sechs Minuten skurriler Dialog mit einer zunehmend irritierten Frau Kündig, die, als sie vom Tankstellenraub (mit Toten!) hört, sagt: «Dir heit haut scho grad öppis e chli Schlimms gmacht.»

Müslüm for President

Das Zürcher Privatradio «105» warb Yavsaner ab. «Müslüm - der Mann mit dem Telefonscherz» ging täglich auf Sendung, über 150 Mal. «Eine Leidenschaft wurde zur Arbeit.» Mit dem Druck umzugehen, jeden Tag einen Telefonscherz hinzubekommen, der auch noch lustig sein muss, sei nicht einfach gewesen. «Das Schlimmste für einen Komödianten ist es, wenn er sein eigenes Material nicht lustig findet und es trotzdem ausgestrahlt werden muss», so Yavsaner. Seit Juni arbeitet er nicht mehr für das Radio. In diesen Tagen hat sich eine neue berufliche Perspektive für den Vater eines kleinen Kindes aufgetan: «Es haben sich Plattenfirmen bei mir gemeldet, die den Videoclip gesehen haben.»

Plötzlich ist Müslüm wieder da. Er gibt «anatolische Weisheite» von sich: «Die Lebe isch wie eine Fussballspiel, wenn du in der erste Halbzeit hinten liegsch, dann musst du in der zweiten Halbzeit viele Tore schiesse - auch ohne Georges Bregy.» Eine letzte Frage an den Mann, der wohl bald die Charts stürmt: Wie ernst ist es ihm mit seinem Slogan «Müslüm for President»? Schielt er auf die frei werdenden Bundesratssitze? Müslüm: «Motivitation isch gross, aber ich habe mich gar nicht informiert über das. Darum am beste i gehe mal in de Internet, und dann schau ich mal an.»

Der Müslüm-Song ist auf dem Reitschule­Sampler (www.reitschulebeatetmehr.ch) und auf iTunes zu finden.

 

Blick am Abend 10.8.10


Müslüm jetzt auf iTünes

 SÜPER


 Komiker Müslüm gibts jetzt auch auf iTunes. Sein Song fliegt über Nacht in die Hitparade.

 Der Anti-Hess-Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich" ist der Renner auf Youtube. Jetzt gibts Kult-Komiker Müslüm aber auch schon auf iTunes zu kaufen. Für 1.60 Franken ist die Single zu haben.

 Der Song hat auch bei den Downloads eingeschlagen wie eine Bombe.

 Erst seit Dienstagabend erhältlich, lag der Titel heute Morgen um 6 Uhr schon auf Platz 23 der Single-Charts, Tendenz steigend. Die iTunes-Gemeinde hat Müslüm schon ins Herz geschlossen: "Love it! Schlichtweg der Sommerhit für den Berner Herbst", lautet ein Kommentar. Müslüm ist begeistert: "Dieser Erfolg ist der Beweis, dass die Leute immer noch ein Herzeli haben für die Liebe."

 Mit dem Riesenerfolg hat niemand gerechnet, auch Müslüm selbst nicht. Doch jetzt hat der Komiker schon wieder einen neuen Traum: "Dass alle meine Brüder den Song kaufen. Dann machen wir eine richtige Party, aber ohne Drögeli." pp

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20 Minuten 10.8.10


Schweizer Musikszene setzt sich für die Reitschule ein

 Various, "Reitschule beatet mehr", Endorphin Entertainment/Irascible.

 POP. Wenn sich die hiesige Musikszene für eine gemeinsame Sache - in diesem Fall gegen die Schliessung der Reithalle einsetzt, kann das Werk gross werden. Auf der politischen Scheibe rappen Baze, Steff la Cheffe und Allschwil Posse, singen Züri West, Patent Ochsner und Sophie Hunger und laden die Kummerbuben zum Tanz. Der Silberling vereint diverse Musikstile für einen politischen Zweck. Ebenfalls auf der CD befindet sich der Song von Müslüm "Erich, warum bisch du nid ehrlich". Der Clip zum Song erfreut sich auch auf YouTube grosser Beliebtheit. In drei Tagen wurde das Video fast 50 000-mal angeschaut. LSP

 

Blick am Abend, 10. August

Müslüm for Bundesrat

REITHALLE


Sein Anti-Hess-Video ist ein Hit auf Youtube. Jetzt spricht «Müslüm» Klartext.

peter.pflugshaupt@ringier.ch

Ein Youtube-Video erobert die Hauptstadt: «Erich, warum bisch du nid ehrlich?» Gemeint ist SVP-Stadtrat Erich Hess. Konkret geht es um den Abstimmungskampf zur Reithalle-Schliessung vom 26. September, der jetzt schon hart und emotional geführt wird. Hess und sein Komitee wollen die Schliessung der Reitschule an der Urne erzwingen. Jetzt kontern Freunde der Reithalle mit einer scharf gewürzten Antwort in Form einer absolut tanzbaren Videobotschaft auf Youtube. Mit Erfolg. «Der Song geht ab wie Usain Bolt», sagt Protagonist Müslüm. Der freche Clip hat sensationelle Downloadzahlen. Telefonscherz-Mann «Müslüm» verhöhnt dabei den Präsidenten der jungen SVP. Im Video mit dabei sind Berner Musiker wie Greis, Tomazobi oder Steff La Cheffe.

Hätte «Müslüm» den Schweizer Pass, er würde natürlich gegen die SVP-Initiative stimmen. Mehr noch: «Ich würde als Bundesrat kandidieren! Wenn einer wie Hess Parteipräsident wird, dann kann ich auch Bundesrat werden.»

Bis vor Kurzem kannte ihn nur eine eingefleischte Fangruppe – jetzt hat Müslüm Kultstatus.

Er kämpft aus Überzeugung an der Seite der Reithallen-Freunde. Wie weit würde er bei seinem Engagement für die umstrittene Berner Kulturstätte gehen? Müslüm: «Bis ans Ende der Welt!»

 

Radio Energy Bern, 10. August

http://www.energybern.ch/programm/id/muesluem-goes-energy-bern/


Berner Zeitung, 7. August

Der geliebte «Schandfleck»

Musikerinnen und Musiker setzen sich für die Reitschule ein: Auf der CD «Reitschule beatet mehr» gibt es 22 Bekenntnisse für den alternativen Berner Kulturort. Es ist eine Liebeserklärung an den «Schandfleck von Bern».

Als David Flach, MC von Churchhill, den Refrain anstimmt, fängt das Publikum an mitzunicken. «Du bisch mi Schandfläck vo Bärn. Du bisch so randständig, bisch so unanständig.»

Es ist eine Hymne an die Reitschule. Sie steht in ihrem 5. Abstimmungskampf in 23 Jahren und hat davon unverdrossen zu einer fröhlichen Charmeoffensive angesetzt. Zu dieser gehören Fan-Artikel wie Badetücher und Fahnen, wöchentliche, vor allem von älteren Semestern besuchte Führungen und jetzt eine CD mit 22 Bekenntnissen zur Reitschule. 16 davon waren bisher unveröffentlicht und werden exklusiv auf der Kompilation mit dem spielerischen Namen «Reitschule beatet mehr» veröffentlicht.

Neuentdeckungen

Die Vielfalt zeigt, dass die Reitschule weit mehr als ein Ort bestimmter randständiger Gruppierungen ist, zu dem sie von manchen stigmatisiert wird. Von Stiller Has über Sophie Hunger zu Patent Ochsner liessen sich Musikerinnen und Musiker von der Idee begeistern. In weniger als drei Monaten ist so ein abwechslungsreiches Album entstanden, das mit politischem Inhalt aufwartet und erst noch die eine oder andere Neuentdeckung erlaubt. Erwähnt sei an dieser Stelle der herrlich absurde Track «Erich, warum bisch du nid ehrlich?» von Müslüm. Müslüm, eine Kunstfigur, ist mit Telefonscherzen auf Radio RaBe bekannt geworden. Zu diesem Song gibt es übrigens auch ein Video zum Krummlachen.

Züri West hat eine Live-Aufnahme von «Lue zersch wohär dass dr Wind wääit» von 2001 aus dem Dachstock beigesteuert. «Die Reitschule ist bei uns eine ältere Geschichte», sagte Sänger Kuno Lauener an der Release-Party im Frauenraum. Er und Gitarrist Küse Fehlmann waren 1987 bei der Wiederbesetzung der Reitschule an vorderster Front dabei. Auch heute noch findet Kuno Lauener es «wunderbar, dass Bern sich so etwas wie die Reitschule leistet».

Ein Experimentierfeld

Die Rapperin Steff la Cheffe ist ebenso von der Reitschule geprägt worden – wenn auch Jahre später. «Ich war als 16-Jährige erstmals hier, es war für mich so etwas wie eine Erleuchtung», sagt die 23-Jährige. Sie habe an der Offenen Bühne im Restaurant Sous le Pont und an Hip-Hop-Jams in der damaligen I-Fluss-Bar ihre ersten Auftritte absolviert. Dieses Experimentierfeld schätzt sie an der Reitschule. «Und dass man sich hier auch ohne entsprechende Ausbildung einbringen kann.»

Für David Flach schliesslich bietet die Reitschule eine «riesige Vielfältigkeit, von einer Druckerei über Musiklokale zu Restaurants». Deshalb sei es für ihn klar gewesen, dass er den vermeintlichen «Schandfleck», den Touristen als Erstes sehen, wenn sie in die Stadt einfahren, besingen wolle. Als David Flach zum zweiten Mal den Refrain anstimmt, singt das Publikum mit.


Marina Bolzli

 

Der Bund, 6. August


Der kleine Bund
«Für die nächsten 30 oder 40 Jahre»

Jetzt schalten sich die Künstler ein: Mit einer CD wehren sich 22 Berner Bands und Musiker gegen den Verkauf der Reitschule. Steff La Cheffe und Kuno Lauener erklärten gestern Abend, warum.
Christoph Lenz

Vielleicht hat es auch für die Kulturschaffenden in der Reitschule sein Gutes, dass der Fortbestand ihres Zentrums mit schöner Regelmässigkeit durch eine Volksinitiative bedroht ist. Es könnte ihnen beispielsweise das Ausrichten eines Jubiläums ersparen. Die bei runden Geburtstagen obligaten Fragen – woher man kommt, wozu man eigentlich da ist und wohin der Weg noch führen könnte – stellt man sich im Kulturzentrum ohnehin immer dann, wenn eine Abstimmung ins Haus steht. Also: sehr oft in letzter Zeit.

Gedächtnis, Herz und Verstand

Auch die gestrige CD-Vernissage im Frauenraum war eine Sache für das Gedächtnis, den Verstand und das Herz. Zuerst ging es aber um den Bauch – genauer: die Wut daselbst. Denn, so erklärt Kollektivmitglied David Böhner den geladenen Medienvertretern: «Es scheisst schon an, ständig solche Abstimmungskämpfe führen zu müssen. Aber wir müssen halt.» Weil sich die Reitschule einerseits bei vielen Musikern in Bern grosser Beliebtheit erfreut, andererseits so ein Abstimmungskampf viel Geld kostet, das irgendwie wieder reinkommen muss – deshalb hat man sich in der Reitschule entschlossen, das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden und eine CD mit Beiträgen von 22 zugewandten Berner Bands zu veröffentlichen (siehe Box). Übrigens der erste CD-Release in der Geschichte der Reitschule.

«Saubere Büez»

Vom allerersten Konzert in der Reitschule berichtet anschliessend Zeitzeuge und Züri-West-Frontmann Kuno Lauener. Die Erzählung dreht sich um einen kanarienvogelgelben Ford Transit, neblige Nächte, 1000 unruhige Jugendliche, ein aufgebrochenes Türschloss und rauschende illegale Partys. Weil ihm seine Rolle als Geschichtenonkel dann aber doch nicht ganz geheuer zu sein scheint, kürzt Lauener, gerade als es so richtig gemütlich zu werden droht, ab: «Eine alte Geschichte» sei die Beziehung zwischen Züri West und der Reitschule. Beide seien sie schon seit langem da. Beide machten sie immer noch eine, wie er findet, «saubere Büez». Und beide gehörten sie einfach zu Bern dazu: «Hopp Reitschule! Hopp Züri West! Hopp YB!» Das Gedächtnis, oder bei den jungen Besuchern die Fantasie, ist ausreichend stimuliert. Danke.

Ans Herz und den Verstand appellierte zuvor die Berner Rapperin Steff La Cheffe, die wie Züri West einen bisher unveröffentlichten Song zum «Reitschule beatet mehr»-Sampler beigesteuert hat. So etwas wie eine Erleuchtung habe sie bei ihrem ersten Besuch in der Reitschule erlebt. Sie erinnert sich an die vielen spannenden Leute, die sie kennen lernen, und an die Möglichkeiten, die sie an dieser Adresse entdecken durfte. «Die Reitschule ist ein ideales Umfeld, um sich zu engagieren, um zu diskutieren und um Kultur zu machen.» Letzteres liegt Steff La Cheffe besonders am Herzen: Ihre ersten musikalischen Gehversuche hat sie an der Offenen Bühne im Restaurant Sous Le Pont und an den Hip-Hop-Jams in der Einfluss-Bar gemacht. «Die Reitschule ist einer der wichtigsten kulturellen Schauplätze Berns. Und das soll auch so bleiben.» Damit waren auch Küse Fehlmann und Gert Stäuble von Züri West einverstanden: Und zwar «mindestens für die nächsten 30 oder 40 Jahre».

 

Berner Kulturagenda 5. bis 11. August

Alle fünf Jahre wieder
Exklusive Songs für die Reitschule – Plattentaufe im Frauenraum

Die Reitschule wappnet sich kreativ für die Abstimmung über die Volksinitiative. Sie hat mal wieder Gelegenheit, sich zu zeigen und zu beweisen,
dass sie kein trojanisches Pferd mit einem Bauch voller Terroristen ist, sondern ein vielseitiges Kulturhaus.
Bern stimmt im September erneut über die Reitschule ab. Das kann nicht schaden, im Gegenteil, es beflügelt. Denn die Kulturszene bekennt sich zu ihr. Zum Beispiel mit dem Sampler «Reitschule beatet mehr», die im Frauenraum getauft wird.

Mehr

WoZ 5.8.10

Reitschule Bern - Wieder einmal müssen die Berner StimmbürgerInnen über die Zukunft des autonomen Kulturzentrums abstimmen. Ein rechtsbürgerliches Bündnis will es an den Meistbietenden verkaufen.


 "Erich, hast du keine Herzeli?"


 Von Silvia Süess


 Sie tun es also wieder: Alle paar Jahre versucht ein rechtsbürgerliches Bündnis in Bern den "Schandfleck von Bern", die Reitschule, irgendwie loszuwerden. Und dies stets erfolglos: Seit 1990 hat sich das Stimmvolk viermal gegen die Ideen der bürgerlichen Rechten gestellt, die Reitschule umzufunktionieren oder gar zu schliessen. Und trotzdem versuchen sie es wieder.


 Am 26. September müssen die Berner StimmbürgerInnen erneut über die Zukunft der Reitschule abstimmen. Präsident des überparteilichen Komitees zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!", die am 1. April 2009 dem Gemeinderat eingereicht wurde, ist der notorische Reitschule-Gegner Erich J.   Hess. Der Kampf gegen die Reitschule scheint für den Lastwagenführer, Gross rat, Stadtrat und Präsidenten der SVP/JSVP- Stadtratsfraktion zu einer Herzensangelegenheit geworden zu sein: "Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass die Reitschule weg muss", sagte Hess in einem Artikel im "Bund" vor drei Jahren und lancierte gut ein Jahr später seinen neusten Coup.


 "Eigentlich haben wir genug Kultur"


 "Verkauf der Berner Reitschule im Baurecht (Baurechtdauer 99 Jahre) auf den 31. März 2012 an den Meistbietenden. Die Liegenschaft ist bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen, damit sie nutzungsfrei übergeben werden kann", lautet der Initiativtext. Vorschläge, was in der Reitschule künftig Platz finden soll, bringt das Initiativkomitee auch gleich: "Kultur, die für jeden zugänglich ist", wie zum Beispiel eine Parkanlage mit integriertem Restaurantbetrieb als Treffpunkt für Jung und Alt, ein Mu seum oder ein Hallenbad mit Wellnessbereich. Wobei das mit der Kultur für Hess selber, der gemäss eigenen Aussagen noch nie einen kulturellen Anlass in der Reitschule besucht hat, nicht zwingend ist. "Wir haben eigentlich genug Kultur in der Stadt Bern, wir sind auf die Reithalle nicht angewiesen", sagt er der WOZ. Bezüglich der Abstimmung zeigt er sich zuversichtlich: "Ich hoffe, dass das Berner Stimmvolk endlich einsieht, dass die Reitschule ein Übel ist vom Dreck, von den Drogen, vom Chaos, das wir in der Stadt Bern haben. Denn von der Reitschule aus werden alle Demonstra tionen organisiert, und rund um die Reitschule ist immer ein Chaos."


 Während der bleiche junge Mann, der mit seiner Igelfrisur eher wie ein pubertierender Mofafahrer als wie ein polternder Jungpolitiker aussieht, verbissen in den Abstimmungskampf steigt - er bezeichnet die Reitschule-Besucher Innen gerne auch als Terroristen -, haben die BetreiberInnen der Reitschule unter dem Slogan "Die Reitschule bietet mehr!" lustvoll eine originelle Gegenkampagne lanciert. Dazu gehören professionell gemachte Werbespots, in denen unter anderem bekannte SchauspielerInnen wie Gilles Tschudi, Esther Gemsch oder Andreas Matti mitspielen, und öffentliche Führungen durch die Reitschule; auch wird Kampagnenmaterial wie ein Badetuch oder Fahnen angeboten.


 Berner Musikschaffen


Ausserdem erscheint diesen Donnerstag mit "Reitschule beatet mehr" eine CD zur Abstimmung. Darauf sind 22 Stücke von Berner MusikerInnen versammelt, sechzehn davon sind exklusive, bisher unveröffentlichte Tracks. Einerseits bietet die CD einen Einblick in das vielseitige Musikschaffen der Hauptstadt - zu hören sind unter anderen Züri West, Patent Ochsner, Stiller Has, Filewile, Reverend Beat Man, Steff la Cheffe -, andererseits hat es auf der CD ein paar sehr witzige, extra für die Gegenkampagne geschriebene Stücke. "Dr Erich wott für alli Shopping-Halligalli", singt das Trio Tomazobi, "Hey Erich, i frage

 mi, wohär du die Zue versicht nimmsch, hesch du würklich s'Gfühl, dass du die Abstimmig gwinnsch", rappt Churchhill, und Müslüm singt in einem orien talisch angehauchten Song: "Erich, warum bist du so, hast du keine Herzeli, hast du keine Liebe übercho?"


 Den Auftakt der CD macht Pedro Lenz, musikalisch begleitet von Paed Conca. In "Dr Buebli-Troum" erzählt Lenz von der Versteigerung der Reitschule: "Wer am meischte het, cha se ha." Dummerweise kommt es nicht so, wie sich dies die "stramme Buebli" mit "de chline Äugli, wo so wenig wit gseh o so schlächt luege" vorgestellt haben: Der Käufer der Reitschule eröffnet in Pedros Traum auf dem Areal nämlich eine Koranschule.


 "Reitschule beatet mehr" CD-Taufe in: Bern, Reitschule Frauenraum, Do, 5. August, 20 Uhr. https://www.reitschulebietetmehr.ch


Der Bund 27.07.2010

«Die Reitschule bietet mehr»

Rahel Bucher

 

Vor der Abstimmung vom 26. September 2010 stellt sich die Frage: Warum braucht es die Reitschule noch? Drei Betreiber geben eine Antwort und sprechen über Basisdemokratie, Sicherheit und Geld.


Es gibt in Bern Leute, die denken, in der Reitschule herrsche das pure Chaos. Ist dem so?


Tina Loser: Einige Leute denken, man könne hier machen, was man wolle. Sie unterschätzen die Komplexität der Strukturen (siehe Kasten, Anm. d. Red.). Was viele auch nicht wissen: Die Reitschule ist als Verein konstituiert.


Zum vierten Mal seit 1999 wird in diesem Herbst aufgrund einer rechtsbürgerlichen Initiative über die Schliessung der Reitschule abgestimmt. Warum braucht es die Reitschule unbedingt?


Ruedi Löffel: Wie unser Abstimmungsslogan sagt: Die Reitschule bietet mehr. Nämlich mehr Kultur, mehr Kino, mehr Musik, mehr Theater und mehr Engagement und Utopien für eine gute Welt. Die Reitschule ist ein Ort, wo versucht wird, sich möglichst selbstbestimmt und kollektiv zu organisieren. Die Gesellschaft soll dabei kreativ und kritisch betrachtet werden. Die Leute sollen einfach mal vorbeikommen und sich ein eigenes Bild der Reitschule machen.


Im Vorfeld der Abstimmung gibt es öffentliche Führungen durch die Reitschule. Wen wollt ihr damit erreichen?


Anna Bürgi: Die Führungen sind eine Chance, dass wir die Reitschule Menschen nahebringen, die sie noch nicht kennen und vielleicht auch gewisse Vorurteile haben.


Was unternimmt die Reitschule sonst noch im Hinblick auf die Abstimmung?


Löffel: Es geht vor allem darum, unsere Leute zu mobilisieren und zum Abstimmen zu bringen. Zudem ist es wichtig, unsere Probleme nicht zu verleugnen, gleichzeitig aber auch aufzuzeigen, dass viele dieser Probleme nicht direkt etwas mit der Reitschule zu tun haben.


Sie sprechen über den Vorplatz, der immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt.


Löffel: Der Vorplatz ist der Punkt, an dem die Welt, die wir leben wollen, mit der Realität kollidiert. An diesem Punkt kann man sich die Reitschule wie eine Insel vorstellen. Der Vorplatz ist die Brandung – manchmal schön ruhig, und dann stürmt es wieder.


Bürgi: Ja, der Vorplatz ist unser wunder Punkt. Auf dem Vorplatz werden Sachen zu unserem Problem, die eigentlich nicht unser Problem sind und die wir nicht lösen können. Im Zusammenhang mit dem Vorplatz ist es daher wichtig, die städtische Drogen-, Jugend- und Kulturpolitik und die Schweizer Asylpolitik immer wieder anzusprechen.


Über die Reitschule wird auch wegen Sicherheitsproblemen immer wieder berichtet. Wie können Sie diese gewährleisten?


Loser: Für die Sicherheit sind wir zuständig. Die Leute, die arbeiten, sind neben ihrer Tätigkeit auch immer noch als Zuhörer, Krankenschwestern und auch als Rausschmeisserinnen im Einsatz. Zudem gibt es eine Gruppe im Dachstock, die an Veranstaltungen ausschliesslich für die Sicherheit oder das Wohlbefinden der Gäste zuständig ist.


Entscheidungen werden in der Reithalle basisdemokratisch getroffen – für Aussenstehende ein grosses Rätsel. Wie funktioniert das?


Bürgi: Man diskutiert so lange, bis man einen Konsens gefunden hat. Allerdings stellt die Basisdemokratie relativ hohe Ansprüche an die Leute. Man muss einander zuhören und entgegenkommen. Es braucht viel gedankliche Flexibilität.


Und kommt es immer zu einer gemeinsamen Lösung?


Löffel: Es gibt immer einen Weg, hinter dem alle stehen.


Loser: Und man muss auch den Mut haben, für etwas keine Lösung zu finden. Auch wenn es nicht das Ziel ist.


Ist die Schliessung der Cafete ein Beispiel dafür, keine Lösung gefunden zu haben?


Bürgi: Nicht unbedingt. Wir haben der Cafete ja gekündigt, und nun ist sie besetzt.


Wie geht es jetzt weiter?


Loser: Wir sind im Moment im Prozess der Lösungsfindung.


Bürgi: Die Kündigung ist fix, und die Reitschule sucht nach neuen Nutzungen für den Raum.


Ist es in unserer individualisierten Gesellschaft überhaupt noch möglich, im Kollektiv etwas zu schaffen?


Bürgi: Es ist etwas total Schönes. Man hat immer Rückhalt und kann umgekehrt andere Menschen und ihre Vorhaben unterstützen.


Loser: Schwierig ist dabei der Kontrast zwischen den Gästen und uns Reitschülern. Man kann hier zwar viel. Aber man kann nicht einfach machen, was man will, denn so funktioniert auch eine Konsensdemokratie nicht mehr.


Löffel: Der Spagat beginnt eigentlich noch vor den Gästen und der Reitschule, nämlich mit dem Bedürfnis, hier einen Freiraum zu schaffen und auch mal an einem Sonntagabend auf dem Vorplatz zu feiern, und gleichzeitig dem Verständnis dafür, dass es Anwohner gibt, die gerne mal Ruhe haben möchten.


Mehrmals im Jahr gibt es in der Grossen Halle kommerzielle Veranstaltungen wie zum Beispiel Sven Väth. Wie lässt sich das mit dem nicht konsumorientierten Ideal der Reithalle vereinbaren?


Löffel: Zuerst einmal muss man sagen, dass die Grosse Halle ein eigenständiger Verein ist, der nicht in die Gesamtorganisationsstruktur der Reitschule integriert ist. Die Grosse Halle macht jedoch solche Veranstaltungen, damit sie kleinere Produktionen finanzieren kann.


Loser: Die Querfinanzierung betrifft nicht nur die Grosse Halle, sondern die Reitschule als Ganzes. Ein Kulturbetrieb, der nur Nischenveranstaltungen bedient, kann nicht überleben.


Auch eine Frage, die sich die Öffentlichkeit immer wieder stellt: Wie finanziert sich die Reitschule?


Loser: Zum einen werden wir von der Stadt unterstützt. Sie überweist den Stadtbauten eine jährliche Miete von 300 000 Franken. 60 000 Franken erhalten wir zudem für Wasser, Entsorgung und Abfall. Das Tojo-Theater wird mit 50 000 Franken und der Verein Grosse Halle mit 30 000 Franken subventioniert. Der ganze Rest ist selbsttragend und basiert auf Querfinanzierung. Dies sowohl innerhalb als auch zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen.


Sowohl organisatorisch als auch finanziell hat die Reitschule klare Strukturen. Ist sie dennoch – auch 23 Jahre nach der Besetzung – ein Freiraum?


Löffel: Sie ist mittlerweile vielmehr das Experiment einer anderen Gesellschaftsform.


Bürgi: Trotzdem ist es ein Raum, in dem man sich freier von gesellschaftlichen Zwängen bewegen kann.


Bund 25.6.10


Anti-Reitschul-Initiative der SVP wuchtig abgelehnt

Die Berner Reitschule wird nicht verkauft: Die Initiative der SVP hatte
gestern Abend im Stadtrat keine Chance.

Markus Dütschler

Als Einstimmung auf die Debatte bauten Reitschul-Aktivistinnen und
-Aktivisten gestern vor dem Rathaus eine Ausstellung auf, die die
vielfältigen gesellschaftlichen und kulturellen Nutzungen der Reitschule vor
Augen führte. Kunstschaffende boten einen "Werbespot" für die oft
umstrittene Einrichtung dar: die live jodelnde Christine Lauterburg oder der
ab Band sprechende Schriftsteller Pedro Lenz. Er führte den von der SVP
geforderten Verkauf des Kulturzentrums an den Meistbietenden ("Bund" vom
Mittwoch) ad absurdum, indem er das Risiko ausmalte, auf der Schützenmatte
könnte gar eine Koranschule entstehen.

Reithalle als "rechtloser Raum"

Für die GB/Ja-Fraktion sagte Lea Bill, die Initiative sei ein Zeichen für
mangelnde Lernfähigkeit und Ignoranz rechter Kreise, die schon dreimal
erfolglos versucht hätten, die Reitschule zu schliessen: Das Volk habe nie
mitgemacht. Eine Reduktion der Einrichtung auf Deal und Krawall sei unfair
und einseitig.

Der Initiant Erich Hess (SVP) zeichnete das Bild eines rechtsfreien Raums,
er Krawallbrüdern, Dealern und Linksextremen Unterschlupf biete. Offenbar
gebe es in Regierung und Verwaltung "kommunistenfreundliche" Personen, sagte
Hess zum Gaudi des Rates. Aus der Reitschule müsse etwas Gutes für die
gesamte Bevölkerung entstehen.

Versprechen: "Null - nichts - nada"

Kathrin Bertschy (GLP) sagte, die SVP giesse "Öl ins Feuer". Ruedi Keller
(SP) lobte die Freiwilligenarbeit, die in der Reitschule geleistet werde,
Bern bekomme für wenig Geld viel Kultur. Für die FDP sagte Bernhard Eicher,
kulturell sei die Halle interessant, aber politisch ein Flop. Alle
Besserungsversprechen gälten "null - nichts - nada", sagte er mehrmals und
gab so den Slogan für den Rest der Debatte vor. Rolf Zbinden (PDA) warf den
Bürgerlichen vor, das Gewaltthema sei ein Vorwand: Es gehe ihnen darum, eine
funktionierende Alternative abzuwürgen. Jimy Hofer (parteilos) nahm die 5000
Unterzeichner der Initiative in Schutz: Es seien "keine Löli", sondern Leute
mit einem echten Unbehagen. Hans Peter Aeberhard (FDP) zeigte sich
gespalten: Er sei es leid, neben der Kultur die radikalpolitischen
Nebenwirkungen zu ertragen.

Der Rat verwarf die Initiative weitgehend entlang dem Links-rechts-Graben
mit 53 Nein zu 15 Ja. Die Volksabstimmung findet im September statt.

 

BZ 25.6.10


Berner Stadtrat, Bekenntnis zur Reitschule

Die Reitschule soll ein Kulturzentrum bleiben: Der Berner Stadtrat lehnte
gestern die SVP-Initiative deutlich ab, welche die Reitschule an den
Meistbietenden verkaufen will. Die grosse Mehrheit wand der Reitschule ein
Kränzchen.

Den ganzen Nachmittag bis weit in den Abend hinein machten die
Reitschule-Betreiber gestern vor dem Rathaus mit Darbietungen Werbung in
eigener Sache. Auch im Innern des Rathauses wurde Werbung für das
Kulturzentrum gemacht: Von ganz links bis Mitte-rechts strichen
Stadträtinnen und Stadträte die Vorzüge der Reitschule hervor. Von einem
Kulturort mit "nationaler Bedeutung" sprach etwa Martin Schneider (BDP/CVP)
und ergänzte: "Die Reitschule macht viel weniger Probleme als andere
Kulturinstitutionen wie etwa das Stadttheater."

"SVP giesst Öl ins Feuer"

Auch die GLP stehe "voll und ganz" hinter dem Kulturbetrieb, sagte Kathrin
Bertschy: "Die Reitschule bringt Leben in eine etwas träge
Verwaltungsstadt." Sie lobte das "immense Engagement" der Beteiligten und
wies darauf hin, dass die Initiative den Planungsprozess für eine Aufwertung
der Schützenmatte torpedieren würde: "Die SVP giesst Öl ins Feuer." Für
Ruedi Keller (SP) ist der von der SVP angepeilte Verkauf ohne
Nutzungsstrategie ebenfalls "verantwortungslos - sowohl finanzpolitisch wie
städtebaulich."

Die SVP kassierte aber nicht nur inhaltlich Hiebe: Von zahlreichen Rednern
wurde kritisiert, dass die Partei erneut eine Anti-Reitschule-Initiative
lanciert habe, nachdem bereits 1990, 2000 und 2005 ähnliche Volksbegehren
deutlich abgelehnt wurden: "Die Initiative ist Zeichen für die mangelnde
Lernfähigkeit, Ignoranz und Respektlosigkeit der SVP." Die Partei ignoriere
den Volkswillen. Conradin Conzetti (GFL/EVP) bemühte das Sprüchlein "Hoppe,
hoppe Reiter" und ergänzte: "Die SVP reitet ihr Steckenpferdchen." Doch:
"Wenn kleine Kinder in den Sumpf plumpsen, dann lernen sie etwas daraus."
Auch das sei eine Reitschule.

FDP teilweise für Initiative

Initiant Erich Hess (SVP) hielt der Übermacht einigermassen tapfer entgegen
- seine Argumente sind wohl bekannt: Man wolle keine rechtsfreien Räume und
Rückzugsorte für Demonstranten und Dealer. Zudem werde in der Reitschule
"linksextremes Gedankengut" verbreitet. Im Eifer verstieg er sich gar auf
die Gleichung: "Wenn man die Reitschule weiter toleriert, toleriert man
Gewalt."

Partielle Unterstützung erhielt er von Teilen der FDP. Man habe ein
"gespaltenes Verhältnis zur Reitschule", gestand Bernhard Eicher. Das gründe
auch darin, dass das Kulturzentrum aus einer illegalen Besetzung entstanden
sei. Die FDP attestierte aber, dass es heute in der Reithalle ein
bemerkenswertes Kulturangebot gebe. Doch: "Die kulturelle Entwicklung ist
top, die gesellschaftliche aber ein Flop." Seit 25 Jahren habe die
Reitschule für Gewaltprobleme keine Lösung: "Es wird nur geredet und
geredet."

Rolf Zbinden (PdA) verwehrte sich dagegen, dass alle gesellschaftlichen
Probleme zwischen Heiliggeistkirche und Lorrainebrücke der Reithalle
untergejubelt werden. Er ortete bei der SVP ganz andere Motive: "Was die
stört, ist eine funktionierende Alternative zur verblödeten
Unterhaltungsindustrie."

Ausleiernde Debatte

Für die Reithalle stark machte sich schliesslich auch Stadtpräsident
Alexander Tschäppät (SP): "Die Initiative hat etwas Gutes: So können die
Bernerinnen und Berner einmal mehr sagen, was sie von der Reitschule
halten."

Nach ausführlicher, gegen Ende hin ausleiernder Debatte lehnte der Stadtrat
die Initiative mit 53 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung klar ab.
Entscheiden werden die Bernerinnen und Berner am 26. September an der Urne.

Adrian Zurbriggen

 

 

Blick am Abend 24.6.10


Heisse Reitschul-Debatte am Abend

Umstritten

 Der Stadtrat hat heute Abend die delikate Aufgabe, zur Reitschul-Initiative
Stellung zu nehmen. Das Volksbegehren aus rechtsbürgerlichen Kreisen, das
alternative Kulturzentrum zu verkaufen und umzunutzen, bewegt die Gemüter
seit Wochen. Der Gemeinderat empfiehlt ein Nein, bekannte Kunstschaft ende
wie Gilles Tschudi, Esther Gemsch oder Züri West setzen sich auch gegen die
Initiative ein. Die Abstimmung ist auf den 26. September dieses Jahres
angesetzt. jcg

 

 

20 Minuten 23.6.10

Wuchtige Kampagne gegen Schliessung der Reitschule

BERN. Prominente Unterstützung, Filmspots, Events, eine CD und sogar
Bademode: Die Berner Reitschule wehrt sich mit voller Breitseite gegen die
Schliessungsinitiative.

Bereits zum fünften Mal stimmt das Stadtberner Volk am 26. September über
die Zukunft der Reitschule ab. "Diesmal muss die rechtspopulistische Seite
eine grosse Niederlage einstecken, damit sie es in den nächsten 30 Jahren
nicht mehr wagt, wieder eine Initiative gegen die Reitschule zu lancieren",
hofft Stadtrat Hasim Sancar (GB/JA). Weil die Meinungen zu diesem Dauerthema
ohnehin längst gemacht sind, versuchen die Reitschulförderer gar nicht erst,
ihre Gegner umzustimmen. Stattdessen rechnen sie damit, dass die
Schliessungsinitiative abgeschmettert wird, wenn nur genügend Berner an die
Urnen gehen.

Entsprechend lustvoll ist die Nein-Kampagne gestaltet: Bekannte
Schauspieler wie Gilles Tschudi und Esther Gemsch stehen in Werbespots für
das Kulturzentrum ein. Im Reitschul-Umfeld herangewachsene Musikstars wie
Züri West, Patent Ochsner oder Steff la Cheffe steuern Songs für eine CD
bei. Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen zeigen sich solidarisch und
führen am 4. September einen Aktionstag durch. Zudem buhlt das Nein-Komitee
mit T-Shirts, Bademode und Führungen durch die Reitschule um zusätzliche
Stimmen.

Patrick Marbach

 

BZ 23.6.10

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Mit-CD-gegen-Verkauf-von-Reitschule/story/27042673

Gegner der Reitschule-Initiative

Sie bieten Herzblut statt Geld

Am 26. September wird in Bern über die Zukunft der Reitschule abgestimmt.
Die SVP will das Haus an den Meistbietenden verkaufen. Dagegen wehren sich
die Reitschüler mit Hilfe von viel Prominenz aus Kultur und Politik.

Die Reitschule, sagt Alt-Gemeinderätin Joy Matter, komme ihr vor "wie die
ungepflegte, unmanierliche und motzende Enkelin einer bürgerlichen Familie".
Diese Enkelin gehe der Familie ungeheuer auf die Nerven, und vor Fremden
schäme man sich für sie. "Aber insgeheim möchte sie niemand missen." So wie
die unangepasste Enkelin zur Familie gehört, so gehöre die Reitschule
einfach zu Bern, finden Joy Matter und zahlreiche weitere prominente
Mitstreiterinnen aus Politik und Kultur. 158 Mitglieder zählt das Komitee,
welches zur Unterstützung des alternativen Kulturzentrums Reitschule
gegründet worden ist und das sich gegen die Initiative der SVP wehrt (siehe
Kasten).

"Die Reitschule bietet mehr", sagt das gleichnamige Unterstützungskomitee.
Die Reitschule biete mehr als der von der SVP angestrebte "Meistbietende",
doppelte Joy Matter gestern vor den Medien nach. "Dieser kann nur Geld
bieten, die Reitschule hingegen bietet Herzblut."

CD mit Züri West und Co.

Bis zur Abstimmung am 26. September hat das Komitee zahlreiche Aktionen
geplant, um der Bevölkerung zu zeigen, was das Kulturzentrum Reitschule
alles zu bieten hat. Die erste wird morgen Donnerstag vor dem Rathaus
stattfinden, bevor das Stadtparlament über die SVP-Initiative debattieren
und seine Empfehlung ans Stimmvolk abgeben wird. Im Internet kann man sich
bereits vier Spots anschauen. Sie werben für ein Nein zur SVP-Initiative und
sollen bald auch in den Kinos gezeigt werden. In Arbeit ist zudem eine CD,
an der sich bekannte Künstler beteiligen wollen. Bereits zugesagt hätten
Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder die Rapperin Steff la Cheffe,
sagte Reina Gehrig von der Betriebsgruppe Reitschule.

Über Bern hinaus bekannt

"Es war für uns absolut klar, dass wir uns für die Reitschule einsetzen -
und doch ist diese grosse Solidarität keine Selbstverständlichkeit", sagte
Christian Pauli, Präsident von Bekult, dem Verband von mehr als 65
Kulturveranstaltern. Schliesslich sei die Reitschule ja auch eine Konkurrenz
für andere Kulturlokale. "Sie ist aber enorm wichtig für das kulturelle
Leben der Stadt und darf nicht verschwinden", betonte Pauli. Künstler, die
einmal in der Reitschule aufgetreten seien, würden sich immer an diesen Ort
erinnern. "Die Reitschule strahlt weit über die Stadt hinaus."

Dank der Unterstützung von Kulturschaffenden sei es möglich, das Budget für
die Kampagne im Rahmen zu halten, erklärten die Reitschüler. So haben für
die Spots Schauspieler wie Gilles Tschudi gratis gearbeitet. Zwischen 20 000
und 25 000 Franken würden eingesetzt, sagte Agnes Hofmann. Das sei im
ähnlichen Rahmen wie bei den letzten Reitschule-Abstimmungen.

Mirjam Messerli

 

Bund 23.6.10


Unterstützung für Berns "unmanierliche Enkelin"


Für den Abstimmungskampf um die neuste Reitschul-Initiative hat das
Gegnerkomitee Kulturschaffende von nah und fern mobilisiert.

Matthias Raaflaub

Am 26. September entscheidet die Stimmbevölkerung der Stadt Bern zum
fünften Mal über das Schicksal der Berner Reitschule. Die Initiative der SVP
Bern fordert deren Schliessung und den Verkauf an den meistbietenden
Interessenten. Im Gegnerkomitee nimmt man den Angriff ziemlich gelassen. Mit
breiter Unterstützung linker Parteien und Organisationen hat das Gremium
eine Kampagne auf die Beine gestellt, welche die Vorzüge der Reitschule als
Kultur- und Begegnungszentrum geistreich hervorzuheben versucht. Gestern
stellte es sie an einer Medienkonferenz vor.

Der Kampagnen-Slogan "Reitschule bietet mehr" ist zum einen ein Seitenhieb
gegen die hypothetische Versteigerung des Kulturzentrums an Investoren, zum
andern breitet das Nein-Komitee darunter das Angebot der seit der ersten
Besetzung vor 29 Jahren zur Institution gewordenen Reitschule aus. Wie
verankert das autonome Zentrum im Kulturbetrieb der Stadt Bern heute ist,
hob Christian Pauli, Präsident des Verbands der Berner Kulturveranstalter
Bekult, hervor. "Ob wir die Reitschule bei der Abstimmung unterstützen, war
in unserem Verband nie ein Thema. Das ist bemerkenswert", sagte er.

Ein Verkauf wäre "grotesk" und "eine Katastrophe". Als "ungepflegte,
unmanierliche Enkelin einer bürgerlichen Familie" beschrieb
Alt-Gemeinderätin und Komiteemitglied Joy Matter die Institution. Auch wenn
man sie Gästen nicht gerne zeige, gehöre sie doch zur Familie, zur Stadt
also. Nicht nur kulturell, auch gesellschaftlich erfülle die Reitschule eine
bedeutende Funktion, sagte Stadtrat Hasim Sancar (GB). Dazu gehöre, dass sie
auch marginalisierten Personen die Tür öffne.

Reitschule finanziert sich selber

Mit fingierten Immobilieninseraten will das Nein-Komitee auf den Wert der
Reitschule für die Stadt aufmerksam machen. Kino, Theater, Konzertlokal,
Restaurant und mehr - alles das erhalte sich Bern zum Preis eines Neins am
Stichtag, lautet die Botschaft. Sabine Ruch, Veranstalterin im Dachstock,
formulierte es so: "Ich glaube nicht, dass irgendeine Stadt in der Ersten
Welt ein billigeres Kulturzentrum dieser Dimension hat." Denn die Reitschule
finanziert ihr Programm zu einem grossen Teil ohne Subventionen.

"Die Reitschule strahlt weit über Bern hinaus", sagte Christian Pauli. Wie
zum Beweis hat das Nein-Komitee für die Kampagne Persönlichkeiten der Berner
und der Schweizer Kultur gewonnen. An Kurzspots des Berner Filmunternehmens
Decoy Collective hat unter anderem der Schauspieler Gilles Tschudi
mitgewirkt. In Planung ist eine CD, zu welcher unter anderen Züri West,
Stiller Has oder Greis Songs beisteuern werden. Die Beteiligten wurden
gestern aber nicht müde zu betonen, dass sich die Künstler gerne
unentgeltlich engagierten.

Bis zur Abstimmung wird das Nein-Komitee mit Veranstaltungen für die
Reitschule werben. Schon für morgen ist eine Aktion im Stadtrat geplant,
weil das städtische Parlament morgen seine Parole für die Initiative fasst.
In regelmässigen Abständen bietet das Reitschul-Team auch Führungen durch
die Kulturräume an. Die Kosten für die Kampagne, maximal 25 000 Franken,
bezahlt das Unterstützungskomitee bestehend aus Parteien, Organisationen und
Privaten. "Viel Geld wollen wir nicht dafür ausgeben. Es wäre schade drum",
kommentierte Agnes Hofmann von der Mediengruppe der Reitschule.

Langenthaler Tagblatt 23.6.10


CD für Reitschule

Bern Reitschulkomitee wehrt sich gegen Verkauf

Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner zum fünften Male über
die Zukunft des Kulturzentrums Reitschule ab. Diesmal soll die Stadt die
Reitschule im Baurecht "an den Meistbietenden" verkaufen können. Bis Ende
2012 sei das Geschäft abzuwickeln, verlangt die SVP-Initiative.

Dagegen wehrt sich das Komitee "Reitschule bietet mehr" mit Aktionen. Und
mit der Produktion einer CD. Laut Reina Gehrig vom Reitschul-Komitee machen
prominente Künstler und Gruppen mit: Neben Pedro Lenz sollen etwa Stiller
Has, Patent Ochsner, Züri West und die Nachwuchs-Rapperin Steff la Cheffe
zugesagt haben. Bereits auf "Youtube" zu sehen sind vier vom Berner "Decoy
Collective" gedrehte Werbespots. "Die Filmemacher haben sich die
rechtsbürgerlichen Reitschul-Zukunftsvorschläge zu Herzen genommen und nach
dem Moto ‹Extrahieren wir aus dem Aberwitz den Witz› ihr deutliches Nein zur
Anti-Reitschul-Initiative auf Video festgehalten", schreibt das Komitee.

Morgen Donnerstag, wenn der Stadtrat über die Initiative debattiert, will
das Komitee mit verschiedenen Aktionen vor und einer Ausstellung im Rathaus
präsent sein. Damit sich die Stimmbürger selber ein Bild von der Reitschule
machen können, bietet das Komitee zudem noch zehn öffentliche Führungen an,
die nächste am 24. Juli. Ein Höhepunkt der Kampagne soll der kulturelle
Aktionstag am 4.September werden. Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen
werden dabei ihre Solidarität mit der Reitschule bekunden. Und am
18.September steigt in der Reitschule ein "Abstimmungsfest".

Vor den Medien sagte gestern alt Gemeinderätin Joy Matter: "Von aussen ist
die Reitschule nicht gerade ein Augentrost. Aber sie gehört zu Bern wie Urs
und Berna, wie der Zytglogge oder das Symphonieorchester." Die Reitschule
komme ihr vor wie die unmanierliche Enkelin einer bürgerlichen Familie.
"Aber insgeheim möchte sie niemand missen." (uz)

 

Telebärn 22.6.10


Künstler kämpfen für Reitschule
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/kunstler-kampfen-fur-reitschule/c=84713&s=948518



20 Minuten 22.6.10

http://www.20min.ch/news/bern/story/Wuchtige-Kampagne-gegen-Schliessung-10170239

Bern

Wuchtige Kampagne gegen Schliessung

von Patrick Marbach - Prominente Unterstützung, Filmspots, Events, eine CD
und sogar Bademode: Die Berner Reitschule wehrt sich mit voller Breitseite
gegen die Schliessungsinitiative.

Bereits zum fünften Mal stimmt das Stadtberner Volk am 26. September über
die Zukunft der Reitschule ab. "Diesmal muss die rechtspopulistische Seite
eine grosse Niederlage einstecken, damit sie es in den nächsten 30 Jahren
nicht mehr wagt, wieder eine Initiative gegen die Reitschule zu lancieren",
hofft Stadtrat Hasim Sancar (GB/JA). Weil die Meinungen zu diesem Dauerthema
ohnehin längst gemacht sind, versuchen die Reitschulförderer gar nicht erst,
ihre Gegner umzustimmen. Stattdessen rechnen sie damit, dass die
Schliessungsinitiative abgeschmettert wird, wenn nur genügend Berner an die
Urnen gehen.

Entsprechend lustvoll ist die Nein-Kampagne gestaltet: Bekannte Schauspieler
wie Gilles Tschudi und Esther Gemsch stehen in Werbespots für das
Kulturzentrum ein. Im Reitschul-Umfeld herangewachsene Musikstars wie Züri
West, Patent Ochsner oder Steff la Cheffe steuern Songs für eine CD bei.
Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen zeigen sich solidarisch und
führen am 4. September einen Aktionstag durch. Zudem buhlt das Nein-Komitee
mit T-Shirts, Bademode und Führungen durch die Reitschule um zusätzliche
Stimmen.

derbund.ch 22.6.10


Züri West singt für die Reitschule


Das Komitee "Reitschule bietet mehr" bekämpft mit verschiedenen Aktionen die
Initiative, die den Verkauf des Berner Kulturzentrums fordert. Geplant ist
beispielsweise eine CD, an der sich prominente Künstler beteiligen wollen.

Zugesagt hätten Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder die
Nachwuchs-Rapperin Steff la Cheffe, sagte Reina Gehrig vom Reitschul-
Komitee am Dienstag vor den Medien in Bern. Als Kostprobe gab es einen
gesprochenen, mit Hintergrundmusik vertonten Text von Pedro Lenz zu hören,
der die Reitschul-Initiative mit Ironie analysiert.

Bereits im Umlauf sind vier Spots für ein Nein zur Initiative der Jungen
SVP, die am 26. September in Bern vors Volk. Schauspieler wie Gilles Tschudi
spielten gratis in den Spots mit, die in kleineren Kinos und auf dem
Internet zu sehen sind.

"Wir haben mit einem Null-Budget gearbeitet", sagte Johannes Hartmann von
der Berner Produktionsfirma Decoy Collective. Unterstützung erhielten die
Berner unteren anderem von einer Zürcher Firma, die für den Dreh der Spots
gratis Material zur Verfügung stellte.

bernerzeitung.ch 22.6.10


http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Mit-CD-gegen-Verkauf-von-Reitschule/story/27042673

Mit CD gegen Verkauf von Reitschule


sda / mau

Das Komitee "Reitschule bietet mehr" bekämpft mit verschiedenen Aktionen die
Initiative, die den Verkauf des Berner Kulturzentrums fordert. Geplant ist
beispielsweise eine CD, an der sich prominente Künstler beteiligen wollen.

Zugesagt hätten beispielsweise Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder
Steff la Cheffe, sagte Reina Gehrig vom Reitschul-Komitee am Dienstag vor
den Medien in Bern. Als Kostprobe gab es einen mit Hintergrundmusik
vertonten Text von Pedro Lenz zu hören, der die Reitschul-Initiative mit
Ironie analysiert.

Bereits im Umlauf sind vier Spots, die für ein Nein zur Initiative der
Jungen SVP werben, die am 26. September in Bern vors Volk kommt.
Schauspieler wie Gilles Tschudi spielten in den Spots gratis mit, die in
kleineren Kinos und auf dem Internet zu sehen sind.

Das Komitee rechnet mit Ausgaben von 20'000 bis 25'000 Franken für den
Abstimmungskampf. Das sei allerdings nur möglich, weil viele Involvierten
aus Solidarität mitmachen und keine Entschädigung für ihre Arbeit wollten,
sagte Karin Jenni vom Komitee. Finanzielle Unterstützung erhält das Komitee
durch Einzelspenden.

Das Komitee unterstützen mehrere Parteien und Organisationen, darunter die
SP, das Grüne Bündnis oder die Junge Alternative. Gegen die
Reitschul-Initiative hat sich im Vorfeld der Gemeinderat ausgesprochen. Es
ist bereits das fünfte Mal, dass sich das Stadtberner Stimmvolk an der Urne
zur Reitschule äussern kann.


http://www.bern.ch/mediencenter/aktuell_ptk_sta/2010/05/reitschule/view

Bund vom 19.1.2010

http://www.derbund.ch/bern/Fast-alle-Jahre-wieder-Abstimmen-ueber-die-Reitschule/story/28809333

20 Minuten vom 19.1.2010

http://www.20min.ch/news/bern/story/22932824